Nicht selten stellt die Pubertät das Leben der Jugendlichen wie auch ihrer Eltern auf den Kopf. Welche Veränderungen diese Entwicklungsphase mit sich bringt, vor welche Herausforderungen sie die Betroffenen stellt und wie Eltern sie zusammen mit ihrem Kind gut meistern können.
Inhaltsverzeichnis
Mit der Pubertät verändert sich das Familienleben oft schlagartig. Bis dato fröhlich gestimmte und anhängliche Kinder schotten sich plötzlich ab, sind in sich gekehrt und reagieren mit Gegenwehr auf die elterliche Präsenz. Gleichzeitig orientieren sie sich stärker denn je an der Peergroup. Das Interesse an berauschenden Substanzen steigt, ebenso die Tendenz zu riskantem Verhalten. Trotz aller Herausforderungen muss die Beziehung zwischen Kindern und Eltern aber nicht nachhaltig leiden.
Was ist die Pubertät?
Die Pubertät ist eine natürliche Entwicklungsphase. In der Regel findet sie zwischen dem zehnten und dem zwanzigsten Lebensjahr statt und erstreckt sich über einige Jahre. Mädchen treten für gewöhnlich ein bis zwei Jahre früher in die Pubertätsphase ein, nämlich mit durchschnittlich zehn Jahren.
Neben der Geschlechtsausreifung - das Lateinische "pubertas" bedeutet "Geschlechtsreife" - sind auch körperliches Wachstum, die Ausbildung sekundärer Geschlechtsmerkmale, die Umstrukturierung des Gehirns sowie die Abnabelung vom Elternhaus wesentliche Elemente der Pubertät. Die körperliche, vor allem aber die kognitiv-emotionale Entwicklung während dieser Zeit führen häufig zu Konflikten zwischen Eltern und Kindern.
Wie verläuft die Pubertät?
Die Pubertät lässt sich in drei Phasen einteilen, wobei man die Grenzen nicht immer klar ziehen kann:
Vorpubertät
Gegen Ende der Grundschulzeit beginnt das Gehirn mit der vermehrten Produktion von Sexualhormonen. Die Hirnanhangdrüse sendet Signale an Eierstöcke und Hoden, wodurch es zur Bildung von Östrogen und Testosteron kommt. Durch den erhöhten (Geschlechts-)Hormonspiegel wird die Reifung der Geschlechtsorgane angestoßen.
Bei Mädchen reifen Eierstöcke, Eileiter, Gebärmutter und Scheide aus. Die Brust entwickelt sich und die weiblichen Proportionen nehmen nach und nach runde Formen an. Zudem beginnt auch die Schambehaarung zu wachsen und der Menstruationszyklus wird initiiert.
Bei Burschen zeigt sich der erhöhte Testosteronspiegel im Wachstum von Hoden, Hodensack, Penis, Samenleiter, Samenblase und Prostata sowie durch die Zunahme von Muskelmasse, die wachsende Körperbehaarung und den Beginn von Bart- und Achselbehaarung. Bei einigen Burschen tritt in der Vorpubertät beim Orgasmus bereits Ejakulat aus.
Abgesehen davon bildet der kindliche Körper nun auch vermehrt Wachstumshormone, sodass es zu einem deutlichen Längenwachstum kommt.
Die Vorpubertät dauert ein bis drei Jahre und ist hauptsächlich durch körperliche Veränderungen geprägt. Doch auch in dieser Zeit erleben Eltern ihre Kinder als verändert. Manche Teenager ziehen sich zurück, andere suchen die Konfrontation. Viele hinterfragen die Eltern sowie Regeln und Grenzen.
Hochpubertät
Die Hochphase der Pubertät findet für gewöhnlich zwischen dem zwölften und 16. Lebensjahr statt. Im Vordergrund steht dabei die Reifung des Gehirns, die für die Verhaltensveränderungen verantwortlich ist. Das Gehirn wird Schritt für Schritt umstrukturiert, wobei einige Regionen länger als andere brauchen. Folglich sind manche Fähigkeiten bereits voll ausgeprägt, während andere noch auf kindlichem Niveau sind. Vor allem die Bewertung von Eindrücken und Erlebnissen, die Impulskontrolle, die emotionale Balance und das Abschätzen von Konsequenzen sind erst gegen Ende der Pubertät vollständig entwickelt.
Auch die körperliche Entwicklung wird während dieser Phase abgeschlossen. Bei Mädchen reift die Brust vollständig aus, die Körperfettverteilung bestimmt die Figur, Scham- und Achselbehaarung sind vollständig entwickelt, die Menstruation setzt ein und Vulva, Schamlippen, Klitoris sowie Vagina vergrößern sich.
Bei Burschen setzt sich die Vergrößerung von Hoden, Hodensack und Penis fort, Scham-, Achsel- und Körperbehaarung nehmen zu, Spermien werden produziert, die Stimme beginnt zu schwanken, die Körperproportionen werden definiert und der erste Oberlippenflaum sprießt.
Die Hochpubertät zieht sich über drei bis vier Jahre und wird sowohl von Eltern als auch von Jugendlichen als belastend wahrgenommen. Das liegt daran, dass sich die jungen Menschen immer mehr von der Familie abnabeln und sich allein schon durch die Präsenz der Eltern gestört fühlen. Zugleich leiden sie unter starkem Selbstzweifel und versuchen, ihre Rolle in der Gesellschaft zu finden. Diese Diskrepanz macht es oft schwierig, ein vertrauensvolles Verhältnis zu wahren. Dabei ist die Eltern-Kind-Bindung gerade in der Hochpubertät wichtig.
Spätpubertät
Etwa ab dem 16. Lebensjahr beginnt die Spätpubertät. Nun werden auch die letzten Wachstumsphasen abgeschlossen. Danach zeigen Mädchen und Burschen deutliche Unterschiede in der Größe sowie in der Körperstatur. Die Körperbehaarung ist vollständig ausgeprägt, bei Burschen ist auch der Bart als solcher erkennbar. Die Stimme vertieft sich bei Mädchen durchschnittlich um eine Terz, bei Burschen um eine Oktave.
Das Schlafhormon Melatonin wird in der Spätpubertät wieder normal produziert, sodass sich auch das Schlafverhalten an die Schul- und Ausbildungsanforderungen anpasst. Die Jugendlichen werden in ihrem Verhalten allmählich ruhiger, ausgeglichener, vernünftiger und zugängiger. Sie beginnen, ihre Rolle zu finden und sich mit ihrem "Ich" zu identifizieren. Das macht das Familienleben deutlich einfacher und harmonischer.
Mögliche Probleme in der Pubertät
Starke Stimmungsschwankungen, unkontrollierte Wutausbrüche, hohe Risikobereitschaft, das emotionale Abschotten von den Eltern, ein geringes Selbstwertgefühl, dauernde Streitlust und das ständige Infragestellen von Werten und Normen machen das Familienleben während der Pubertät zur Herausforderung.
Nicht selten fragen sich die Eltern, ob das Verhalten ihrer pubertierenden Kinder noch im Rahmen ist. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Diese ist spätestens dann notwendig, wenn eines oder mehrere der folgenden Verhalten auftritt:
Schule schwänzen
Weglaufen
Essstörungen
Selbstverletzendes Verhalten
Substanzmittelmissbrauch
Kriminelle Aktivitäten
Isolation von der Peergroup
Depressive Tendenzen
Ein Gespräch mit dem Kinderarzt oder der Kinderärztin, der Rat einer Familienberatungsstelle oder ein Termin bei einem Jugendpsychiater oder einer Jugendpsychiaterin können helfen, Ängste zu reduzieren und den richtigen Umgang mit dem Kind zu wahren.
Wie können Eltern die Pubertät der Kinder gut begleiten?
Die elterliche Beziehung zum Kind prägt dessen Entwicklung nachhaltig. Für die meisten Burschen und Mädchen stellt die Pubertät eine wesentlich größere Herausforderung dar, als sie zugeben möchten. Werten Eltern diesen Emanzipationsprozess als persönlichen Angriff oder Ablehnung, so belastet das die Eltern-Kind-Beziehung stark. Daher ist es wichtig, auch bei problematischen Themen ohne Vorwürfe klar Stellung zu beziehen. Diese Herangehensweise führt zwar nicht sofort zur Einsicht beim Jugendlichen, aber sie stärkt die Beziehung, weil sie Vertrauen und Nähe schafft und gleichzeitig einen klaren Rahmen setzt.
Mit der Pubertät gehören elterliche Erziehungsmaßnahmen der Vergangenheit an. Dennoch ist es wichtig, die Jugendlichen zu beobachten, zu begleiten, ihnen beizustehen, sie zu unterstützen und positiv zu bestärken. Weil die Heranwachsenden auf Kontrolle und Überwachung meist mit Trotz, Ablehnung und Aggression reagieren, ist eine gute Mischung aus Vertrauen und Distanz hilfreich, um Eskalationen zu vermeiden. Für die Eltern ist Loslassen eine der schwierigsten Aufgaben während der Pubertät ihres Kindes.
Fazit: Die Pubertät im Überblick
Die Pubertät ist ein Abschnitt, der meist zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr stattfindet. Er ist geprägt von körperlichen, geistigen und emotionalen Veränderungen. Während dieser Zeit entwickeln sich Mädchen und Burschen von Kindern zu Erwachsenen. Einerseits werden die sekundären Geschlechtsmerkmale ausgebildet und die Jugendlichen werden fortpflanzungsfähig. Andererseits ist auch das Gehirn einem großen Umbau unterworfen, sodass die Jugendlichen am Ende der Pubertät die gleichen kognitiven und emotionalen Fähigkeiten besitzen wie Erwachsene.
Begleitet ist dieser Umbruch häufig von Stress, Ärger und Streit, worunter nicht zuletzt das Familienleben leidet. Auch wenn die Jugendlichen ihren Eltern gerne vermitteln, diese nicht zu brauchen, weil sie bereits alt und reif genug seien, um das Leben alleine zu meistern, ist es besonders in dieser Zeit wichtig, für die Heranwachsenden da zu sein, sie zu unterstützen und ihnen beizustehen. Eltern sollten daher auch und gerade in schwierigen Zeiten den Kontakt zu ihren pubertierenden Kindern suchen, ohne sich dabei aufzudrängen. Während der Pubertät ist ein gesundes Maß zwischen Vertrauen und Distanz wichtiger denn je. So meistern Jugendliche wie auch Eltern die turbulenten Jahre.