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Marie Rötzer wird "Josefstadt"-Direktorin

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Heinz Sichrovsky

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Die erfolgreiche Intendantin Marie Rötzer, derzeit St. Pölten, soll im September 2026 das blühende zweite Wiener Haus übernehmen. Sie war schon eine qualifizierte Kandidatin für die "Burg" nach Kusej

Da wollte ich gerade mit der Konzertposaune von Jericho so verhalten auf die Festwochen losdonnern, dass Ihnen eine gewisse Sympathie nicht verborgen geblieben wäre. Und dann kommt mir der Ernst des Lebens dazwischen: Wenn News und "Krone" nicht atypisch irren, wird am kommenden Montag (24. Juni) die Intendantin des Niederösterreichischen Landestheaters St. Pölten, Marie Rötzer, als Direktorin des Theaters in der Josefstadt ab Herbst 2026 bekanntgegeben.

Das ist eine gute Nachricht. Jedenfalls hätte sie wesentlich schlechter ausfallen können, da alle anderen Interessenten aus der hohen Liga von der Bewerbung Abstand genommen haben. Sven-Eric Bechtolf etwa, als Schauspieler, Regisseur und Intendant der Salzburger Festspiele ein Championsligist, hätte Andrea Breth, die bedeutendste lebende Regisseurin, als Verbündete an seiner Seite gehabt. Sich damit in die Zeitlosigkeit des Identitätsstifters Max Reinhardt aufzuschwingen, wäre erreichbar gewesen und wurde versäumt. Bechtolf sei zu alt, war zu hören. Er ist 66, fünf bzw. sechs Jahre älter als zwei fraglos interessante Damen aus dem Wiener Offtheater-Bereich, gegen die sich Marie Rötzer meinen Informationen zufolge durchsetzen konnte.

Der Österreicher Josef Ernst Köpplinger, Intendant des Münchner Gärtnerplatztheaters, hat dort infolge abweisender Signale aus Wien bis 2030 verlängert. Maria Happel, die in Reichenau eine "Josefstadt" auf Sommerfrische zaubert, gilt nach einer sonderschulformatigen Intrige ihrer Studenten am Reinhardt-Seminar als "schwierig". Thomas Gratzer vom Rabenhof ist leider ein Mann und fällt zudem seit Jahr und Tag der provinziellen Österreicher-Phobie der Politik zum Opfer.

Die wenigstens wurde jetzt glücklich überwunden. Denn, um nun endlich zum Wesentlichen zu k0mmen: Die Weinbauerntochter Marie Rötzer, geboren am 16. Juli 1967 in Mistelbach, Niederösterreich, logiert fachlich und reputativ auf der Höhe fast aller Genannten. Für Umwege hat sie sich immer genug Zeit genommen, um genau dort zu sein, von wo es noch ein Stück aufwärts gehen konnte: Dramaturgin in Bremen, Berlin, Zürich und Graz, persönliche Referentin bei Joachim Lux in Hamburg. 2016 dann die erste eigene Intendanz in St. Pölten mit zuletzt annähernd 90 Prozent Jahresauslastung, während andere Sprechbühnen an Quoten-Long-Covid laborieren.

Speziell in der Hamburger Zeit hat sie aus vielen Strängen ein Netz geknüpft, in dem sich 2022 sogar der Großmeister Frank Castorf fing. Der Belgier Luk Perceval reiste für eine Koproduktion aus Gent an die Traisen. Den Clou verantworteten aber im März 2019 Elfriede Jelinek und der Puppenmagier Nikolaus Habjan mit der Trump-Groteske "Am Königsweg", die von der "New York Times" unter die zehn besten europäischen Aufführungen des Jahres gewählt wurde. Der sprachraumweit gesuchte Habjan äußert sich auf Befragen euphorisch: Er könnte sich unter dieser Direktion wie zu Hause fühlen. Von Matthias Hartmann aus dem Nichts an die "Burg" verpflichtet und von Martin Kusej vertrieben, ist Habjan im Haus schon jetzt ein geschätzter Gast.

Als sich Ende 2022 das frühe, aber nicht zu frühe Verglühen Kusejs anbahnte, war Marie Rötzer schon eine ernsthafte Nachfolgekandidatin. Damals skizzierte sie uns im Interview ihre Spielplanarchitektur: Parallelwelten bauen, in denen spielerisch Weltliteratur verhandelt wird, im Dialog mit dem Publikum, das nicht "gelangweilt, gemaßregelt oder mit der Moralkeule erschlagen werden" darf. Gemeinsam Inhalte erarbeiten, dabei Funken schlagen, so formulierte sie ihren teamorientierten Führungsansatz. Und, vielleicht das Wichtigste: Ein Drittel des Ensembles ist geblieben, ein Drittel freiwillig, ein Drittel unfreiwillig gegangen, als sie 2016 in St. Pölten antrat.

Und hier wird jetzt nachzufragen sein: Föttinger hat zum eigenen feinen Ensemble vieles gefischt, was provinzieller Unverstand vom Burgtheater und vom Volkstheater vertrieben hatte. In den aktuellen Produktionen, Goldonis "Trilogie der Sommerfrische" und Thomas Arzts "Leben und Sterben in Wien", zeigt das Ensemble lückenloses Idealformat. Mit Turrini, Kehlmann, Mitterer, Arzt, Lisa Wentz, Tom Stoppard ist man das aktivste Ur- und Erstaufführungstheater des Landes, ohne sich damit postdramatische Blasenprobleme einzufangen.

Das Haus ist, mit einem Wort, im Bestzustand, kaum ein angestellter oder gastierender Schauspieler wäre ohne Verlust verzichtbar. Wie zu hören ist, wird Marie Rötzer anfangs viel aus dem Repertoire ihres Vorgängers übernehmen, alles Weitere werde sich dann sanft einschleifen. Gemeinsam Funken schlagen, ohne etwas abzufackeln: Das wäre es.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: sichrovsky.heinz@news.at

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