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Magnus Brunner: "Wir müssen von diesem Nanny-Staat wegkommen"

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Magnus Brunner: "Wir müssen von diesem Nanny-Staat wegkommen"
©Bild: News/Matt Observe
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Finanzminister Magnus Brunner legte sein erstes Budget vor. Im Interview erklärt er, warum die Staatsschulden trotz Krise sinken, warum Österreich ein bisschen besser dasteht als Deutschland und warum wir uns nicht an Hilfspakete gewöhnen sollten.

Ich möchte in fünf Jahren nicht Finanzminister sein", sagt Christoph Badelt, der Präsident des Fiskalrates. Möchten Sie es?
Ich bin begeistert gerne Finanzminister. Und wenn ich in fünf Jahren noch Finanzminister bin, bin ich das auch begeistert. Es gibt große Herausforderungen, wir haben Reformen gemacht, die nachhaltig wirken. Die Abschaffung der kalten Progression beispielsweise. Das entlastet die Menschen, wenngleich es mir als Finanzminister auch Spielraum nimmt. Trotzdem ist das einer der spannendsten politischen Jobs, die man haben kann, egal, ob jetzt oder in fünf Jahren.

Hintergrund für Badelts Aussage ist wohl: Sie und ihr Vorgänger haben sehr viel Geld für Coronahilfen, Teuerungspakete, Strompreisbremse in die Hand genommen. Fällt uns das in fünf Jahren als Schuldenkrise oder als Sparpaket auf den Kopf?
Was sicher stimmt, ist, dass wir extrem viel Geld in die Hand nehmen müssen. Aber wir haben keine andere Option. Es ist keine Option, nicht zu helfen. Wir können es uns also nicht leisten, nicht zu helfen -bei allen Schwierigkeiten, die das für das Budget mit sich bringt. Aber, da hat Professor Badelt recht: Mittelfristig müssen wir zu einem nachhaltigen Budgetplan zurückkehren, wieder mehr Spielräume zu schaffen. In den letzten Monaten ist es mir so vorgekommen, als würden manche Milliarden mit Millionen verwechseln, da wäre es gut, wenn man die Dimensionen bei den Forderungen wieder zurechtrückt. Wir müssen, wenn die Krisen vorbei sind, wieder zurück zu ausgeglicheneren Budgets. Aber momentan geht das nicht. Man kann sich darüber aufregen, dass es zu viel ist. Ich glaube, wir tun das, was notwendig ist.

Die Schulden muss man ja irgendwann abtragen. In Deutschland wird schon darüber diskutiert, ob man den Solidaritätszuschlag, den es nach der Wiedervereinigung gab, aufleben lässt, um die Kosten der Krise wieder hereinzubekommen. Wäre das für Sie eine Option?
Das glaube ich nicht. Man sieht, dass das Maastricht-Defizit und die Schuldenquote bis 2026 wieder hinuntergehen. Sie ist derzeit bei knapp unter 80 Prozent des BIPs, bis 2026 kommen wir auf 72 Prozent - ohne Gegenfinanzierung, aber natürlich auch nur, wenn es keine neuen großen Krisen gibt. Das ist schon klar. Und das trotz der strukturellen Entlastungen, wie der Abschaffung der kalten Progression und der diversen Einmalzahlungen und Hilfspakete. Der Pfad stimmt, unter der Voraussetzung, dass es keine neuen Krisen gibt.

Wieso haben wir dann ohne Krisen bisher die Verschuldung nicht drücken können?
Wir hatten ja schon 2019 einen Überschuss und waren auf dem Weg zu einem ausgeglichenen Budget. Davon reden wir aufgrund der verschiedenen Krisen überhaupt nicht mehr. Ohne Corona hätten wir 2020 wieder einen Überschuss erwirtschaftet. Davon sind wir jetzt natürlich weit entfernt.

Finanzminister haben uns jahrelang erklärt, wir refinanzieren uns quasi zum Nulltarif. Die Schulden waren ja trotzdem da und müssen nun mit steigenden Zinsen zurückgezahlt werden. Die Zinslast ist heuer doppelt so hoch wie letztes Jahr. Wie geht es weiter?
Wir haben natürlich im Finanzrahmen Berechnungen, wie sich die Zinssituation entwickelt. Die ist fürs Budget nicht erfreulich. Die Zinsen haben sich verdoppelt. Bis 2026 rechnen wir mit Kosten von elf Milliarden Euro. Aber wir haben konservative Anleihen mit langen Laufzeiten, das hilft uns jetzt ein bisschen, es geht uns besser als anderen Staaten. Aber, klar, die Zinssituation hilft uns nicht, das Budget in Ordnung zu bringen.

Ganz ehrlich: Hätten Sie das Geld ,das ihnen durch die Abschaffung der kalten Progression fehlt, jetzt nicht lieber doch im Budget?
Ich hätte das Geld gerne, aber nicht im Rahmen der kalten Progression. Deren Abschaffung haben alle Parteien über Jahrzehnte gefordert, jede Regierung hat das im Regierungsprogramm gehabt, manche haben es versucht, wir haben es gemacht. Natürlich auch, weil die Inflation so hoch ist, das ist eine Frage der Fairness gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Aber wir können jetzt nicht mehr alle zwei, drei Jahre die größte Steuerreform aller Zeiten ausrufen, das wird es nicht mehr spielen. Diese Steuerreform gibt es jetzt automatisch jedes Jahr. Das sollte man dann auch wertschätzen, finde ich. Aber den Spielraum für Zuckerln, die in der Vergangenheit drin waren, wird es nicht mehr in diesem Ausmaß geben.

SPÖ und FPÖ sagen dennoch: Die Regierung mache zu wenig. Es reiche nicht. Sie fordern die Gaspreisbremse oder Mehrwertsteuersenkungen.
Es wird ja gerne das Beispiel Deutschland mit dem 200-Milliarden-Paket gebracht. Da sollte man sich seriöserweise auch ansehen, was da drinnen ist. Da fallen Dinge wie die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke hinein. Da ist der Ausbau der erneuerbaren Energie drin, der bei uns im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz schon längst mit einer Milliarde Euro pro Jahr geregelt und schon fast wieder in Vergessenheit geraten ist. Und: Wir haben die Strompreisbremse schon gemacht, über die Deutschland spricht und auch die deutsche Gaspreisbremse ist noch sehr unkonkret. Allerdings, beim Thema Gas erwarte ich mir schon, dass endlich die EU-Kommission konkrete Vorschläge über die Entkoppelung von Gas- und Strompreis bringt. Nur die Zufallsgewinne abzuschöpfen, ist lieb, bringt aber die Preise nicht hinunter. Dafür braucht es Regeln auf europäischer Ebene, Markteingriffe, auch wenn ich kein Freund solcher bin. Wir leben aber nun einmal seit Februar in einer anderen Welt. Auf nationaler Ebene können wir nur Pflaster draufpicken, wo es wehtut. Das tun wir, aber irgendwann wäre es schon an der Zeit, die Preise mit Markteingriffen zu dämpfen.

Was würde die Besteuerung von Zufallsgewinnen fürs Budget bringen?
Wenn es dazu europäische Vorgaben gibt, werden wir versuchen, das intelligent umzusetzen. Nämlich: Wir dürfen ja die Investitionstätigkeit dieser Unternehmen nicht gefährden. Die müssen ja in die Energiewende, in Erneuerbare, in Pumpspeicherkraftwerke, in den Netzausbau investieren. Ihnen diese Möglichkeit zu nehmen, wäre ein Fehler. Die große Budgetsanierung darf man sich jedenfalls nicht erwarten.

Es gibt mittlerweile auch die Kritik an der mangelnden sozialen Treffsicherheit der Hilfspakete. Wenn Sie das ideale System für die Hilfen aufsetzen könnten - wie würde das aussehen?
Das ideale System hätten wir, wenn die Datenschnittstellen besser wären. Dann könnten wir noch treffsicherer sein. Daran arbeiten wir, aber das ist nicht ganz trivial, da spielen der Datenschutz und andere Dinge hinein, vor allem geht's beim Strom ja um Daten für private Unternehmen, das ist noch heikler. Zur Treffsicherheit: Ja, man kann über jede einzelne Maßnahme diskutieren. Es gab welche, die waren treffsicherer als andere. Die ersten Maßnahmenpakete waren: Senkung der Energieabgabe, Entlastung für Pendler. Beim dritten Maßnahmenpaket mit 28 Milliarden Euro haben wir versucht, schnell und zielgerichtet zu helfen, Familien, Mindestsicherungsbezieher, Pensionistinnen treffsicher zu entlasten. Im Herbst war dann die Strategie, in die Breite zu gehen, in den Mittelstand, weil der auch stark von den Teuerungen betroffen ist. Da kann man sicher über die Treffsicherheit reden, die ist vielleicht nicht zu 1000 Prozent gegeben. Aber es ist eben immer eine Abwägung von Treffsicherheit, Geschwindigkeit und administrativer Machbarkeit. Deswegen sind manche Maßnahmen treffsicherer als andere.

Das Anspruchsdenken an den Staat ist seit Corona und der Teuerung gewaltig gewachsen.

Wir leben seit Corona in einem Nanny-Staat. Die Leute erwarten viel, sind oft unzufrieden. Muss man das den Menschen auch wieder abgewöhnen? Und wie schmerzhaft wird das?
Da ist viel Psycholgie dabei. Wir müssen wirklich schauen, dass wir von diesem Nanny-Staat wegkommen. Das Anspruchsdenken an den Staat ist seit Corona und der Teuerung gewaltig gewachsen. Es ist zu hoch. Da müssen wir alle darauf einwirken, dass wir von dieser Vollkaskomentalität wieder abkommen. Der Staat kann nicht jede Krise dieser Welt zu 100 Prozent kompensieren, das ist auch nicht seine Aufgabe. Wir können nur Entwicklungen abfedern.

Aber wie kommt man davon weg? Mit dem HabeckSpruch: "Nö, kriegst du nicht, Alter" und den Protest dann aushalten?
Man muss intelligent Maßnahmen setzen, wo es notwendig ist, treffsicher, ja, aber das ist nicht immer so leicht. Und diese Maßnahmen müssen auch irgendwann auslaufen, wenn die Krisen irgendwann bewältigt sind. Die wirtschaftlichen Corona-Maßnahmen laufen ja langsam aus. Gott sei Dank. Das kann ja kein Dauerzustand sein, das kann ein Staat einfach auch nicht leisten.

Gabriel Felbermayr hat in einem Interview mit dem "Horizont" gesagt: "Der Industrie geht es im Durchschnitt sehr gut, schauen Sie sich nur die Gewinnzahlen der Unternehmen an. Da läuft es trotz des Gejammers gut. Die Unternehmen haben ihre Preise recht erfolgreich erhöht und ihre Kostensteigerungen gut weitergeben können. Sonst hätten wir ja auch keine Inflation von neun Prozent." Heißt das, die Politik lässt sich von Wirtschaftsvertretern treiben, schnürt Hilfspakete, die es gar nicht in dem Ausmaß braucht?
Also die Energiepreisfrage treibt die Industrie und die Wirtschaft schon sehr stark. Die Preissteigerungen, die wir bei Strom und Gas sehen, sind gewaltig. Das ist eine Riesenherausforderung für KMU und Industrie, da muss mit Hilfen entsprechend unterstützt werden, aber es kann auch hier nicht alles zu 100 Prozent abgegolten werden. Das soll ja auch nicht sein, weil wir Signale Richtung Einsparungsmöglichkeiten brauchen -sowohl bei der Wirtschaft als auch bei Privaten ist das wichtig.

Ihr deutscher Kollege Christian Lindner hat die Sorge, dass die Inflation dauerhaft weiter galoppieren könnte und sich nicht mehr einfangen lässt. Teilen Sie diese Befürchtung?
Das ist eine interessante Frage, weil die Prognosen in den letzten Monaten überhaupt nicht gestimmt haben. Zu Beginn der Inflationsentwicklung haben die EZB und die Wirtschaftsforscher gesagt, das ist nur temporär und wird relativ rasch runtergehen. Von dieser Einschätzung haben sich inzwischen alle Experten verabschiedet. Derzeit ist die Einschätzung internationaler Experten, dass die Inflation sicher längerfristig höher bleibt als die von der EZB angepeilten zwei bis drei Prozent. Dafür werden wir noch lang brauchen. Aber es geht wenigstens nach unten. Wir rechnen damit, dass es 2023 6,5 Prozent sein werden und dann sukzessive sinkt.

Stichwort Deutschland: Das 200-Milliarden-Paket dort wird von Italien als unsolidarisch kritisiert, weil sich andere europäische Länder solche Pakete nicht leisten können. Wie sehen Sie das?
Ich verstehe diese Sicht. Daher wäre es gut, wenn auf europäischer Ebene durch die Kommission endlich etwas passieren würde. Dann würden sich alle Staaten leichter tun. Sowohl jene, wie Italien, denen es nicht so gut geht, als auch jene wie Deutschland und Österreich, die sich solche Hilfspakete eher leisten können. Wer hat Möglichkeiten, etwas zu tun? Das ist die EZB, die hat aus meiner Sicht etwas zu langsam und zu zögerlich agiert. Aber sie ist eben auch in einer Zwickmühle, weil die budgetäre Situation in den einzelnen Staaten so unterschiedlich ist. Manche haben in der Vergangenheit nicht immer auf nachhaltige Budgets geschaut und Schuldenquoten von 150 Prozent. Dass in der Vergangenheit manche Länder vielleicht zu lasch gehandelt haben, fällt uns jetzt auf den Kopf. Dadurch haben die europäischen Institutionen eben nicht den Spielraum, schneller und intensiver zu handeln. Das ist eben die Heterogenität der EU.

Die österreichische Regierung lobt sich für die großen Hilfspakete. Laut einer Auflistung in der NZZ liegen wir aber mit einer Größenordnung von 2,4 Prozent des BIPs hinter Bulgarien, das deutsche Paket habe hingegen eine Größenordnung von acht Prozent des BIPs.
Gegen diese Rechnung wehre ich mich. Da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Das ärgert einen natürlich. Man kann vielleicht konkrete Dinge wie Verteidigungsbudgets vergleichen. Da waren wir in der Vergangenheit nicht gut, das heben wir jetzt an, bis 2027 auf 1,5 Prozent des BIPs. Bei den anderen Maßnahmen werden Dinge in einen Topf geworfen und dann verglichen: Wenn ich mir die Entlastungsschritte in Österreich ansehe, die Maßnahmen gegen die Teuerung und die ökosoziale Steuerreform, die jetzt wirksam wird -andere Länder haben in dieser Zeit Steuerreformen abgesagt -: Das müsste man schon alles einrechnen, sonst ist es nicht seriös. Vielleicht waren wir etwas zurückhaltend in der Darstellung unserer Maßnahmen. Es gibt eine Berechnung europäischer Stellen, die zeigt, dass wir pro Kopf in Europa am meisten machen, nach Luxemburg.

Sie haben diese Woche ihre erste Budgetrede im Nationalrat gehalten. Zu Beginn der Budgeterstellung haben Ihnen die Wirtschaftsforscher noch gesagt, dass sich das Wachstum abschwächen wird, aber wir werden nicht von einer Rezession in Deutschland mitgezogen. Heute reden diese schon von einer Stagflation. Wie oft haben Sie den Budgetentwurf zwischendurch weggeworfen?
Wir mussten laufend anpassen, weil sich die Prognosen öfter geändert haben. Daran sieht man die Volatilität, in der wir leben. Die neuesten Zahlen, die wir für das Budget genommen haben, verheißen ein Wachstum von 0,2 Prozent. Deutschland steht schon bei minus 0,6. Auch bei den Inflationserwartungen liegen wir besser als Deutschland.

Gelassen bin ich nicht. Aber es geht uns noch etwas besser als Deutschland.

Warum wird in Deutschland fast schon die Apokalypse ausgerufen, während man in Österreich gelassener ist?
Also: Gelassen bin ich nicht. Aber es geht uns noch etwas besser als Deutschland. 2022 ist unser Wachstum wesentlich höher. Das sind keine Prognosen, sondern echte Zahlen. Ein Grund dafür ist, dass wir aus der Coronapandemie wirtschaftlich besser herausgekommen sind als manche andere Staaten. Unsere Coronahilfen wurden zwar kritisiert, und es ist sicher nicht alles richtig gewesen, aber vieles sicher doch, weil unsere Wachstumszahlen danach besser waren. Durch die Hilfen und die Stärke der Industrie sind wir stärker aus der Krise gekommen. Das gibt uns eben jetzt Spielraum. Aber Gelassenheit...

Schlafen Sie nicht mehr gut?
Die Situation macht natürlich schlaflose Nächte.

Ein Leitgedanke des Budgets 2023 ist die ökologische Transformation. Die Klimaministerin hat dafür Anfang der Woche ein 5,7-Milliarden-Euro-Paket präsentiert. Viel Geld ist zum Beispiel für den Ausbau erneuerbarer Energien vorgesehen. Doch der stockt, weil Anlagenteile nicht lieferbar sind und Verfahren lange dauern. Was hilft, wenn Geld nicht mehr hilft?
Schnellere Verfahren sind ein entscheidender Punkt. Wenn wir bis 2030 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen haben wollen, bis 2040 CO2-Neutralität, dann müssen wir schneller werden. Es kann nicht sein, dass ein Verfahren für ein Wasserkraftwerk viele Jahre dauert. Dann geht sich das alles nicht aus. Zur Beschleunigung und Vereinfachung der Verfahren liegt eine UVP-Novelle auf dem Tisch, die aber aus meiner Sicht noch nicht ausreichend ist. Aber auch die Verfahrensbeschleunigung und Geld werden nicht reichen, sondern es geht auch noch um Innovation. Mit den derzeit vorhandenen technologischen Mitteln werden wir uns schwertun, die Ziele zu erreichen. Daher ist es wichtig, dass man in Technologien wie Wasserstoff investiert. Und das Dritte ist: Wir müssen die Bevölkerung, die Industrie, die Wirtschaft mitnehmen auf diesem Weg, sonst haben wir keine Chance, es zu schaffen. Über die Bevölkerung mit raumplanerischen Dingen drüber zu fahren, das wird es nicht spielen.

Ins Ziel streicheln, wird man sie aber auch nicht können.
Das wird man nicht können. Aber Anreize statt Verbote sollte der Zugang sein. Gegen die Bevölkerung, gegen die Wirtschaft, nur mit Zwang wird man es nicht schaffen.

Das Umweltbundesamt hat berechnet, dass die Folgekosten der Klimakrise und der dadurch nötige Investitionsbedarf bis 2030 145 Millionen Euro betragen werden. Das sind eineinhalb Gesamtjahresbudgets. Wie soll sich das ausgehen?
Indem wir unsere Klimaziele erreichen, schneller werden, intensiv daran arbeiten, die Abhängigkeit von fossiler Energie zu reduzieren. Da hat ja in den letzten Monaten auch eine Beschleunigung stattgefunden. Wir sehen das bei der Diversifizierung der Gasreserven. Da sind wir von einer 80-prozentigen Abhängigkeit von Russland auf 50 Prozent zurückgegangen. Daran sieht man ja, was möglich wäre. Gleichzeitig hat das Auffüllen der Gasspeicher gut funktioniert. Da halten wir bei 80 Prozent. Zudem müssen wir die Industrie in dieser Transformation unterstützen. Da gibt es im Budget zwei Schwerpunkte neben der Krisenbewältigung. Das ist die Sicherheit. Nicht nur die militärische, sondern auch die soziale Sicherheit, die Versorgungssicherheit und die wirtschaftliche Sicherheit. Und zum anderen die Transformation. Bis 2026 gibt es fünf Milliarden Euro, mit denen unter anderem die Industrie unterstützt wird, den Umstieg zu schaffen und Richtung CO2-Neutralität zu gehen.

Die ÖVP galt in Sachen Klimaschutz in den letzten Jahren ja eher als Bremserin. Ärgert es Sie heute, dass man den Ausstieg aus fossilen Energien nicht viel früher betrieben hat? Neben den positiven Effekten auf das Klima hätten wir zudem nicht diese Abhängigkeit von Putins Gas.
Mein Zugang, auch als Staatssekretär im Umweltministerium, war immer, dass wir zu den Klimazielen stehen, diese aber mit Hausverstand erreichen müssen. Und wenn diese Wende nicht eine Träumerei bleiben soll, wenn wir die Bevölkerung, die Industrie, die Wirtschaft mitnehmen wollen, dann müssen wir eben auch auf die Lebensrealitäten der Menschen Rücksicht nehmen. Nicht jeder hat eine U-Bahn vor der Tür, nicht in jedes Tal kann man eine Schiene legen.

Wir haben jetzt nicht nur die Klimakrise, sondern auch noch eine immer älter werdende Bevölkerung. Der Staat muss bei den Pensionen immer mehr zuschießen. 2024 werden es knapp 26 Milliarden Euro sein. Trauen Sie sich, das Wort Pensionsreform in den Mund zu nehmen?
Also momentan sind wir mit der Krisenbewältigung voll beschäftigt. Ich glaube, der Abschluss, den wir gerade bei den Pensionserhöhungen gemacht haben, ist sehr vernünftig. Wir heben die niedrigen Pensionen mehr an, die höheren Pensionen weniger und helfen in der Teuerung mit Einmalzahlungen aus. Das ist ein vernünftiger Ansatz. So wurde das ja auch von allen Seiten kommentiert. Den einen war es zu viel, den anderen zu wenig. Also wird es am Ende vernünftig gewesen sein. Und zum Thema Pensionsreform: Ehrlich gesagt, die Prioritäten sind im Moment Krisenbewältigung, Transformation und Sicherheit.

Aber hören wir hier zumindest ein Bewusstsein heraus, dass Reformbedarf besteht?
Das Bewusstsein ist immer da. Aber wir müssen einmal das tatsächliche Pensionsantrittsalter an das gesetzliche Maß anpassen. Das sind einmal Schritte, die notwendig sind, und die wir machen können. Und wir müssen Erleichterungen schaffen, damit Menschen, die in Pension sind, aber gerne arbeiten würden, auch arbeiten können, dass sie es sich auch leisten können zu arbeiten. Da müssen wir jetzt einmal ansetzen. Also die Menschen länger in Beschäftigung halten.

Nachdem Sie nun das Bundesbudget geschnürt haben, müssen Sie sich auch mit Ländern und Gemeinden darüber unterhalten, wie die Steuereinnahmen künftig aufgeteilt werden. Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke hat am Wochenende in der "Presse" gesagt: "Es ist höchste Zeit, dass vom Bund dazu eine Ansage gemacht wird, ich sehe hier kein Leadership." Gibt es eine Ansage?
Die Ansage ist, dass wir jetzt einmal das Budget fertig machen. Das ist eine Grundvoraussetzung für den Finanzausgleich. Und dass dann selbstverständlich die Gespräche mit den Ländern und Gemeinden beginnen werden, so wie es in den letzten Jahrzehnten auch üblich war.

Wie ist denn aktuell Ihr Gesprächsverhältnis zu Peter Hanke?
Ich hatte immer ein sehr gutes Verhältnis zu Hanke und auch zu Michael Ludwig. Ich schätze die beiden Herren auch sehr. Daran wird sich hoffentlich nichts ändern.

Es scheint, es hat sich daran etwas geändert: Beide Herren nehmen Ihnen übel, dass sie beim Thema Wien Energie sozusagen vorgeführt worden sein sollen.
Es gab unterschiedliche Ansätze zu einem bestimmten Thema. Aber, mein Gott: Ich seh das eher pragmatisch. Man hat oft unterschiedliche Standpunkte, aber aus meiner Sicht trübt das nicht unbedingt langfristig das Verhältnis.

Die Wiener SPÖ galt als Befürworterin einer SPÖ-ÖVP-Koalition nach der nächsten Wahl. Haben Sie das vermasselt?
Wir mussten die Stadt Wien innerhalb kürzester Zeit unterstützen und haben das auch gerne getan, weil es um zwei Millionen Wienerinnen und Wiener gegangen ist. Es ist, wie es ist. Dass das nun von manchen als unfreundlich interpretiert wird, finde ich schade, weil das war es nicht. Natürlich haben wir dabei den nachvollziehbaren Wunsch gehabt, dass eine gewisse Aufklärung rund um die Ereignisse bei der Wien Energie betrieben wird. Zwei Milliarden Euro Kreditlinie sind ja nicht nichts. Das ist das Jahresbudget des Landes Vorarlberg. Da geht es um Steuergelder. Da ist es legitim, dass man nachfragt, was da passiert ist. Und: Wir sind jetzt mit den Grünen in einer Koalition, die bis 2024 noch einiges zu arbeiten hat. Was dann kommt, werden wir sehen.

Der Beitrag erschien ursprünglich im News-Magazin Nr. 41/2022.

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