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Julian Le Play & sein Papa: Zwei Leben für die Kunst

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©Bild: Ricardo Herrgott/News
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Dürften sie sich etwas für die Wand wünschen, müsste es ein Werk des künstlerischen Guerilla-Aktivisten Banksy sein. Da sind sich Österreichs Popstar Julian Le Play und sein Papa, Galerist Gerald Hartinger einig.

"Banksys Kunst gefällt mir nicht nur optisch, ich mag auch die Geschichte, die er mitbringt", erklärt Le Play. "Mir gefällt, wie er mit dem Geheimnis um seine Identität seine Künstlerfigur aufbaut. Und es ist großartig, wie er politische Botschaften vermittelt: indem er, wie gerade eben, ein Schiff zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer finanziert und mit einer Botschaft bemalt. Das hat so einen Robin-Hood-Touch."

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"Gangsta Rat" - ein Werk von Künstler Banksy © Ricardo Herrgott/News

Die Geschichte hinter dem Banksy-Werk

Das Banksy-Werk, das kaum einen Meter von Julian Le Play entfernt die Wand in seinem Wiener Refugium Villa Lala ziert, erzählt eine weitere Geschichte: "Gangsta Rat" zeigt mit der Ratte die bekannteste Figur des britischen Künstlers. Der Street-Art-Star, von dem niemand weiß, ob ein Mann, eine Frau oder ein Kollektiv hinter dem Pseudonym steckt, verwendet die Ratte immer wieder als Analogie für Ungerechtigkeit und alle davon Betroffenen.

Das Objekt ist eine Leihgabe von Gerald Hartinger, Julian Le Plays Vater, für den News-Fototermin. Es ist erst seit wenigen Stunden in seinem Besitz. Frisch aus Amsterdam habe er das Bild nach zähen Verhandlungen bekommen, erzählt er.

Plötzlich Galerist

Man merkt dem Inhaber zweier Galerien und einer der relevantesten Pop-Art- Sammlungen Europas die Freude am Beruf an. Mutig habe man ihn im Freundeskreis genannt, als er in der Wiener Innenstadt vor 14 Jahren die 250 Quadratmeter großen Räumlichkeiten in der Seilergasse übernahm und eine Galerie eröffnete. Das Wort Midlifecrisis ist damals gefallen, erinnert er sich. Hartinger war 50 Jahre und als Unternehmer im Schmuck-und Edelsteinhandel erfolgreich.

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"Du hast mir vorgelebt, dass das Leben nach der Schule Spaß machen darf", sagt Julian Le Play zum Vater Gerald Hartinger © Ricardo Herrgott/News

Von Schmuckdosen in Gold und Schwarz

Den Grundstein hatte der studierte Handelswissenschaftler auf ausgedehnten Asienreisen nach dem Studium gelegt. "Ich kann mich noch gut an die Schmuckdosen in Gold und Schwarz erinnern. Das war ein starker Asienboom damals", wirft Julian Le Play ein. Und der Vater erzählt von über drei Jahrzehnten, in denen der Schmuckhandel sein Leben bestimmte: "Mein Ehrgeiz hat mich zu anderen Stufen und zum Handel mit Edelsteinen gebracht. Das Hauptgeschäft war in Kolumbien, Brasilien, Thailand und Sri Lanka."

Als er beruflich öfter in New York verweilte, tauchte er in die Künstlerszene in Soho und Chelsea ein und entdeckte die Liebe zur Pop-Art. Er holte Werke von Warhol, Wesselmann, Lichtenstein und Haring nach Wien und setzt nun auf Neo-Stars wie die Londoner Street-Art-Künstlerin Bambi oder den Franzosen Mr. Brainwash. Bei einigen Stücken erlaubt er sich, mehr Sammler als Galerist zu sein. "Die sind unverkäuflich, weil ich mich nicht von ihnen trennen kann", lacht Hartinger.

Tipps vom Vater und von Ray Cokes

Die vorgelebte Einstellung, sich seiner Leidenschaft zu verpflichten, hat den Sohn, den Popstar, geprägt. "Ich habe sicher mitbekommen, dass man das, was nach der Schule kommt, als Berufung und nicht als Arbeit verstehen kann. Dass das Spaß machen darf", sagt Julian Le Play, der bürgerlich Julian Heidrich heißt. Lange bevor der 29-Jährige nunmehr vier Alben in den top fünf der österreichischen Charts platzieren konnte und mithalf, deutschsprachigen Pop aus der Heimat vom miefigen Image zu befreien, wurden diese Weichen gestellt.

"Diese Einstellung, dass man alles probieren und scheitern darf und es noch mal wagen, habe ich von klein auf mitbekommen", sagt der dreifache Amadeus-Preisträger. "Es ist ein Unterschied, ob du in einem Umfeld aufwächst, das dich ermutigt, oder einem, das dir erzählt, wie hart das Leben ist."

Niemals aufgeben!

Vom Nichtaufgeben erzählt auch Julian Le Plays Popkarriere. Er war elf, als er an der Teilnahme bei der ORF-Show "Kiddy Contest" scheiterte. "Damals hatte ich noch einen Sprachfehler, ich habe gelispelt", so der Sänger. Er trainierte mit einer Logopädin und verbuchte ein Jahr später tatsächlich den ersten TV-Auftritt. In den Jahren danach probierte er sein musikalisches Talent in Schulbands und bei Auftritten in kleinen Bars aus und stillte die Abenteuerlust bei einem Auslandssemester in Australien im Alter von 16 Jahren. "Damals hattest du meine Gitarre dabei, die ist immer noch dort", erinnert ihn der Vater, den Julian Le Play "Daddy" nennt. Tatsächlich ist das Instrument in den Händen von Julians Gastfamilie namens Bond. "Deren Sohn heißt tatsächlich James", erinnert sich Le Play lachend.

Wer nicht wagt, kann nicht gewinnen

Das Motto sei stets gewesen: "Wer nicht wagt, kann nicht gewinnen", formuliert der Musiker. Ganz konkret habe ihm das "Daddy" vor der wagemutigen Herausforderung bei der TV-Show "Helden von morgen" gesagt, erzählt er. "Ich war damals 19, hatte die Schule fertig und war skeptisch, ob eine Castingshow das Richtige für mich ist", so Julian Le Play. Trotz Hoffnungen auf einen Sieg wurde er damals nur Siebter - und um Erfahrungen reicher, wie er heute sagt. MTV-Legende Ray Cokes gab ihm einen wegweisenden Rat mit: "Er hat gesagt: 'Bisher warst du jeden Freitag im Fernsehen, das war einfach. Jetzt geh feiern. Aber wenn du weiter Musik machen willst, beginnt am Montag die echte Arbeit.'"

Vom Scheitern und Weitermachen

Gerald Hartinger lächelt zur Erzählung des Sohnes. Wohlbekannt sei ihm das Scheitern. Und doch habe er jedes mal etwas Positives mitgenommen. "Ich habe auch erlebte, dass ein Geschäft nicht geklappt hat, für das ich extra irgendwohin gereist bin. Dafür habe ich Menschen kennengelernt und Erfahrungen gemacht, die mich weitergebracht haben", so Hartinger.

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Plektrons mit dem Logo von Julian Le Plays Künstlertreffpunkt Villa Lala © Ricardo Herrgott/News

Der Popkarriere des Sohnes begegnete er immer positiv. "Diese Entscheidung hat mir nie Sorgen gemacht, weil der Drang, Musik zu machen, immer so stark war bei Julian, dass ich wusste, er macht dort seinen Weg. Da bin ich Optimist."

Viel Urvertrauen und eine Krise

Es ist eine Art Urvertrauen, die Julian Le Play begleitet, sagt er. Nach dem Ausscheiden bei der TV-Show "Helden von morgen" arbeitete er als Moderator beim Radiosender Ö3 und schrieb sein erstes Album "Soweit Sonar"(2012) samt Hit "Mr. Spielberg". Zwei weitere Alben und mehrere Hits ("Mein Anker","Hand in Hand") festigten seinen Erfolg als Sänger und er hängte den sicheren Moderationsjob an den Nagel - wie zuvor der Vater die Unternehmerkarriere. "Ich habe einfach gewusst, das wird was", erzählt der Sänger.

Die Krise kam vor Entstehung seines jetzigen Nummer-eins-Albums "Tandem". "Ich fange ja jedes Mal von vorne an und frage mich: Kann ich es noch? Fällt mir noch etwas ein?", so Julian Le Play. So habe er sich einmal in Rovinj inspirieren lassen, einmal auf einer Europareise. "Dann ist der Erfolg mehr geworden. Ich bin verbissener geworden und wollte diesen Musikzug keinesfalls aufhalten. Ich bin nach Porto gefahren und zum ersten Mal ohne ein Lied heimgekommen", erzählt er von der "schwierigen Zeit".

Es gibt die Gefahr, dass der Ehrgeiz deine Quelle zur Inspiration trockenlegt

Er besuchte daraufhin seine Schwester Lena, die gerade in Sri Lanka Urlaub machte - erstmals ohne Gitarre im Gepäck. "Es gibt die Gefahr, dass der Ehrgeiz deine Quelle zur Inspiration trockenlegt", beschreibt er seine Lehre aus dieser Zeit. "Nicht leben, um Musik zu machen, sondern erst leben und dann Musik machen", lautet der Satz, den er damals aufschrieb. Er war der Wendepunkt, an dem sich Julian Le Play Neuem öffnen konnte und die nunmehr erfolgsgekrönten Kollaborationen für sein Album "Tandem" begannen.

"Grundlegend verändert" habe ihn auch die Erfahrung des künstlerischen Austauschs, die er im Berliner Künstlerkollektiv Haus 2000 machte, erzählt er. "Musik zu machen und sich zwischendurch mit anderen darüber auszutauschen, das ist mir abgegangen", so der Musiker. Mit zwei Kollegen -Musikmanager Elias Oldofredi und Produzent und Musiker Filous -schuf er deshalb in Wien die Villa Lala -einen außergewöhnlichen Ort mit Studios zum Aufnehmen, Songwriting-Suiten und Platz für kreativen Austausch.

Mehr Platz für Popkultur

Nach dem Stellenwert von Kunst in unserer Gesellschaft gefragt, ist Galerist Hartinger dank steigendem Interesse an bildender Kunst zufriedener als sein Sohn. "Was die Popmusik betrifft, hat sich im Zuge der Pandemie entblößt, dass sie seitens der Regierung vielfach als Hobby betrachtet wird", ärgert er sich. Mit finanzieller Unterstützung für den Nachwuchs und der Möglichkeit von TV-Auftritten wäre in Sachen Popkultur noch viel mehr möglich, sagt er.

"Kunst ist nicht nur Egobefriedigung des Künstlers. Sie ist Lebensbegleiter und Verbündeter für viele. Lieder können den Psychotherapeuten ersetzen, wenn man sich verstanden wissen will. Wichtige Momente werden in Liedern abgespeichert. Songs helfen abschalten, wenn man einfach nur dazu tanzen will. Und dann ist da noch das verbindende Element von Konzerten " Bei allem, was noch zu tun ist, baut Julian Le Play jedenfalls auf ein gutes Fundament.

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