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Medien & Menschen - Schauen Sie sich das an?!
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Zum ORF haben fast alle einen Zustand. Doch wenn es an sein Eingemachtes geht, hat fast niemand Interesse. Ein Antrag des Burgenlands gegen die politische Einflussnahme auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk steht kurz vor der öffentlichen Verhandlung.

Wahrscheinlich haben auch Sie eine Meinung zum ORF. Wie die meisten in Österreich. Wahrscheinlich lesen auch Sie keine Mitteilungen des Verfassungsgerichtshofes (VfGH). Wie die meisten in Österreich. Wahrscheinlich wissen auch Sie, wer Hans Peter Doskozil und Armin Wolf sind. Wie die meisten in Österreich. Wahrscheinlich sind auch Ihnen Christoph Grabenwarter und Moldawien weniger bekannt. Wie den meisten in Österreich. Wahrscheinlich werden auch Sie am 26. September um zehn Uhr nicht der mündlichen Verhandlung des VfGH beiwohnen, die all das vereint. Wie fast jeder in Österreich. Aber vielleicht wollen auch Sie weniger politischen Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Wie das Burgenland. Es hat eine Gesetzesprüfung zur Besetzung von Stiftungs-und Publikumsrat beantragt, den Aufsichtsgremien des ORF. Das einzige mit absoluter Mehrheit regierte Bundesland ortet dabei Verstöße gegen "die verfassungsrechtlich gebotene Unabhängigkeit und Regierungsferne" sowie die Europäische Menschenrechtskonvention. Wie stichhaltig dieser Vorwurf ist, das erörtern die Höchstrichter erst öffentlich, um danach allein in ihrem Kreis zu beraten und entscheiden. Das Verfahren dazu dauert schon mehr als ein Jahr seit dem Antrag der Landesregierung. Gibt der VfGH der Anklage Recht, muss eine zentrale Passage des ORF-Gesetzes von 2001 neu gefasst werden. Das wäre die festestmögliche Watschen für schwarzblaue, rotschwarze, türkisblaue und schwürkisgrüne Medienpolitik. Denn all diese Bundeskoalitionen haben sich lieber in den Gremien auf dem Küniglberg eingenistet als die aberwitzige Soll-Ist-Kluft zu reparieren. Denn ungeachtet gesetzlich geforderter Unabhängigkeit ist faktisch fast jeder Stiftungs-und Publikumsrat einer Partei zuzuordnen. Diese ehrenamtlichen Aufseher mit der "Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit wie Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft" organisieren sich sogar dreist in entsprechenden Freundeskreisen.

Letztlich sind die Nachfolger des einstigen Kuratoriums und der früheren Hörer-und Sehervertretung bloß weniger offensichtlich parteilich gesteuert. Ansonsten liefern sie -auffallend aber meistens nur bei der Wahl des Generaldirektors -die beste Munition, um gegen die Unabhängigkeit des ORF zu argumentieren. Um sie aber kämpfen die Nachrichtenredaktionen. Immerhin geht es um ihren journalistischen Ruf. Folgerichtig hat den Ball zur Gesetzesprüfung auch Armin Wolf am 13. März 2022 durch einen Beitrag in seinem Blog ins Rollen gebracht. Seitdem wurde die Vorgeschichte zur kommenden VfGH-Verhandlung geradezu unnachahmlich austrokurios. Der "ZIB 2"-Mann entdeckte in "einem Standardwerk zum deutschen Grundgesetz einen Kommentar über Rundfunkfreiheit". Dieser handelt zwar vom Politikeinfluss auf den öffentlichen Sender von Moldawien, stammt aber von Christoph Grabenwarter. Und der ist Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofs. Ob ohne diese Pointe das Spiel weitergegangen wäre, ist fraglich. So aber ortete vorerst Klaus Poier bei Wolf eine Fehlinterpretation des Textes. Der Universitätsprofessor ist Verfassungsjurist und Stiftungsrat der - von einem ÖVP-Landeshauptmann regierten -Steiermark. Vielleicht hat auch das einen SPÖ-Kollegen mit bekanntem Zug zum Tor aufs Feld gerufen. Hans Peter Doskozil nahm die Flanke auf und ließ einen 44 Seiten dicken Antrag auf "Normenkontrolle" schreiben. Er strotzt vor sachkundigen und spitzfindigen Formulierungen, ist eine Delikatesse für Rechtskundige, aber schwer verdaulich für Nichtjuristen. Sein Autor, der ausgewiesene Rundfunkspezialist Florian Philapitsch leitet den burgenländischen Verfassungsdienst und war früher stellvertretender Chef der für ORF-Aufsicht zuständigen KommAustria.

Grabenwarter wird in dem Schriftsatz achtmal erwähnt, ist aber als VfGH-Präsident dazu nicht stimmberechtigt. Hingegen sind Sie zumindest teilnahmeberechtigt an der öffentlichen Erörterung. Anmeldungen sind bis 20. September unter verhandlung@vfgh.gv.at möglich. Es gibt selten bessere Gelegenheit, das stammtischerprobte ORF-Interesse mit erstrangiger Information aus dem Gerichtssaal zu unterfüttern. Dass ORF oder Puls24 das Ganze nicht live zeigen, ist keine Scheu der Sender. Das Mediengesetz verbietet solche Übertragungen. Auch diese "immer wieder diskutierte rechtspolitische Frage"(Rundfunkjurist Hans Peter Lehofer) sollte über den Expertenkreis hinaus erörtert werden. Die Mediendemokratie benötigt transparente Verhältnisse zu allen Staatsgewalten.

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