"Mobbing bedeutet, dass bewusst und wiederholt Handlungen gesetzt werden, um anderen zu schaden", sagt Klaus Schwienbacher, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Mitglied des Leitungsteams im Wiener Ambulatorium für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen "Die Boje". Mobbing komme unter Erwachsenen genauso vor wie unter Kindern.
Österreich - ein "Mobbingland"?
Ein Bericht (2015) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat ergeben, dass Mobbing an österreichischen Schulen stärker verbreitet ist als im OECD-Schnitt. So haben 16 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler angegeben, kürzlich gemobbt worden zu sein. Der OECD-Schnitt liegt bei elf Prozent: Kinder im Alter von 11, 13 und 15 Jahren teilten mit, dass sie von ihren Schulkameraden innerhalb von zwei Monaten mindestens zweimal verbal oder physisch angegriffen worden sind.
Die Beratungsstelle "Rat auf Draht" hat im Sommer 2015 eine Studie durchgeführt, bei der 340 Jugendliche nach ihren Erfahrungen mit Mobbing befragt worden sind. Fast jeder zweite Schüler ist von Mobbing betroffen, lautet das Ergebnis der Studie. "Wir führen pro Tag rund fünf Beratungen rund um das Thema Mobbing durch", sagte Birgit Satke, Leiterin von "Rat auf Draht". Auffällig oft hätten die Kinder und Jugendlichen Angst, sich jemandem anzuvertrauen. Sie würden befürchten, dass sich die Situation dadurch noch verschlimmern könnte.
Was sich Betroffene wünschen
"Rat auf Draht" befragte die Schülerinnen und Schüler auch nach Lösungsvorschlägen: Wie kann Mobbing verhindert werden und wie reagieren Lehrkräfte am besten, wenn sich ihnen jemand anvertraut? Die Antworten der Kinder- und Jugendlichen fallen eindeutig aus: Sie wollen vor allem, dass Mobbing ernst genommen wird. Eine Schülerin sagte dazu: "Die Lehrer in der Schule sollten besser zuhören und einen auch mal aussprechen lassen und nicht immer sagen, jetzt nicht oder du hast selber Schuld stell dich nicht so mädchenhaft an." Offenbar mangelt es in der Schule an erwachsenen Vertrauenspersonen. Denn viele der Befragten wünschen sich eine Ansprechperson an der Schule, der man wirklich vertrauen kann. "Die darf das nicht immer gleich weitererzählen", so ein Betroffener. Denn der Opferschutz ist vielen Jugendlichen wichtiger als die Suche der Schuldigen. Oft formuliert worden sei laut "Rat auf Draht" auch der Wunsch nach gemeinsamen Tätigkeiten, um die Klassengemeinschaft zu stärken.
"Je jünger die Kinder sind, desto mehr brauchen sie die Anleitung von Erwachsenen. Und jüngere Kinder sind leichter zu beeinflussen als ältere", teilt Schwienbacher mit. Im Fall von offensichtlichem Mobbing sei es daher hilfreich, den Kindern einen respektvollen Umgang mit sich selbst und mit anderen beizubringen. "Hier sind alle gefordert: Eltern, Schulen und Medien, also die ganze Gesellschaft", erklärt der Experte. Man müsse dem Mobbing praktisch den Nährboden entziehen. Viele Kinder würden von Bildern und Informationen überflutet, die sie nicht in ihre kindliche Welt einordnen können. Beschimpfen und Herabwürdigen können unter anderem auch ein Bearbeitungsversuch sein.
Was Eltern tun können
Und was können Eltern tun, wenn sie bemerken, dass ihr Kind gemobbt wird? "Man soll nicht in Panik geraten, sondern dem Kind Sicherheit vermitteln", sagt Schwienbacher. Man solle dem Kind gut zuhören und klarmachen, dass es selbst in Ordnung ist und die "Mobber" falsch handeln. Die Eltern sollten dem Kind durchwegs vermitteln, wie sehr sie es schätzen. Wenn das Kind regelmäßig und über einen längeren Zeitraum hinweg einem hohen Leidensdruck ausgesetzt sei, dann müsse auch das Gespräch mit der Schule gesucht werden. "Wichtig ist, dass man dabei eine klärende Haltung einnimmt ", erklärt der Kinder- und Jugendpsychiater.
Mobbing kann ebenfalls psychosomatische Auswirkungen haben. Ständige Bauch- oder Kopfschmerzen, kein Spaß mehr am Spiel oder der völlige Rückzug des Kindes sind Anzeichen dafür. In diesen Fällen sei es ratsam sich professionelle Hilfe zu suchen, so Schwienbacher.
Phänomen Cyber-Mobbing
Vermehrt werden Kinder und Jugendliche auch über soziale Netzwerke wie Facebook und Co. gemobbt. Von Cyber-Mobbing man dann, wenn jemand im Internet oder über das Handy absichtlich beziehungsweise bewusst beleidigt, bloßgestellt oder bedroht wird. Das kann von schikanösen E-Mails über sexuelle Beschimpfungen bis hin zu Nacktfotos im Netz reichen. Cyber-Mobbing kann strafbar sein. Beleidigungen, Drohungen oder die Verbreitung von bestimmten Bildern und Videos können beispielsweise rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Eine Cyber-Mobbing-Umfrage von "Rat auf Draht" hat ergeben, dass 26 Prozent der befragten Jugendlichen selbst schon einmal von Cyber-Mobbing betroffen waren. Über 50 Prozent kennen jemanden, der betroffen ist. Oftmals sind die jugendlichen beschimpft worden, waren sexuellen Belästigungen oder Belästigungen in sozialen Netzwerken ausgesetzt. Bei letzterem wurden Dinge angegeben wie: die Veröffentlichung unangenehmer Foto oder die Anmeldung eines falschen Profils im Namen des Betroffenen.
Als Tipps gegen Cyber-Mobbing schlägt die Beratungsstelle "Rat auf Draht" unter anderem folgende Maßnahmen vor:
- Niemals auf Nachrichten antworten, die einen belästigen oder ärgern. Ansonsten wird das Mobbing meist nur noch schlimmer.
- Der Betroffene soll sich jede Nachricht aufbewahren. Denn diese Beweise helfen dabei, wenn man das Mobbing melden will.
- Vorfälle, die illegal sein könnten, sollte man auf jeden Fall melden.
- Niemals sollten persönliche Daten wie Adresse oder Handynummer im Netz veröffentlicht werden. Auch sollte man darauf achten, welche Fotos und Videos man hochlädt.
- Ist man von Cyber-Mobbing betroffen, sollte man sich an jemanden wenden, dem man vertraut. Das können die Eltern, Freunde, ein Lehrer, Jugendbetreuer oder Beratungsstellen sein.
Weiterführende Links zu Beratungsstellen:
• Das Bundesministerium für Familien und Jugend bietet diverse Anlaufstellen für Bullying-Opfer.
• Die Plattform www.SaferInternet.at bietet eine Vielzahl an Workshops und Unterstützung bei Vorfällen von Cyber-Mobbing.