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"Dass sie sich außerhalb ihrer Autos an die Kehle gehen, kann ich mir nicht vorstellen. Aber was alles passieren kann, wenn sie in ihren Boliden sitzen, ist nicht vorhersehbar." Mathias Lauda analysiert die Befindlichkeiten der beiden Formel-1-Dominatoren Max Verstappen und Lewis Hamilton zwei Rennen vor Ende "einer der spannendsten Formel-1-Saisonen" trocken wie einst sein Vater, Formel-1-Legende Niki Lauda. "Die Konstellation erinnert mich an die Rivalität zwischen Alain Prost und Ayrton Senna", sagt Lauda, jetzt F-1-Experte bei ServusTV, zu uns. Das Duell seines Vaters gegen James Hunt um die WM-Krone 1976 bleibt unerwähnt. "Mein Vater und Hunt waren sehr eng und haben abseits der Strecke viel Zeit miteinander verbracht."
Wie oft haben Sie "Rush" gesehen? Und wie fällt Ihre Expertise zu dem hochgelobten Charakterdrama aus, das das Duell zwischen Ihrem Vater und James Hunt aufrollt?
Zwei oder drei Mal sogar. Ich war von der schauspielerischen Leistung Daniel Brühls schwer beeindruckt. Wie gut der meinen Vater gespielt hat und wie er gesprochen hat, das war einfach toll. Ich konnte die Augen zumachen, und dann war das eins zu eins mein Vater. Ich war überhaupt von dem Film beeindruckt: wie er gemacht worden ist und dass sich 90 Prozent der Story mit der Realität gedeckt haben. Da wurde nichts hollywoodmäßig dazuerfunden.
Haben Sie mit Ihrem Vater auch über den Film gesprochen?
Klar, oft sogar. Daniel Brühl hat sich immens viel Zeit genommen, meinen Vater zu studieren, und hat ihn monatelang begleitet. Er war in Wien, ist mit ihm zum Frühstücken ins Hotel Imperial gegangen, hat ihn ins Büro begleitet und ihn dort erlebt, wie er arbeitet, wie er spricht. Und er ist auch zu den Formel-1-Rennen mitgeflogen und hat meinen Vater genau beobachtet. Das war richtig harte Arbeit, die Brühl zur Rollenvorbereitung geleistet hat. Leider konnte ich ihn nie kennenlernen.
Jetzt kommt mit "Sons of Speed" sozusagen die Fortsetzung von "Rush". In dem Film duellieren Sie sich doch mit Freddie, dem Sohn von James Hunt.
Nein, das stimmt so nicht. Die beiden Streifen kann man auch nicht vergleichen. Ein indischer Freund von mir hatte 2014 die Idee, dass Freddie Hunt und ich doch im gleichen Team in der sogenannten "Winter Series" der Formel 3 fahren sollten. Er wollte unsere Rennen gegeneinander filmen. Mein Vertrag in der DTM war damals gerade ausgelaufen, ich war Vater geworden und auf der Suche nach einem neuen Cockpit. Da ich das letzte Rennen dieser "Winter"-Serie gewonnen hatte, bekam ich über Vermittlung von meinem Rennfahrer-Freund Pedro Lamy einen Vertrag bei Aston Martin und hatte keine Zeit mehr für dieses Projekt.
Und wie und wann ging es mit dem Filmprojekt weiter?
Dann passierte jahrelang nichts. Doch mein Freund Josh wollte den Film unbedingt fertigstellen, und so hat er mich heuer gebeten, doch wieder zur Verfügung zu stehen. Das passierte auch. Wir haben private Szenen in Ibiza gedreht, und ich bin ein Rennen gegen Freddie in Donington Park mit Prototypen gefahren, damit es genügend Material gibt. Ich habe keine Ahnung, wie der Film geworden ist, er soll demnächst von einem Streamingdienst gezeigt werden.
Sie haben aber kürzlich gemeint, dass Ihre Rennfahrerkarriere beendet sei. Ist sie das wirklich?
Ich habe fünf Jahre für Aston Martin als Werksfahrer Langstreckenrennen bestritten. Wir haben 2017 die WM in unserer Klasse gewonnen, aber leider Le Mans nie, was mir sehr leid tut. Aber jetzt habe ich eine neue Aufgabe bei ServusTV als Formel-1-Experte, die mir sehr viel Spaß macht. Außerdem bin ich heuer 40 geworden, da ist es eben Zeit, etwas anderes zu machen.
Ist Ihre Entscheidung endgültig? Kein Renn-Comeback möglich?
Vielleicht mache ich für die 24 Stunden in Daytona eine Ausnahme. Aston Martin hat mich angerufen, ob ich Anfang nächsten Jahres für dieses Langstreckenrennen verfügbar wäre. Mit einem schnellen Paket und guten Teamkollegen würde ich es mir überlegen.
Vor Aston Martin sind Sie DTM für Mercedes gefahren. Lustigerweise mit Susie Wolff, deren beginnende Liebschaft mit Toto Wolff Sie als Erster entdeckt haben ...
Zwei Jahre fuhr ich mit Susie im gleichen Team, das war auch zu der Zeit, als Toto in den Motorsport eingestiegen ist. Ich habe schnell gemerkt, dass zwischen den beiden was läuft, und sie sind ja heute noch glücklich verheiratet und geben ein tolles Paar ab.
Sie waren im Tourenwagensport und auf der Langstrecke erfolgreich. Warum hat es aber mit der Formel 1 nicht geklappt?
Mein Vater war lange dagegen, dass ich Rennfahrer werde. Im Motorsport musst du aber früh anfangen und dich durch die diversen Rennligen hochdienen bis zur Formel 1. Ich habe aber erst mit 21 Jahren mit dem Rennfahren begonnen, und dann ist der Weg in die Königsklasse sehr schwierig. Vielleicht nicht einmal realistisch. Mein Ziel war immer, Profi zu werden, vom Rennfahren zu leben und dabei Spaß zu haben. Das hab ich auch viele Jahre lang geschafft. Ich habe damit mein Geld verdient. Rennfahren war nicht nur ein Hobby oder Leidenschaft, das war mein Beruf.
War der berühmte Name Lauda - angefangen in der Schulzeit - eher Bürde oder doch Türöffner?
Ich war als kleiner Bub schüchtern, und mir war in der Volksschule, die ich in Hof bei Salzburg besucht habe, gar nicht recht, dass alle meinen Nachnamen kannten und wussten, dass ich der Sohn von Niki Lauda bin. Meine Rennfahrerkarriere lief natürlich immer unter meinem Namen. Es mag schon sein, dass am Anfang meiner Karriere der Name Lauda geholfen hat, Sponsoren zu finden, aber dann musst du natürlich im Rennwagen deine Leistung erbringen.
Wann haben Sie überhaupt erstmals registriert, dass Ihr Vater der berühmte Formel1-Weltmeister Niki Lauda ist?
Ich muss so vier Jahr alt gewesen sein, wir lebten noch in Ibiza, und wenn mein Vater einmal zu Hause war, gab es ein fixes Ritual. Mein Bruder und ich sind mit ihm nach Santa Eulalia gefahren, Zeitungen kaufen und Kaffee beziehungsweise Kakao trinken. Jedes Mal sind Touristen zu uns an den Tisch im Café gekommen und wollten ein Autogramm von meinem Vater haben. Ich habe es nicht verstanden, bis er mir erklärt hat, was er beruflich macht und dass er berühmt ist. Und man hat sich als Kind irgendwann daran gewöhnt.
Ihr Vater war sehr auf Job und Karriere fokussiert und dementsprechend selten zu Hause. Hatten Sie jemals das Gefühl, zu wenig Zeit und Liebe von ihm bekommen zu haben?
Als Kind wünscht man sich immer, den Vater so viel wie möglich zu Hause zu haben. Aber man kann nicht erfolgreich im Beruf sein, wie es mein Vater war, Rennen fahren und gleichzeitig auch eine Airline führen. Und wenn du nichts anderes kennst, ist es okay. Ich hab mir oft gedacht, weniger Zeit, aber mehr Qualität ist besser als jeden Tag zu Hause sein und keine Qualität. Wenn er dann da war, haben wir viel gelacht und hatten eine super Zeit.
Ihr Bruder Lukas hat einmal in einem Interview über Ihren Vater gesagt: "Als Familienvater war er unbrauchbar. Er war immer unterwegs. Ich habe zu ihm deshalb eher eine brüderliche Beziehung." Unterschreiben Sie das?
Das sehe ich auch so. Die Beziehung zu unserem Vater war immer komplett offen. Er hat uns schon in sehr jungen Jahren wie Erwachsene behandelt. Er war uns gegenüber immer total ehrlich und hat uns alles erzählt - von Frauengeschichten angefangen, seine Tricks und überhaupt, wie dies und das im Leben so alles funktioniert. Damals war ich erst 13, aber mein Vater hat mich wie einen 18-Jährigen behandelt. Das hatte auch den Vorteil, das eine absolute Vertrauensbasis zwischen uns herrschte.
Wie halten Sie es selbst? Wie viel Zeit verbringen Sie mit Ihrer Familie, mit Ihrer Frau Claire und den beiden Söhnen? Der Ältere heißt Lennon - wegen des Beatle?
Nein, das hat nichts mit John Lennon zu tun, den ich für einen tollen Musiker halte. Der Name klingt einfach gut, als ich den hörte, hat's sofort Klick gemacht, auch bei meiner Frau. Unser jüngerer Sohn heißt Allison, und da gibt es auch eine lustige Geschichte. Eigentlich sollte er Jamison heißen, als er dann auf die Welt kam, war klar, er ist kein Jamison, und daher nannten wir ihn Allison, auch wenn in der Geburtsurkunde Jamison steht.
Und beide Söhne sind natürlich Spanier, da sie ja auf Ibiza leben?
Nein. Sie sind zwar in Barcelona auf die Welt gekommen, die Mutter ist Engländerin, ich bin Österreicher, und beide haben einen österreichischen Pass.
Zurück zum Familienleben, das wohl anders aussieht als damals mit Ihrem Vater ...
Ja, meine Buben sind sieben und fünf, und ich bin ein stolzer Vater. Mir macht es extrem Spaß, mit ihnen Zeit zu verbringen. Ich hoffe, ich bin ein guter Vater, obwohl ich auch viel unterwegs bin, früher mit Rennfahren, jetzt mit Servus-TV.
Ihr Vater ist vor zweieinhalb Jahren gestorben. Wie gehen Sie heute mit der Situation um, dass er nicht mehr da ist?
Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht an meinen Vater denke. Jeden Tag kommen mir Erinnerungen an ihn, und am schlimmsten ist es, wenn im Radio einer jener Songs läuft, die er besonders mochte. Beispielsweise "Purple Rain" von Prince oder eines der Lieder von Tracy Chapman. Da wünsche ich mir besonders intensiv, dass ich noch einmal mit ihm frühstücken gehen und mir Ratschläge von ihm holen könnte, die immer sehr hilfreich für mich waren. Und natürlich vermisse ich die lustigen Stunden mit ihm, in denen mein Bruder und ich viel mit ihm gelacht haben. Er ist einfach viel zu früh gegangen.
Haben Sie mit Ihrem Bruder gemeinsam Trauerbewältigung geübt?
Mein Bruder, er lebt in Barcelona, und ich sind sehr eng miteinander und reden oft über unseren Vater, wenn wir zusammen sind. Es ist noch immer extrem schwierig für uns. Die Trauer um ihn lässt kaum nach.
Halten Sie Kontakt zu Ihrer Mutter, die ja auf Ibiza lebt? Wie ist überhaupt das Leben auf der Party-Insel?
Für mich ist Ibiza mein Zuhause. Ich bin hier aufgewachsen, und mir ist die Insel ans Herz gewachsen. Die Leute assoziieren Ibiza immer mit Party, aber das ist bei meiner Frau und mir genau das Gegenteil, wenn man zwei Kinder hat. Und im Winter ist auf der Insel überdies tote Hose. Ich bin gerne in der Natur, fahre Rad, gehe surfen und habe es am liebsten, wenn wenig Menschen um mich herum sind. Ich habe guten Kontakt zu meiner Mutter. Ich schau jeden zweiten, dritten Tag bei ihr vorbei. Sie wohnt ganz in der Nähe, das liegt auf meiner Fahrradrunde,
Der Job als F-1-TV-Experte bei Servus ist längerfristig geplant? Was schätzen Sie an der Tätigkeit besonders?
Ursprünglich sollte ich nur für ein Rennen, nämlich den Frankreich-GP, einspringen. Dann kamen noch die beiden Rennen in Österreich dazu, und ganz offensichtlich war der Sender mit mir zufrieden, und mir macht's auch Spaß. Ich bin mit der Formel 1 aufgewachsen, ich habe, seit ich sechs Jahre alt war, nicht ein Rennen versäumt. Ich interessiere mich für die Geschichte der Formel 1, für Statistiken und habe alles in meinem Kopf abgespeichert. Wenn man so lange wie ich Profi war, ist das, als hätte ich den Master im Motorsport, und das kommt mir bei meiner Tätigkeit natürlich zugute. Außerdem macht mir die Arbeit mit dem Team um Andi Gröbel viel Spaß.
Die Saison endet am 12. Dezember. Denken Sie nicht auch, dass es zu lange dauert und zu viele Rennen gibt?
Die Einzigen, die mir leid tun, sind die Mechaniker. Es gibt bei jedem Team nur eine Crew, und während die Fahrer zwischendurch nach Hause zu ihren Familien fliegen können, sind sie dauernd auf Achse, Wie soll da ein Familienleben funktionieren?
Welche Piloten, über die Sie im Fernsehen berichten, kennen Sie persönlich?
Ich kenne die Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und Valtteri Bottas durch meinen Vater. Er war mit Lewis sehr eng, ohne ihn wäre er nicht bei Mercedes. Mein Vater hat ihn vier Stunden in einem Hotelzimmer in Singapur bearbeitet. Lewis hat nämlich gesagt, nie im Leben geht er zu Mercedes, weil sein Team McLaren das bessere Paket hat. Überreden konnte ihn mein Vater nur, weil er ihm erklärte, dass man so wie er mit zwei Teams Weltmeister werden muss.
Apropos: Ist das Duell Hamilton gegen Verstappen, das sehr stark über die Medien ausgetragen wird, nicht schon zu viel des Guten?
Das kommt nicht von heute auf morgen, das schaukelt sich schon die ganze Saison hoch. Für die Fans ist es natürlich schön, dies zu verfolgen. Mich allerdings beeindruckt am meisten, um wie viel der Lewis und der Max besser sind als der Rest des Feldes. Die setzen sich so weit ab und kommen mit dem Druck überdies so gut zurecht. Aber wenn sich die beiden die ganzen Saison auf so hohem Niveau matchen, ist es klar, dass es auch zu Unfällen kommen muss wie in Silverstone, wie in Monza. Und natürlich betreiben auch die Team-Principals Toto Wolff und Christian Horner Politik, weil beim Kampf um die WM-Krone zählt jeder Punkt. Und dieser Fight wird heuer ziemlich sicher bis zum letzten Rennen dauern.
Wer gewinnt die WM-Krone? Drücken Sie Mercedes aus verständlichen Gründen besonders fest die Daumen?
In der Vergangenheit war ich natürlich immer für Mercedes und für meinen Vater. Dieses Jahr ist die WM spannend wie schon lange nicht. Und wenn ich ehrlich sein soll, bin ich daher dafür, dass der Schnellere das glückliche Ende für sich hat.
ZUR PERSON
Mathias Lauda wurde 1981 in Salzburg als zweiter Sohn von Niki und Marlene Lauda geboren, wuchs aber bis zu seinem sechsten Lebensjahr in Ibiza auf und zog dann mit den Eltern nach Hof bei Salzburg. Er begann wegen des Verbots des Vaters erst mit 21 mit dem Motorsport. Im Formelsport fuhr er ab 2006 für Mercedes in der DTM und dann für Aston Martin Langstrecke. Heute ist er F1-Experte bei ServusTV. Lauda ist mit der Britin Claire verheiratet und hat zwei Söhne.