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Klare Regeln für heiße Talks

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Medien & Menschen - Klare Regeln für heiße Talks
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Angesichts von Unsäglichkeiten der AfD gibt es in Deutschland eine Diskussion, ob diese Partei zu TV-Sommergesprächen eingeladen werden muss. Ja, twittert Armin Wolf, begründet das einleuchtend, erinnert ungewollt aber auch an Frank Stronach

Die Aufregung um Friedrich Merz, der als CDU-Vorsitzender die Tür zur AfD einen Spalt geöffnet hat und sie ob orkanartigen Gegenwinds dann ruckartig wieder schließen wollte, ist kaum verebbt. Doch die Empörung über Thüringens AfD-Chef Björn Höcke, der fordert, Kinder mit Behinderungen nicht mehr an Regelschulen zu unterrichten, hat ein breiteres Fundament an Berechtigung. Beide Aussagen stammen aus TV-Sommergesprächen. Merz verrannte sich fehlspekulativ im ZDF, Höcke verstieg sich wohlkalkuliert im MDR. So viel innenpolitische Brisanz brachten die Hitze-Talks noch selten.

Hierzulande hingegen generieren die Hundstage-Interviews weniger Aufmerksamkeit als in früheren Jahren. Puls 24, das immer in den Juli vorgeprescht war, verlegt sie heuer in den Frühherbst. Der ORF strahlt die von Susanne Schnabl geführten Gespräche nicht live aus, sondern zeichnet sie am Freitag vor der Montag-Sendung auf. Bei der ersten Folge mit Beate Meinl-Reisinger wirkte dadurch das aktuell beherrschende Thema Unwetter seltsam ausgeblendet. So wie die zig Sommergespräche der ORF-Filialen mit den regionalen Parteispitzen kaum Beachtung außerhalb des jeweiligen Landes finden.

"ZIB 2"-Leitfigur Armin Wolf reagiert aber anlässlich der unsäglichen Höcke-Absonderung auf die Diskussion zu öffentlich-rechtlicher Einladungspolitik in Deutschland: Muss der MDR dem Vorsitzenden der AfD-Landtagsfraktion ein Sommergespräch gewähren? Georg Restle vom WDR-Magazin "Monitor" plädiert auch als studierter Jurist ausführlich mit vielen Argumenten dagegen. Wolf hingegen fände den Ausschluss von Formaten, in die alle Parlamentsfraktionen eingeladen werden, problematisch. Er twittert, dass Höchstgerichte darüber urteilen müssen, ob eine Partei demokratisch legitimiert ist.

Diese Selbstbescheidung ist bemerkenswert, weil Wolf zuweilen in einen Topf mit Restle geworfen wird. Dieser vertritt für seinen Beruf eine werteorientierte Grundhaltung. Das trägt ihm den Vorwurf der handwerklichen Unredlichkeit ein, politischen Aktivismus statt Journalismus zu betreiben. Ähnliche Kritik richtete sich in Österreich gegen Florian Klenk vom "Falter". Anders als in Deutschland kam sie hier aber schon von führenden Vertretern der Kanzlerpartei. So wie Heinz-Christian Strache noch als Vizekanzler Wolf in übler Art angegriffen hatte - und dann klein beigeben und viel Geld zahlen musste.

Der Tweet anlässlich Höcke ist aber mehr als eine Verortung von Person, Redaktion und Unternehmen durch seinen prominentesten Vertreter. Er beinhaltet wertvolle Medienbildung. Denn Wolf widerspricht zwar der Selbstüberhöhung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, betont aber neben dem Auftrag zur Ausgewogenheit die journalistische Unabhängigkeit und Korrekturfunktion. Ausschlussgründe wären demnach, wenn Politiker "in Gesprächen wiederholt und erwartbar übliche Regeln nicht einhalten, also Menschen verleumden, zu Gewalt aufrufen, die Sendung aktionistisch missbrauchen usw."

Diese Klarstellung ist so selbstverständlich, dass sie unabhängig vom Anlassfall AfD früher bloß an die FPÖ gerichtet wirkte. Heute hat sie einen breiteren Adressatenkreis. Wolf endet nicht von ungefähr wie folgt: "Und natürlich hat keine Partei ein Anrecht, (mit) zu bestimmen, wie oft, wann, zu welchen Themen oder von wem sie befragt wird. Und Sender müssen nicht jede:n Vertreter:in interviewen, sondern suchen ihre Gäste aus. Und Politiker:innen können Interviews verweigern (leider)."

Nachrichtenmedien sollten stärker in solche Diskussionen über ihre Regeln einsteigen und das nicht Social Media überlassen. Denn ihre grundsätzliche Verfasstheit ist dem Publikum zu wenig bekannt. Das gilt umso mehr für journalistische Entscheidungen. Wenn heute Auftritte der AfD damit begründet werden, dass alle im Parlament vertretenen Fraktionen eingeladen werden, ist das klar argumentiert. Als 2015 Frank Stronach bei Hans Bürger für den damaligen Einschaltrekord der 1981 entstandenen Sommergespräche sorgte, war das eine Grauzone. Denn der Parteigründer hatte kein Mandat mehr. Bereits 2013 war er in ORF-Wahlduellen - noch ohne Sitz im Nationalrat, aber schon als Quotenbringer.

Großer Unterschied zu heute und Deutschland: Niemand diskutiert über Zuschauerzahlen angesichts der Aussagen von Merz und Höcke. Das wäre auch ein guter Ansatz für die Bewertung der aktuellen Sommergespräche des ORF.

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