Während Bundeskanzler Christian Kern einst vor einer „Verrohung der Sprache“ warnte, ist eine doppeldeutige Wortwahl für Ex-FPÖ-Chef Heinz Christian Strache Provokation und Code zugleich. Von der auf Facebook geposteten Hymne des deutschnationalen Dichters Ottokar Kernstocks bis hin zu „Überfremdung“ im eigenen Land reicht der zweideutige Rechts-Sprech. Mit Erfolg: Worte mit nationalsozialistischem Hintergrund werden nicht nur innerhalb der FPÖ immer häufiger gebraucht – auch unsere Alltagssprache ist voller Begriffe mit dunkelbrauner Vergangenheit.
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Die „Reichsbürger“ sowie einige Sager aus FPÖ-Kreisen wie „Wir sind die neuen Juden“ oder „Es war wie die Reichskristallnacht“ rufen recht offensichtlich Assoziationen zum Nationalsozialismus hervor. Um die versteckte Tragweite etwa jener Hymnenstrophe, die von Strache am Nationalfeiertag auf Facebook gepostet wurde und vom Verfasser des Hakenkreuzliedes stammt, bedarf es jedoch eines genaueren Blickes.
Und dann gibt es noch Worte, deren Bedeutung meist völlig im Dunklen verborgen bleibt, die wir aber tagtäglich verwenden – ohne uns ihres wahren Ausmaßes bewusst zu sein. Heimlich haben sich Begriffe und Phrasen, die im Dritten Reich geprägt wurde, in unsere Alltagssprache eingeschlichen. Ihr Inhalt ist oft tiefer, dunkler und brutaler als gedacht. Nach Walter Bauer, einem Autor der Nachkriegszeit, hat Hitler die deutsche Sprache mit einem solchen Gewicht an Unmenschlichkeit beladen, „dass sie noch im einzelnen Wort von Atemnot keucht.“
Obwohl die Nationalsozialisten Begriffe nicht von Grund auf neu erfanden, versahen sie diese oft mit einer neuen Bedeutung, um Handlungen zu vertuschen, schönzureden oder zu legitimieren. Laut Dr. Bernhard Weidinger (Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes) lassen sich Begriffe aus der NS-Propaganda nicht rehabilitieren. Auch nicht durch den gängigen Verweis, dass diese Ausdrücke schon vor der Zeit des Nationalsozialismus in Verwendung waren. „Leider“, sagt Weidinger „ist zu beobachten, dass Wörter wie „Umvolkung“ zunehmend normaler werden. Die Gesellschaft ist durch die Verschärfung des Stils politischer Auseinandersetzung abgestumpft. Die FPÖ wäre hier natürliche als zentrale Akteurin zu nennen. Was 1990 noch als Argument zum Ausschluss einer rechtsextremen Liste vom Antritt zur Nationalratswahl herangezogen wurde - der Begriff der "Überfremdung" -, konnte die FPÖ gegen Ende desselben Jahrzehnts flächendeckend in Wien plakatieren." Doch welche anderen Begriffe haben eine ähnlich dunkle Vergangenheit?
Sonderbehandlung
„Der bekommt aber auch immer eine Sonderbehandlung.“ Ein Satz, der den meisten von uns schon einmal über die Lippen gekommen sein mag, wenn jemand besonders bevorzugt behandelt wurde. Im nationalsozialistischen Sprachgebrauch war „Sonderbehandlung“ jedoch eine Tarnbezeichnung für die Ermordung und Tötung von Gegnern des Regimes sowie von Angehörigen der als minderwertig erachteten Völker.
Bis zur Vergasung
Diese Redewendung soll zum Ausdruck bringen, dass man einer Sache so überdrüssig ist, dass man sich lieber durch Giftgas töten lassen würde. Ursprünglich kommt der Ausdruck aus dem 19. Jahrhundert und aus dem Bereich der Naturwissenschaften. Er beschreibt den physikalischen Prozess des „Zu-Gas-Werdens“ als letzten Zustand eines Stoffes. Spätestens seit dem zweiten Weltkrieg und der systematischen Massenvernichtung der Juden mit Gas, sollte laut Weidinger die Verwendung dieser Phrase jedoch ein Tabu sein: "Unser heutiger Sprachgebrauch enthält eine Vielzahl von Begriffen und Redewendungen mit nationalsozialistischer Konnotation. Dabei ist zu beachten, dass einige dieser Begriffe in stärkerem Maße historisch kontaminiert sind als andere: Eine unverfängliche Verwendung von Ausdrücken wie "bis zur Vergasung" ist nach Auschwitz denkunmöglich.“
Durch den Rost fallen
Auch das Bild des Eisengitters, das bei Verbrennung für die Trennung von groben Verbrennungsrückständen und Asche dient, ist bereits seit dem Mittelalter im Umlauf, um eine Benachteiligung oder Nicht-Berücksichtigung auszudrücken. Nach dem Holocaust bekam diese Redewendung jedoch eine neue Bedeutungsdimension und soll laut dem Leitfaden für einen nicht-diskriminierenden Sprachgebrauch des österreichischen Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit nicht mehr verwendet werden.
Jedem das Seine
Jedem das Seine klingt harmlos, meint es doch nur so viel wie „Jeder, wie er will“ oder „Jeder bekommt das, was ihm zusteht.“ Während größtenteils bekannt ist, dass an den Toren einiger Konzentrationslager der Spruch „Arbeit macht frei“ zu lesen ist, wissen nur wenige, dass an den Eingangstoren des Konzentrationslagers Buchenwald in großen Lettern „Jedem das Seine“ prangt. Hier sollte zum Ausdruck kommen, dass das, was hinter dem Tor passiert, nur gerecht ist und somit auch legitimiert werden kann. Die Unwissenheit über die wahre Bedeutung des Spruches zeigt sich darin, dass er auch in den vergangenen Jahren öfters als Werbeslogan zum Einsatz kam.
Lügenpresse
Die Medien der Kriegsgegner als Lügenpresse abzustempeln, gehörte zur Strategie nationalsozialistischer Propaganda. Im Zuge ihrer antisemitischen Verschwörungstheorie wurden jedoch auch die Juden als Steuermänner der Lügenpresse diffamiert. Seit Beginn der 2000er Jahre erfreut sich das Wort „Lügenpresse“ vor allem in rechtspopulistischen Kreisen hoher Beliebtheit.