Mario, ob Sie es glauben oder nicht, hat Sex im Büro: Er ist mehrmals am Tag mit Selbstbefriedigung beschäftigt, wobei er auch unbemerkt Pornos konsumiert. Das geschehe schon routinemäßig nicht aus Lust, sondern zur Entspannung, um danach umso konzentrierter bei der Tätigkeit als Programmierer zu sein, sagt Mario. Schon einmal gehört: Pornofilme regen das zerebrale Belohnungszentrum an und haben daher insbesondere bei Männern eine beglückende und erleichternde Wirkung. Jürgen und Anita erzählen, dass ein Kollege im Pflegeheim schon mit fast allen Frauen Sex hatte, was den Verdacht auf Hypersexualität, also einen übersteigerten Sexualtrieb, weckt. Bei diesem nicht seltenen Phänomen wird von den Betroffenen durch sexuelle Aktivität nicht nur Spannung abgebaut, sondern eine narzisstische Zufuhr gewonnen, wenn es zum nächsten "Aufriss" kommt. Bei Frauen sprach man in diesem Zusammenhang früher von Sexsucht oder Nymphomanie, wobei die dauernde Jagd nach "Aufrissen" bei Männern Donjuanismus hieß - und beide Begriffe indessen als veraltet gelten.
"Hypersexualität" findet sich häufig als Folgestörung einer frühen seelischen Erschütterung (Traumatisierung) bei Menschen wieder, die dann häufiger Sex einen zentralen Stellenwert geben. Manchmal ist Sex am Arbeitsplatz ein unbewusstes Gegenmittel gegen Langeweile, aber ebenso häufig ein Stressventil. Quickies oder Affären unter Kollegen sind angesichts des drohenden Kollateralschadens grundsätzlich nicht anzuraten, ausgenommen den Fall, es wird mehr daraus: Viele Paare lernen einander noch immer am Arbeitsplatz kennen. Die Grundsatzfrage lautet: Was ist im beruflichen Kontext bloß so "sexy", dass die Libido steigt? In den meisten Fällen handelt es sich weniger um blanke Lust als um das Bedürfnis, der Monotonie zu entkommen und sich einen Energie-Booster zu holen. Oder sich schlichtweg zu entspannen, so wie man das von Yoga oder Atemübungen kennt. Aus meinen jahrelangen wissenschaftlichen Studien in geriatrischen Einrichtungen ging hervor, dass Liebe und Lust bei den meisten Menschen zuletzt sterben. Um die Atmosphäre aufzulockern, wird im Berufsalltag gewitzelt, geflirtet -und durchaus auch an Sex gedacht. Das ist kein Sündenfall!
Denn Sexualität bedeutet nicht nur für viele die schönste Vertraulichkeit der Welt, sondern eine bewusste Kommunikationsart einander liebender Menschen. Auch wenn Denise sagt, es nicht darauf angelegt zu haben, mit ihrem Chef nach einem Meeting auf dem Konferenztisch zu landen -meist steckt doch eine (unbewusste) Entscheidung dahinter oder ein alkoholbedingter vorübergehender Kontrollverlust - wie etwa auf einer Weihnachtsfeier. Mit Paracelsus gesprochen, macht auch hier die Dosis das Gift: Wenn man sich in Arbeitspausen bei Meditationsvideos mit Naturgeräuschen oder beim Ansehen von Videos von Hundewelpen erholen kann, wobei schon beim Anblick von Tierkindern Dopamin und Oxytocin ausgeschüttet werden, was das Wohlbefinden steigert, oder kurz einmal Pornofilme schaut, ist das im grünen Bereich. Sollten sich jedoch eine Sucht oder ein Zwang daraus entwickeln, ist eine Sexualtherapie ratsam. So lange dadurch weder der Betrieb gestört wird noch bei der betroffenen Person selbst oder anderen ein Leidensdruck entsteht, ist wohl nichts dagegen einzuwenden.
Prof. Mag. Dr. Monika D. Wogrolly, Philosophin und Psychotherapeutin
Haben Sie noch Fragen? Schreiben Sie mir bitte: praxis@wogrollymonika.at