Er besticht durch seinen Charme und weiß ganz genau, wie man eine Frau um den Finger wickelt: der männliche Narzisst. Hat man erst einmal sein (böses) Spiel durchschaut, kann man nicht mehr auf ihn hereinfallen. Sollte man meinen. Die Wahrheit sieht anders aus. So begibt sich manch Frau immer und immer wieder in die Fänge eines von der narzisstischen Persönlichkeitsstörung betroffenen Mannes. Warum? Der Wiener Psychiater und Neurowissenschafter Dr. Dr. Raphael Bonelli gibt Antwort.
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Es gibt verschiedene Formen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Da wäre einmal der sogenannte verdeckte Narzisst. Er strebt zwar nach Bewunderung, würde diese aber niemals direkt einfordern. Der erfolglose Narzisst wiederum zeichnet sich durch die Ansprüche aus, die er an sich und das Leben stellt, jedoch nicht erfüllen kann, weil sie viel zu hoch sind. Früher oder später flüchtet er daher in eine Fantasiewelt. Wenn wir von Narzissmus sprechen, dann meinen wir in der Regel aber weder die erst- noch die zweitgenannte Form. Stattdessen haben wir das Bild einer schillernden Persönlichkeit vor Augen, die selbstbewusst, unbeirrbar und zielsicher durchs Leben geht.
Das Beuteschema des Narzissten
Der grandiose Narzisst, auf den diese Beschreibung zutrifft, zeichnet sich vor allem durch eine hohe Selbstidealisierung und das starke Bedürfnis danach aus, bewundert zu werden. Seine berufliche Karriere ist meist von Erfolg gekrönt. Nicht selten bekleidet er eine Führungsposition. Auf persönlicher Ebene wirkt er oftmals arrogant und überheblich, gleichzeitig besticht er aber durch seinen - für viele - unwiderstehlichen Charme. Ob ein Mensch tatsächlich an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leidet, kann anhand des US-amerikanischen Klassifikationssystemens DSM-V festgestellt werden. Dieses besagt unter anderem, dass Betroffene einen Mangel an Empathie aufweisen.
Bonelli, der einen thematischen Schwerpunkt seiner Arbeit auf das Thema Narzissmus legt, sieht das anders. Ihm zufolge verfügen Menschen, die von besagter Persönlichkeitsstörung betroffen sind, sehr wohl über Empathie. Sie missbrauchen sie bloß für den falschen Zweck. "Sie spüren sehr genau, wo sie ansetzen müssen, um eine Frau zu kriegen. Auch wenn es nur um Sex geht", weiß der Wiener Psychiater aus seiner beruflichen Erfahrung. Sie wissen, an welchen Fäden sie ziehen müssen, um zu bekommen, was sie wollen. Und sie wollen immer die schönsten Frauen, manchmal auch die gescheitesten. Jedenfalls solche, die man herzeigen, mit denen man sich schmücken kann.
So profitiert sie vom Narzissten
Der männliche Narzisst ist aber nicht der Einzige, der sich gerne schmückt. "Wenn man sich immer und immer wieder auf einen Narzissten einlässt, muss man sich überlegen: Was hat das mit mir zu tun?", gibt der Experte zu bedenken. Der männliche Narzisst wird von allen bewundert. Er glänzt. Und sie will Anteil an seinem Glanz haben. "Sie will sich im Licht dieses Supermanns sonnen", bringt es der Experte auf den Punkt. Warum? Weil sie, so die Annahme, ebenfalls narzisstische Anteile in sich trägt, die, wenn man so will, durch den Partner befriedigt werden. Das sei der Grund, warum manche Frauen stets Männer mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung anziehen.
Abgesehen davon, dass die Frau ganz automatisch ein paar Ruhmesstrahlen des narzisstischen Partners abbekommt, hievt er sie auch noch aktiv auf sein selbst errichtetes Podest. Er idealisiert nämlich nicht nur sich selbst, sondern auch sein persönliches Umfeld. Seine Herkunft, seinen Beruf - und seine Partnerin. Nach dem Motto "Wir sind besser als die anderen" hebt er sich und die Frau aus der breiten Masse heraus. "Viele Co-Narzissten", wie Bonelli sie nennt, "finden das ganz großartig, wenn andere abgewertet werden." Abgewertet werden letzten Endes aber nicht nur die anderen, sondern früher oder später auch die Partnerin selbst. Nämlich dann, wenn sie ihre Funktion nicht mehr erfüllt.
Ohne Nutzen keine Beziehung
"Er missbraucht die Menschen ja für seine Zwecke, benutzt sie. Und wenn der Nutzen nicht mehr gegeben ist, wenn sie nicht mehr reich, erfolgreich, berühmt oder schön ist, hat er auch keinen Grund, die Beziehung fortzuführen." Mit derselben Leichtigkeit, mit der sich der Narzisst die Frau genommen hat, entledigt er sich ihrer wieder. "Sobald die Nächste kommt, kickt er sie weg, entsorgt sie", erläutert der Psychiater. "Das hat schon große Menschenverachtung." Oder aber er geht fremd. Worunter die Frau natürlich leidet. Möglicherweise war sie einst aber auch selbst die Affäre, die Frau, mit der er seine vorherige Partnerin betrogen hat. Warum also wundern, wenn er es wieder tut?
"Frauen, die einen guten Instinkt haben, können einen Narzissten sofort von einem gesunden Menschen unterscheiden", sagt der Experte. Sei man dazu nicht in der Lage, liege das in erster Linie an einem selbst. Profitieren könne man in diesem Zusammenhang von der Fähigkeit zur Selbstreflexion. Schließlich dürfe man nicht schwarz-weiß malen und die Schuld allein beim Gegenüber suchen. Es gibt nicht den Täter und das Opfer. "In Wirklichkeit ist es viel bunter." Und diese zahlreichen Farbschattierungen gilt es bei der Frage, warum man immer wieder zielsicher auf denselben Typ Mann oder Frau zusteuert, zu durchleuchten.
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Steckbrief
Raphael Bonelli
Univ.-Doz. Dr. Dr. Raphael Bonelli ist als Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin sowie Facharzt für Neurologie mit Schwerpunkt u. a. auf Narzissmus und Perfektionismus. Er ist Verfasser zahlreicher Publikationen, leitet das "Institut für Religiosität in Psychiatrie & Psychotherapie" in Wien und ist Faculty Member des "Center for Spirituality, Theology and Health" an der Duke University. Hier geht es zu seiner Homepage.
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