Seit zehn Jahren präsentiert Lou Lorenz-Dittlbacher die "ZiB2" im ORF. Doch wer ist die Frau hinter der toughen Moderatorin? Und wie geht es ihr dabei, wenn sie die Mächtigen des Landes durchaus kritisch befragt? Wir haben Lou Lorenz-Dittlbacher bei einem Post-Corona-Frühstück selbst vors Mikrofon gebeten.
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News.at: Unser Interview hätte vor genau zehn Wochen stattfinden sollen. Doch dann kam Corona und inzwischen ist die Welt einmal Kopf gestanden. Wie ist es Ihnen in dieser Zeit ergangen?
Lou Lorenz-Dittlbacher: Ich würde sogar sagen, die Welt ist stehen geblieben. Es war ein bisschen so, als hätte man auf eine Stopptaste gedrückt - plötzlich ging nichts mehr. Ich habe mich natürlich an alle Regeln gehalten, aber nach und nach habe ich schon gemerkt, dass das etwas mit einem macht, sowohl mit mir, als auch mit den Menschen in meiner Umgebung. Als klar war, dass dieser Zustand noch einige Zeit dauern wird, war das schon belastend.
Was glauben Sie, könnte diese extreme Zeit vielleicht auf Dauer verändert haben?
Gute Frage, ich weiß es nicht. Ich glaube, kurzfristig bleibt, dass nichts selbstverständlich ist. Dass man merkt, wer einem fehlt und wer weniger. Leider wird uns eine Wirtschaftskrise und die Angst davor, den Job zu verlieren, bleiben. Daher werden viele Menschen weniger konsumieren und weniger auf Urlaub fahren. Vielleicht hat der eine oder andere die Chance, für sich rauszufiltern, was im Leben wirklich wichtig ist. Aber ich weiß es nicht, es gab schon so viele Situationen, wo man dachte, die Welt ändert sich danach und es hat sich gar nichts geändert.
Haben Sie für sich selbst etwas mitnehmen können?
Das kann ich noch nicht sagen, wir sind ja gerade noch mittendrin.
Wie schaffen Sie es, Krisen wie diese zuhause auch mal auszublenden?
Das ist eh schwer. Es ist Übungssache. Als ich mit diesem Job begann, ging es schwer bis gar nicht. Aber es gab so viele Krisen seither, so viele Situationen, die mich beschäftigt haben, dass ich eine gewisse Routine entwickelt habe. Und ich versuche mir Freiraum zu schaffen. Ich lege dann das Handy weg und sage: Spielen wir was, gehen wir in den Garten, schauen wir uns einen Film an oder so. Aber das muss ich bewusst machen, das geht nicht automatisch.
Können Sie denn im Urlaub richtig abzuschalten?
Schwer. Ich bin immer darüber informiert, was sich in der Welt tut. Nicht weil ich muss, sondern weil ich will. Das ist schon auch eine Sucht. Aufzuwachen, egal wo, und nicht zu wissen, was gerade los ist, das kommt nicht in Frage. Das wäre so, als würde ich nicht mehr essen.
Sie sind seit zehn Jahren bei der „ZiB2“. Was hat sich seithert verändert?
Das politische Personal hat sich mehrfach geändert, und damit auch die Kommunikation. Die Kommunikation dieser Regierung ist professioneller, beherrschter, kontrollierter als die manch anderer Regierungen davor. Das heißt, man muss sich anders auf die Interviewpartner einstellen. Außerdem sind die Medien schneller geworden, der Ruf, rasch und möglichst unmittelbar auf Ereignisse zu reagieren, ist viel viel höher.
Sind Sie nervös vor den Sendungen?
Nervös nicht. Ich bin angespannt und es kommt natürlich darauf an, wer in der Sendung zu Gast ist. Auch für mich ist es 22 Uhr, also spät am Abend, und wenn man ein Schulkind hat, steht man nicht erst am Vormittag auf. Das heißt, je länger der Tag wird, desto weniger klar ist der Kopf, aber der muss trotzdem um 22 Uhr hellwach sein. Da ist eine gewisse Anspannung hilfreich, denn dann schießt das Adrenalin ein. Das ist auch ein bisschen ein „Rampensau-Feeling“ und nicht Nervosität. Man bereitet den ganzen Tag etwas vor und dann will man es endlich machen. Es ist ein sehr positives Gefühl.
Sie sagten, es kommt auch darauf an, welcher Gast kommt. Welche Interviewpartner sind besonders schwierig?
Alle kontroversiellen Interviews erfordern natürlich noch mehr Konzentration. Politiker und Politikerinnen kommen mit einer Message, die sie platzieren möchten, aber meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Fragen beantwortet werden. Und zwar weil diese Fragen die Lebensrealität des Publikums betreffen oder weil sie einen Widerspruch aufzeigen. Da muss man sehr genau aufpassen. Und auch wenn es unsere ZuseherInnen nicht sehr mögen, wenn man unterbricht: es ist trotzdem wichtig.
Werden Sie für dieses Unterbrechen auch so oft kritisiert wie Ihr Kollege Armin Wolf?
Ich glaube, in Österreich schätzt man das generell nicht sehr. Da kommt offenbar schnell das Gefühl auf, dass Autoritäten untergraben werden. Oft haben Menschen das Gefühl, Unterbrechen wäre Bloßstellen. Man muss es also immer wieder erklären und ja, man muss es dosiert einsetzen.
Wenn Sie eine politische Phrase verbieten könnten, welche wäre das?
Da gibt es viele. Was ich gar nicht mag, ist, wenn jemand sagt „Die Frage stellt sich nicht“. Weil ich denke mir: Doch, die Frage stellt sich, denn ich habe sie gerade gestellt. Und am allerwenigsten mag ich, wenn uns in einem Nebensatz unterstellt wird, wir würden etwas falsches sagen oder unterlassen.
Welches war Ihr schwierigstes Interview?
Extrem überraschend war der Auftritt von Frank Stronach im Jahr 2012. Damals gab es das Gerücht, er würde eine Partei gründen. Schon während des Beitrags wurde klar, dass er mit der Berichterstattung nicht einverstanden war und nach dem Beitrag wollte er das sofort deponieren, ohne überhaupt eine Frage abzuwarten. Das war ein Regelbruch, da war ich zunächst einfach baff. Danach hat sich diese Situation wiederholt, aber damals war es das erste Mal. Aber jedes Interview mit PolitikerInnen, die gut kommunizieren können und wissen, wie sie das Publikum auf ihre Seite holen, ist herausfordernd. Und von denen gibt es schon einige.
Auch welches Interview sind sie besonders stolz?
Weil es erst kürzlich war, fällt mir das Interview mit Franz Vranitzky und Wolfgang Schüssel ein. Es war etwas ganz besonderes, zwei ehemalige Bundeskanzler über die Republik reflektieren zu hören, nämlich überhaupt nicht parteipolitisch. Interessanterweise haben die beiden einander in vielem Recht gegeben. Wenn man Politik so lange verfolgt wie ich, war das schon überraschend. Es waren große Fragen, die die beiden groß beantwortet haben.
Welche/r PolitikerIn hat Ihnen zuletzt leid getan?
Mir tun Politiker nicht leid, weil sie wissen, was sie tun und worauf sie sich einlassen. Wenn Politiker von ihrer eigenen Partei allein gelassen werden, finde ich das zwar schon brutal, aber leid tun… sie können ja Konsequenzen ziehen. Aber nein, es ist nicht schön, zu sehen, dass Politik oft mit Neid, Missgunst und Intrigen zu tun hat.
Wie schwer fällt es Ihnen, im Job die eigene politische Meinung zu unterdrücken?
Gar nicht schwer. Das ist mein Beruf. Meine Einstellung ist: Ich begebe mich auf Distanz und schaue mir die Situation von oben an, und das ist bei allen gleich. Meine Meinung spielt da keine Rolle. Ganz im Gegenteil: Ich habe mich schon oft darüber amüsiert, dass man mir unterstellt hat, ich würde, einer Partei nahe stehen, die ich überhaupt noch nie gewählt habe – und umgekehrt.
Geht man nach der Sendung mit Gästen mal noch etwas trinken – und ist man per du?
Nein! Ich war noch nie mit einem Studiogast etwas trinken danach, und ich bin mit keinem Spitzenpolitiker per du. Mir ist es total wichtig, diese Distanz zu halten. Aus „hygienischen Gründen“ aber auch weil ich zu empathisch bin, um diese Distanz sonst in einer Interviewsituation aufbauen zu können. Ich möchte auch von niemandem genau wissen, wie es ihm in dem Moment geht, weil das würde mir vielleicht meine Freiheit in der Arbeit nehmen. Das heißt nicht, das ich nicht den ein oder anderen sympathisch finde.
Was macht Sie als Interviewerin aus – im Gegensatz zu Ihren Kollegen Armin Wolf und Martin Thür?
Ich möchte mich jetzt nicht abgrenzen von den Kollegen - ich möchte einfach Sachverhalte, Vorgangsweisen, Menschen verstehen. Wenn ich nicht verstehe, wie etwas funktionieren soll oder warum jemand etwas macht, hinterfrage ich das mit mehreren Mitteln. Mit meinen Mitteln.
Werden Sie als Frau anders kritisiert als ihre männlichen Kollegen?
Frauen werden immer anders kritisiert. Allein, weil sie viel stärker sexistischer Kritik ausgesetzt sind. Das ist bei mir nicht anders. Es geht schnell einmal ums Aussehen, um Blicke, um den Körper, um die Stimme. Es passiert schon, dass man die Männer für stärker hält, aber wenn man sich selber nicht für schwächer hält, hat man es leichter.
In Ihrem Buch „Der Preis der Macht“ (2018) gewinnen Sie die Erkenntnis, dass es Frauen in der Politik immer noch schwerer haben als Männer. Haben Sie das in Ihrem Job auch erlebt?
Ich war sehr jung, als ich beim ORF angefangen habe und ganz am Anfang bin ich von Interviewpartnern vermutlich nicht immer ganz ernst genommen worden. Wenn ich das gemerkt habe, habe ich manchmal zu sehr aufs Gas gedrückt, war zu schnell und zu heftig, aber das war ein Reflex. Damals war man als junge Frau unter 30 in politischen Sendungen eher ein Alien. Da gab es nur Birgit Fenderl und mich. Das haben wir gespürt, das war nicht gut, aber es hat uns irgendwie geformt.
Frauenministerin Susanne Raab will sich nicht als Feministin bezeichnen. Sehen Sie sich als Feministin?
Natürlich sehe mich als Feministin. Wenn man für ein selbstbestimmtes Leben von Frauen eintritt, ist man eine Feministin.
Sie sind Moderatorin, Ehefrau und Mutter. Gerade arbeitende Mütter haben oft ein schlechtes Gewissen – gegenüber der Arbeit sowie auch gegenüber dem Kind, nirgends jemals „genug zu sein“. Kennen Sie das auch?
Ich glaube, das kennt jede Mutter. Das schlechte Gewissen ist leider ein ständiger Begleiter und oft wirklich quälerisch. Der Hausverstand sagt zwar, man braucht keines zu haben, aber es ist halt da. Ich glaube, man darf sich aber nicht davon leiten lassen und zum Beispiel als Entschuldigung Sachen übernehmen, für die man eigentlich keine Kraft mehr hat oder in der Erziehung locker lassen. Sondern man muss bei seinen Plänen bleiben und seine Ressourcen so gut wie möglich verwalten. Aber das muss ich mir auch selbst immer wieder sagen…
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat Sie wiederholt nur mit dem Namen Ihres Mannes, als Frau Dittlbacher, angesprochen. Was dachten Sie sich dabei?
Es ist mir aufgefallen, und ich habe mich gewundert. Ich habe aber keine Erklärung dafür, warum sie das gemacht hat.
Haben Sie sie darauf hingewiesen?
Nein. Aber mein Gott, es ist der Name meines Mannes, des Mannes, den ich liebe, also passt es schon.
Wie würde Ihre Tochter, Emma, Sie beschreiben? Ist die Mama streng?
Sie würde sicher sagen ja. Ich würde sagen, ich bin konsequent.
Was sagt Emma, wenn sie Ihre Mama im Fernsehen sieht?
Sieht mich ganz selten, 22.00 Uhr ist ja spät, aber letztes Jahr hat sie bei den Wahlduellen reingeschaut und als ich sie gefragt habe, wie es ihr gefallen hat, meinte sie: Das Kleid war schön. (lacht)
Was kommt für Sie nach der "ZiB2"?
Ich bin in meinem Leben immer so gut gefahren damit, nicht zu überlegen, was danach kommt, sondern das bestmöglich zu machen, was ich gerade mache. Und wenn es einmal nicht mehr ist, muss ich es mir überlegen. Im Moment ist es genau so gut, wie es ist.
Zur Person:
Lou Lorenz-Dittlbacher ist seit 1999 beim ORF und in der Redaktion der "Zeit im Bild". Seit 2010 moderiert sie (alternierend mit Armin Wolf und Martin Thür) die ZiB2 sowie seit 2014 die "ZiB2 History". Lorenz-Dittlbacher lehrt am Institut für Journalismus an der Fachhochschule Wien und veröffentlichte 2018 das Buch „Der Preis der Macht“. Sie ist verheiratet mit Fritz Dittlbacher und Mutter einer Tochter.
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