In Pension und plötzlich nichts mehr zu tun? Das ist gar nicht immer so einfach. Zwei erfahrene Expertinnen geben Tipps, um ein Fallen in das "schwarze Loch" des Pensionsschocks zu vermeiden.
- Was kann man vorbeugend gegen einen Pensionsschock tun?
- Wie kann man sich auf „massiven Eingriff“ gedanklich vorbereiten?
- Wie kann man sich organisatorisch vorbereiten?
- Ist reduziert weiterarbeiten eine gute Idee?
- Mit dem Wegfall der Arbeit fehlt die Tagesstruktur. Wie kann man sich diese selbst schaffen?
- Ab wann soll man sich auf die Pension vorbereiten?
- Was sind erste Anzeichen für einen möglichen Pensionsschock?
- Literaturtipps zum Thema
- Wie kommt man aus dem Loch wieder heraus?
- Wie können Angehörige helfen, wenn sie merken, dass jemand abrutscht?
- Viele gönnen sich erst einmal Nichtstun, Urlaub. Wie lange darf diese Phase dauern, bis man sich wieder Strukturen schaffen sollte?
Steht man mitten im Berufsleben, klagt man oft über zuviel Stress und zu wenig Zeit. Ab dem Tag der Pensionierung dreht sich das jedoch schlagartig um. Das Hamsterrad steht plötzlich still. Doch so schön dieser Gedanke für viele Berufstätige (noch) klingt, so herausfordernd ist auch diese Umstellung, das Schalten von 100 auf 0. Viele Menschen fallen hier in ein schwarzes Loch, einen sogenannten Pensionsschock und wissen mit ihrer Zeit – nach einer kurzen Phase der Erholung – nichts mehr anzufangen.
Laut ExpertInnen laufen rund ein Viertel der ÖsterreicherInnen Gefahr, einen Pensionsschock zu erleiden, besonders betroffen sind Männer, Menschen, die hohe Jobs hatten bzw. Menschen, die ihre Sozialkontakte in der Arbeit ausgeübt haben und andere Interessen stets dafür zurückschraubten. Doch wie kann man dem vorbeugen? Wie damit umgehen und wieder einen Sinn im Leben finden? Elfie Rosner erlebte selbst einen Pensionsschock und hilft inzwischen als Psychologin und Coach mit ihrer Agentur "Active Agers" ihren KlientInnen zu einem reibungslosen Übergang. Auch Business-Coach Veronika Aumaier bietet Ihren KundInnen, darunter viele Führungskräfte, "Retirement Coachings" an. Die beiden geben Tipps und Infos, wie man sich auf das Leben im Ruhestand vorbereiten kann - und auch sollte.
Was kann man vorbeugend gegen einen Pensionsschock tun?
Elfie Rosner: Zunächst soll man sich bewusst sein, dass es eine große Lebensumstellung ist. Wir erleben immer wieder Lebensübergänge, aber dieser hat keine Option, da ist nichts mehr vorgesehen. Und das unterschätzen viele, dass das – egal in welcher Sparte – ein massiver Eingriff ist.
Veronika Aumaier: Es ist wichtig, sich im Vorfeld klar zu machen „Arbeit ist Leben und Leben ist Arbeit“. Die künstliche Trennung von Leben und Arbeit hält der Realität nicht stand. Müßiggang ist nur gepaart mit Arbeit interessant. Sie bilden zwei Hälfte eines sinnvollen Ganzen. Es ist daher wichtig für die physische, emotionale und mentale Gesundheit, dass man in einer für sich selbst sinnvollen Art beschäftigt bleibt.
Wie kann man sich auf „massiven Eingriff“ gedanklich vorbereiten?
Elfie Rosner: Sich mental darauf vorbereiten, dass irgendwann, der Tag X kommt, und dann bin ich in Pension. Das machen viele nicht. Oft wird unterschätzt, dass mit der Pensionierung auch viel verloren geht zum Beispiel soziale Kontakte, die Zeitstruktur, die der Beruf vorgegeben hat oder einen gewissen Status, den ich in der Gesellschaft hatte. Da kann man sich schon vorbereiten.
Dann sollte man bewusst Abschied nehmen. Eine Abschiedsfeier gibt es oft, das ist eine Form eines Rituals, aber man sollte es auch im Privaten machen. Sich wirklich denken: Ab morgen bin ich in Pension. Was nehme ich mir vor? Man könnte etwa alte Fotos anschauen und ein Album machen, ein Buch schreiben für sich selbst oder was auch immer.
Wie kann man sich organisatorisch vorbereiten?
Elfie Rosner: Rechtzeitig sein soziales Netz legen, erweitern und aufbauen. Das übersehen auch sehr viele, weil sehr viele Freundschaften oder Bekanntschaften im Beruf gelagert sind und wenn man weggeht und die anderen noch arbeiten, zerfledert sich das ein bisschen. Und wenn man ein privates soziales Netz aufbaut, soll man nicht wählerisch sein! Ein heißer Tipp von mir: Generationenübergreifend! Also auch die Jungen heranziehen und Spaß haben, weil das sehr fit und lebendig hält. Dabei über Enkel und Co. hinausdenken, weil das kommt von selbst.
Und natürlich auch überlegen: Wie werde ich das gestalten? wie belohne ich mich? Was könnte ich zusätzlich machen, was mir wirklich Spaß macht? Oft liegen in der eigenen Biografie viele Schätze, Ressourcen, Talente begraben. Etwas, das man mal konnte und wegen Beruf, Kinder, etc. damit aufgehört hat. Das kann man alles wieder erleben.
Und man kann durchaus auch in die Richtung gehen: Vielleicht könnte ich noch etwas schaffen, arbeiten, mich umorientieren oder ehrenamtlich betätigen.
Hilfreiche Links für die Pension:
1. The Rocking Community (für Wien und Graz): Vernetzt „Leute im coolsten Alter“ und bringt sie zusammen für Ausflüge, Lesezirkel, Veranstaltungen, etc. Elfie Rosner: „Das kann ich wärmstens empfehlen!“
2. Goldtalente Eine Community für alle ab 55, hier können Fähigkeiten und Talente zur Verfügung gestellt und getauscht werden
3. Wisr Jobvermittlung für Menschen im und vor der Pension
Ist reduziert weiterarbeiten eine gute Idee?
Elfie Rosner: Wo die Möglichkeit ist, würde ich das nicht nur peripher raten, sondern sagen: JA! Bitte machen Sie das! Wenn die Firma fragt, ob man nicht noch ein bisschen weiterarbeiten möchte, würde ich dazu unbedingt anraten, wo immer das möglich ist. Dann hat man die Möglichkeit, dass man sich aus dem Beruf ausschleicht und schön langsam hineinwächst in die Pension. Viele Menschen wollen das auch!
Mit dem Wegfall der Arbeit fehlt die Tagesstruktur. Wie kann man sich diese selbst schaffen?
Elfie Rosner: Konsequent sein! Sich täglich hinsetzen und aufschreiben: Was mache ich morgen? Wie gestalte ich? Wann gehe ich einkaufen? Wen besuche ich, wen rufe ich an? Es liegt an den Kleinigkeiten, sich wirklich eine Struktur zu schaffen!
Ab wann soll man sich auf die Pension vorbereiten?
Elfie Rosner: Manche beginnen zwei Jahre vorher, da bleibt es aber noch ein bisschen abstrakt. Aber ca. Jahr vor der Pensionierung damit anfreunden und anfangen, weil ein soziales Netz aufzubauen und zu pflegen, das dauert eine Zeit.
Veronik Aumaier: Die Überlegungen sollten so früh wie möglich begonnen werden, um dieses zweite Standbein ausreichend planen und aufbauen zu können. Ab wann genau hängt davon ab, wofür man sich entscheidet, denn möglicherweise braucht es eine längere Phase bis zur Entscheidung. Diese Phase allein kann sehr belebend und spannend sein, denn mit großer Wahrscheinlichkeit entscheidet man sich nicht für einen neuen „Broterwerb“ sondern erfüllt sich einen langgehegten (beruflichen) Traum.
Was sind erste Anzeichen für einen möglichen Pensionsschock?
Elfie Rosner: Zum Beispiel wenn es einem schwer fällt, zu sagen: „Ich bin in Pension.“ Das Thema Pension/Pensionierung ist für manche, speziell wenn man in prestigeträchtigeren oder High-Qualified Berufen tätig war, schambesetzt. Bei mir war es etwa, dass ich mir dachte: „Ich bin nichts mehr wert.“ Da kann man natürlich gegenargumentieren, aber das Gefühl kann man nicht wegdiskutieren.
Veronika Aumaier: Wenn der beruflichen Status, der an die beruflichen Rolle geknüpft ist, mit dem persönlichen Status verwechselt wurde, ist der Pensionsschock vorprogrammiert und die Reaktionen sind vor allem emotionaler Natur und äußern sich beispielsweise in permanentem Ärger, nagender Unzufriedenheit, Melancholie oder Traurigkeit. Das kann zu Rückzug aus dem sozialen Leben und selbst gewählter Isolierung führen. Oder man ist so unleidlich, dass Mitbewohner und Freunde das Weite suchen.
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Wie kommt man aus dem Loch wieder heraus?
Elfie Rosner: Wenn der Schmerz groß ist, sollte man sich auf jeden Fall Hilfe holen. Der ideale Fall ist allerdings, sich nicht Hilfe, sondern vorab Begleitung zu holen, wie eine Supervision. Man setzt sich mit jemanden zusammen und reflektiert die Situation: „Ich gehe in einem halben Jahr in Pension und ich fühle mich total fit, ich weiß nicht, wie ich mich orientieren soll,…“ Das wirkt wirklich Wunder! Und um Dinge zu finden, die man gerne macht und vielleicht vergessen hat, braucht es keine Therapie, sondern einfach nur Gespräche.
Veronika Aumaier: Wichtig ist, wie bei jeder Veränderung, sich einzugestehen, dass man nur selbst an seiner Situation etwas ändern kann. Akzeptanz der neuen Umstände ist der Schlüssel zu neuem Glück und Zufriedenheit. Es ist nie zu spät, denn mit der Einsicht, etwas unternehmen zu wollen, startet man die Energie hoch. Coaching kann dabei unterstützen, die Vielfalt der Möglichkeiten ausreichend in Betracht zu ziehen, um das Gefühl zu entwickeln, auch in der Pension aus dem Vollen schöpfen zu können. Und damit stellen sich positivere Gefühle ein und die Chance ist hoch, eine zweite, erfüllende noch lange währende Beschäftigungsphase leben zu dürfen.
Wie können Angehörige helfen, wenn sie merken, dass jemand abrutscht?
Elfie Rosner: Es gibt für mich ein Zaubermittel, das heißt: Fragen! Denn: Tipps servieren, das kommt nicht gut an. Die Leute spüren selbst, dass es schwierig ist, dass es langweilig ist – bis hin zur Depression. Ich würde also offene Fragen stellen, wie: Was macht ihr denn den ganzen Tag? Was macht dir Freude? Kann ich dich unterstützen. So würde ich operieren. Also Interesse zeigen und nicht ungefragt mit guten Tipps ankommen.
Viele gönnen sich erst einmal Nichtstun, Urlaub. Wie lange darf diese Phase dauern, bis man sich wieder Strukturen schaffen sollte?
Elfie Rosner:Das kann man in fixen Zahlen nicht sagen, sondern den Leuten den Tipp geben, immer wieder in sich hineinzuhören, sich die Frage zu stellen: „Bin ich zufrieden mit der Situation wie sie ist?“ Und wenn nicht, dann beraten, ob mit Freunden, Kindern, den Partnern oder Externen und schauen, wie man es am besten macht. Wir haben in der Pension noch gut 20 Jahre, in denen man hochaktiv Dinge machen kann – geistig und körperlich. Und es wäre schade, wenn man die versumpert!
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