

Blaues Blut ist seit längerem nicht mehr die für Schlossbesitz vorgeschriebene Substanz. Arnold Melcher ist kein Aristokrat, doch er führt sein kleines Jagdschloss im steirischen Gamlitz mit liebevoller Noblesse. Nach langer, wechselhafter Geschichte erweist das seit 1899 im Besitz der Familie befindliche Anwesen Sinn und Legitimation für die Gegenwart.


Weinbauer mit Perspektive
Vor einigen Jahren übernahm Arnold Melcher Schloss und Betrieb von seinem Vater. Die beiden älteren Geschwister zeigten kein Interesse am harten Geschäft und überließen dem Jüngsten Vortritt und Schloss.
Der heutige Schlossherr ist gelernter Weinbauer und Kellermeister. Noch zu Zeiten des Vaters, eines diplomierten Weinwissenschafters, wurden die anderen landwirtschaftlichen Bereiche des Schlosses abgestoßen. Weinbau und Gastronomie bestimmten fortan das malerische Anwesen. Ein Blick in die Bücher überzeugte Arnold Melcher vom Handlungsbedarf: "Seit ich den Betrieb übernommen habe, versuche ich jeden Quadratmeter der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sonst wäre das nicht finanzierbar", gibt er sich realistisch.


Melcher wurde Weinbauer, Wirt und Hotelier in Personalunion. Die im Erdgeschoß logierenden Eltern zeigten überschaubare Begeisterung, der Generationenkonflikt war unvermeidbar. Doch Melcher ging seinen Weg, und der Erfolg gibt ihm recht. So könnte er nun die nächsten Aktivitäten auf die Suche nach einer Schlossherrin konzentrieren. Allein: Er lächelt nur verschmitzt, wenn er über sein Junggesellenleben spricht. Am Status Quo dürfte sich in nächster Zeit nichts Nachhaltiges ändern.


Gamlitz-Namibia
Da sich die Wintermonate in der Südsteiermark traditionell eher ruhig anlassen, reiste Melcher immer wieder gern für ein paar Wochen nach Namibia. Schließlich erwarb er eine Farm inmitten der Savanne und öffnete sie für Gäste aus der Heimat. Um den regional kalten Nächten zu begegnen, ließ er einen steirischen Hafner einfliegen, der in der Fremde einen zünftigen Kachelofen setzte.
Bisweilen fünf Monate im Jahr verbringt Melcher winters auf der namibischen Farm, die mittlerweile auch Gewinn abwirft und das heimatliche Winterloch stopft. Denn auch wenn sich der Gästezustrom einmal in Grenzen hält, will das Gamlitzer Schloss erhalten werden. "Wir haben viele Dachrinnen am Schloss, doch es rinnt dort leider kein Geld heraus", bedauert er.


Jazz und Hochzeitsmarsch
Ins Schwärmen gerät der Schlossherr, wenn er über sein Sommerfestival spricht. Es nennt sich "Summertimeblues" und belebt die Region auf das Unterhaltsamste. Täglich spielen da vier bis fünf Jazzund Blues-Bands. Der Schlosshof fasst 1.200 Personen, und das Angebot wird genutzt. Seit 13 Jahren ist Gamlitz ein beliebtes kulturtouristisches Ziel. Nach Art des Hauses gibt es Wein und großartige Küche, nicht Bier in Plastikbechern.
Das romantische kleine Schloss ist auch für Hochzeiten gefragt. Geheiratet kann im Weinkeller werden, gefeiert wird im Schlosshof oder im großen Festsaal. Vielleicht lässt sich der Eigner davon ja doch noch inspirieren.

