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Hungrig auf Erfolg

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Die sechsköpfige Familie Molcho besitzt heute Lokale in Wien, Berlin und Zürich. Außerdem betreiben die Molchos ein eigenes Catering, sie beliefern mit ihren Neni-Produkten 1.600 Spar-Filialen und Hotels in ganz Europa. Zu Beginn waren da aber nur der Star-Pantomime Samy Molcho und die junge Haya Heinrich: "Samy und ich sind 20 Jahre auseinander, also eine ganze Generation, aber wir sind beide in Tel Aviv aufgewachsen und sogar auf die gleiche Schule gegangen", sagt Haya. Kennengelernt haben die beiden einander aber nicht in ihrer Heimatstadt. Ihre erste Begegnung hatten sie 1973 im norddeutschen Bremen, 3.000 Kilometer von zu Hause entfernt.

Im Jahr 1978 heiratete die damals 23-jährige Haya ihren Samy und wurde somit zu einer Molcho. Bereits zwei Jahre später verschlug es die beiden in ihre Wahlheimat Wien. Seit dem Tag der Hochzeit hatten sie einen Kinderwunsch, doch der sollte ihnen vorerst verwehrt bleiben: "Ich konnte aus unerklärlichen Gründen sieben Jahre lang keine Kinder bekommen", erzählt Haya. Im Nachhinein gesehen wäre es damals wahrscheinlich ohnedies noch zu früh für Nachwuchs gewesen: "So konnte ich noch sieben Jahre lang mit Samy auf Tournee gehen. Wir waren richtige Weltenbummler, sind jede Woche in eine andere Stadt gereist."

Ich habe eingesehen, dass Kinder keine Reisekoffer sind.

Auf diesen Reisen entdeckte Haya auch die Vielfalt der internationalen Küche. Neugierig studierte sie Rezepte und nahm Gewürze, Dekorationen und Eindrücke mit zurück nach Wien. 1984 kam endlich der erste Sohn, Nuriel, zur Welt. Ein Jahr später beendete Samy freiwillig seine Karriere als Pantomime und wurde als Professor am Max Reinhardt Seminar in Wien sesshaft. "Ich habe eingesehen, dass Kinder keine Reisekoffer sind", sagt er.

Nach Nuriel sollte die Familie noch um drei weitere Mitglieder wachsen: "Es kam dann einer nach dem anderen, wir waren nicht mehr zu bremsen", sagt Haya. Tatsächlich kamen nach Nuriel im Zweijahresrhythmus Elior, Ilan und Nadiv zur Welt. Durch die vielen Kinder wurden die Familienfeste immer aufwendiger und pompöser. Bar Mitzwa, Geburtstage, Chanukka - Hayas Platz war von da an zu Hause, in der Küche. "Haya und ich hatten die Abmachung, dass sie mit den Kindern zu Hause bleibt. Sie konnte aber nicht inaktiv sein", erzählt Samy.

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Das erste Neni wurde 2009 am Naschmarkt eröffnet © Matt Observe

Hayas Leidenschaft fürs Kochen kommt aus ihrer Kindheit. Ihr aus Rumänien stammender Vater, der eigentlich Zahnarzt war, musste in Israel mit einer Bohrmaschine von Dorf zu Dorf fahren und kleine Arbeiten annehmen, um die Familie ernähren zu können. Statt Geld verlangte er Naturalien. Haya und ihre Mutter haben dann beispielsweise Paradeiser und Paprika eingelegt, gekocht oder auf andere Weise verarbeitet: "Wir haben damals die ganze Straße miternährt, weil wir so viel hatten."

Jeden Tag hat sie beim Küssen analysiert, was ich gegessen habe.

Das war auch später noch so. Haya liebte es, für Nachbarn und Freunde aufzukochen, und half ihnen auch bereitwillig bei größeren Vorbereitungen. Als eine Nachbarin 2003 zu ihr kam und sie bat, das Catering für eines ihrer Feste zu übernehmen, wurde aus dem Hobby ein Nebenjob: "Ich habe damals vier Tage darüber nachgedacht, ob ich tatsächlich von einer Freundin Geld verlangen kann, doch Samy meinte, dass es eine Wertschätzung für mich sei und mir guttue." Von da an wurde sie in den besten Kreisen gebucht. "Und jeden Tag hat sie beim Küssen analysiert, was ich gegessen habe", sagt Samy.

Einige Jahre später waren alle Kinder ausgeflogen, und Haya wollte ihre Passion endlich zu ihrem Hauptberuf machen. Vor sieben Jahren wagte sie dann den entscheidenden Schritt. Ihr Sohn Nuriel hatte gerade sein Wirtschaftsstudium in Barcelona abgeschlossen, Elior sein Eventmanagementstudium in Baden-Baden.

Eines Tages schien auf Nuriels Handy-Display ein Anruf seiner Mutter auf. "Ich hatte an diesem Tag meine letzte Prüfung", sagt er. "Haya wollte wissen, ob Elior und ich ihr dabei helfen möchten, ein Restaurant zu eröffnen. Also buchte ich am nächsten Tag schon einen Flug nach Wien." Elior erging es ähnlich, also fanden sich die beiden Brüder bei ihrer Mutter in Wien ein und arbeiteten gemeinsam ein Konzept aus. 2009 eröffneten die drei schließlich am Wiener Naschmarkt das erste Neni-Lokal. Das Restaurantkonzept basierte darauf, dass alles geteilt werden sollte. "Niemand hielt es für möglich, dass die Wiener ihr Essen teilen würden und gemeinsam mit den Fingern von einer Etagere essen", sagt Haya.

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Die Molchos (v.l.n.r.): Elior, Nuriel, Nadiv, Haya, Ilan und Samy © Ian Ehm

Anfangs fühlte sich im Familienbetrieb jeder zu allen Aufgaben berufen: kellnern, abräumen, abrechnen. Die unklare Aufgabenverteilung sorgte für Probleme. "Unsere Gäste mussten oft lange warten, also haben wir als Entschuldigung Cheesecakes gebacken", sagt Nuriel. "Wir haben schon eine eigene Manufaktur dafür gebraucht, aber dadurch sind wir auch bekannt geworden."

Noch im selben Jahr nahmen die Molchos an einer Ausschreibung teil: Zum 100-jährigen Jubiläum von Tel Aviv sollte am Donaukanal einen Sommer lang eine Strandbar im Stil der israelischen Stadt betrieben werden. Sie bekamen den Zuschlag, und ihr Konzept ging wieder auf. "Anfangs war es eine kleine Strohhütte mit 150 Sitzplätzen. Wir hatten aber jeden Tag fünf- bis sechshundert Gäste, also mussten wir ausbauen", sagt Nuriel. Das Konzept kam gut an, die Stadt Wien überließ den Standort der geschäftssinnigen Familie, die den Tel Aviv Beach bis heute dort betreibt.

In ihre Fußstapfen zu treten, ist nicht leicht.

Nuriel, der älteste Sohn, übernahm das Marketing und Elior die Cateringabteilung: "Das ist eine Riesenherausforderung, weil dieser Bereich immer Hayas Baby war. In ihre Fußstapfen zu treten ist nicht leicht", sagt Elior. Die Kunst ist für beide ein Ausgleich. Nuriel unterstützt junge Künstler und bietet ihnen mit dem "Neni Art Collective" eine Plattform. Einmal im Monat organisiert er, an wechselnden Orten, selbst eine Ausstellung. Elior wiederum fing irgendwann an, sich für Musik zu interessieren und als DJ zu jobben. "Er hatte vorher noch nie aufgelegt, und innerhalb eines halben Jahres bespielte er bereits alle Clubs in Wien", sagt Bruder Nuriel. "Er hat ein Talent für viele Dinge. Elior ist ein richtiger Autodidakt."

Für einen Bereich des Familienunternehmens brauchte es jemanden, der rational und wirtschaftlich denkt: die Finanzen. Hier kommt Ilan, der Drittgeborene, ins Spiel. Erst studierte er Schauspiel in London, dann ging er für acht Monate nach Australien, um Erfahrungen zu sammeln und zu arbeiten. Als er wieder in Wien war, bekam er einen Anruf von Nuriel: "Uns fehlt die Struktur und die Disziplin, wir brauchen dich als Unterstützung." Ilan gab die Schauspielerei also auf und beschäftigte sich nun mit Controlling, Finanzen, Organisation und Logistik. Als Kind hat er laut Vater Samy ganz andere Träume gehabt: "Er hat immer gefragt, wozu er Chemie und Mathematik braucht, da er Schauspieler werden wollte. Aber auch da kann es sein, dass man in die Rolle eines Chemikers oder Generaldirektors schlüpfen muss. Jetzt spielen meine Söhne diese Rollen im echten Leben." Vor drei Jahren eröffnete Ilan mit den "Neni am Tisch"-Produkten einen neuen Geschäftszweig. Humus, Baba Ghanoush und Falafel wurden testweise zuerst nur in einer einzigen Spar-Filiale angeboten.

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Das zweite Lokal: der Tel Aviv Beach am Donaukanal © Matt Observe

"Wir haben in der Garage mit der Produktion angefangen, alle Freunde mussten aushelfen", sagt Ilan. Mittlerweile beliefert Neni 1.600 Filialen mit 25 unterschiedlichen Produkten, dazu kommt eine europaweite Kooperation mit der Hotelkette 25 Hours und ein neues Franchise-Konzept, das sich ebenfalls über ganz Europa erstrecken soll. Vier weitere Partnerlokale sind bereits in Planung: "Die neuen Standorte werden in München, Hamburg und Barcelona liegen", verrät Ilan. "In Berlin wird bereits das zweite Lokal eröffnet." Nuriel ist also für das Marketing zuständig, Elior fürs Catering und Ilan für die Finanzen. Aber fehlt da nicht einer? Schließlich setzt sich der Name Neni aus den Initialen aller vier Molcho-Söhne zusammen. Der Jüngste, Nadiv oder "Nadivi", wie seine Mutter ihn liebevoll nennt, arbeitet aber bisher nicht im Familienunternehmen mit, genau wie sein Vater. Haya habe jedoch immer wieder versucht, ihn an Bord zu holen, erzählt er. "Die Neni-Drohung habe ich schon öfters bekommen. Einmal hat mich Haya angerufen und gemeint, dass immer ein 'i'in Neni sein wird. Ich heiße aber Nadiv. Sie verwechselt uns."

Er meinte, dass ich ihm sein Leben versauen würde.

Der Jüngste arbeitet aber lieber an seiner Schauspielkarriere und hat auch schon einige Erfolge vorzuweisen. Mit neun Jahren bekam er seine erste Rolle in "Uprising", einem Film über den Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto. Haya erinnert sich zurück: "Nadivi sagte vor dem Casting zu mir, dass er die Rolle bekommen würde - und so war es dann auch." Unterschreiben wollte Haya den Vertrag anfangs dennoch nicht, sehr zum Ärger des Neunjährigen: "Er wollte mich mit seinen Blicken töten und meinte, dass ich ihm sein Leben versauen würde." Samys Management setzte einen neuen Vertrag auf, der wesentlich umfangreicher ausfiel als der ursprüngliche. Nadiv bekam für die Zeit der Dreharbeiten Privatunterricht und eine Betreuerin, um das Thema des Films besser zu verarbeiten. Hollywoodschauspieler David Schwimmer (bekannt aus "Friends"), der ebenfalls in "Uprising" mitspielte, besucht er heute noch regelmäßig zu Hause. Danach bekam Nadiv noch eine weitere Nebenrolle - in "Klimt" ist er an der Seite von John Malkovich zu sehen.

Als er volljährig wurde, lebte Nadiv abwechselnd in Los Angeles und New York, hetzte von einem Casting zum nächsten. Die ersehnte Hauptrolle aber ließ auf sich warten. Vor zwei Jahren beschloss er schließlich, seine Karriere selbst voranzutreiben, und startete sein erstes eigenes Filmprojekt, bei dem er die Hauptrolle übernahm. Zu diesem Zeitpunkt wollte die Familie gerade nach Marokko fliegen, um dort für Hayas drittes Kochbuch "Balagan!" zu fotografieren: "Mir war klar, dass ich dann lange Zeit nicht in Amerika sein würde, also habe ich Marokko und Wien einfach zu den Schauplätzen meines Films gemacht."

Wenn Mama Haya kochte, baute Nadiv das Essen in seinen Film ein, wenn Bruder Nuriel ein Event veranstaltete, wurde eine Partyszene gedreht. "Er hat den Film einfach an die Realität adaptiert, das war genial", schwärmt Haya. Zwei Jahre später ist sein Debütwerk "History of Now" fertig.

Den Trailer für sein zweites Projekt, "Lapdog", bei dem er in die Rolle eines Boxers schlüpft, hat er ebenfalls schon abgedreht. Für die vollständige Realisierung sucht er via Youtube-Kanal Investoren. "One Million for Lapdog" lautet die dazugehörige Kampagne auf Facebook. Ganz nebenbei wird Nadiv ab 13. September für die Hollywood-Produktion "What Happened to Monday", an der Seite von Willem Dafoe und Glenn Close vor der Kamera stehen. Seine Familie unterstützt ihn jedenfalls bei all seinen Vorhaben. Es herrscht eine schon fast unglaubliche Harmonie zwischen den Molchos - geschäftlich und privat kein Generationenkonflikt in Sicht.

Ich habe mit meinen Söhnen nie gespielt oder gesprochen wie mit Kleinkindern.

Wie Samy und Haya Molcho diese Harmonie hinbekommen haben, erklären sie so: "Ich habe meine Söhne stets ernst genommen und mit ihnen nie gespielt oder gesprochen wie mit Kleinkindern", sagt der Vater. "Ich habe ihre Wünsche immer akzeptiert und berücksichtigt." Antiautoritär sei ihre Erziehung aber keinesfalls gewesen. "Die Grenzen waren da." Samys Lebensinhalt wurde ab 1984 die Familie. Für sie hat er die Bühnenkarriere aufgegeben. "Bis ich am Reinhardt Seminar anfing, hatten wir dreieinhalb Monate, in denen wir rund um die Uhr zusammen waren. Das war wundervoll."

Heute gibt er Seminare für Körpersprache. Dort lernt man Körper, Gestik und Mimik richtig einzusetzen. Aus den Neni-Geschäften hält er sich - so gut es geht - heraus. Er gibt Ratschläge, hört der Familie bei ihren Erzählungen zu. Dass er nicht aktiv involviert ist, bedeutet aber nicht, dass er nicht stolz auf seine Leute ist: "Jeder Gärtner ist froh, wenn seine Bäume irgendwann Früchte tragen", sagt Samy. Und Früchte tragen die Bäume der Unternehmer-Familie Molcho jedenfalls reichlich.

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