Lisa Wieser verfügt über 17 Jahre Berufserfahrung in politischen regierungsnahen Organisationseinheiten. 2011 heuerte die Grazerin als persönliche Assistentin bei Sebastian Kurz an. Heute leitet die 33-Jährige das Büro des Kanzlers. Wie darf man sich diesen Job vorstellen? Was ist Sebastian Kurz für ein Chef? News.at fragte nach.
News.at: Frau Wieser, wie sind Sie zu Sebastian Kurz gekommen?
Lisa Wieser: Das war eigentlich sehr überraschend. 2011 gab es die Regierungsumbildung – Maria Fekter, bei der ich in dieser Zeit im Innenministerium für den Bereich Integration tätig war, wurde Finanzministerin, Johanna Mikl-Leitner wurde Innenministerin und Sebastian Kurz wurde Staatssekretär für Integration. Sebastian musste über Nacht sein Team zusammenstellen und so kam auch ich dazu. Gekannt haben wir uns davor nicht – wussten aber, dass wir nun alle an einem Strang ziehen müssen. Wir waren wie ein politisches Start-up. Fünf Personen auf 20 Quadratmetern mit einem Telefon und einem PC.
Was beeindruckt Sie an Sebastian Kurz?
Dass er ein großartiger Chef ist und mittlerweile auch Freundschaft daraus geworden ist. Er wird nie laut, hört sich gerne die Meinung seines Teams an.
Was schätzt Herr Kurz an Ihnen?
Dass er von uns Zweien der Good Cop sein kann (lacht).
Welche Charaktereigenschaften würden Sie sich zuschreiben?
Es fällt mir schwer, mich selbst zu beurteilen, aber man muss definitiv fleißig und loyal sein. Ich bin ein freundlicher, aber bestimmter Mensch und weiß genau, was ich möchte und was nicht.
Wie dürfen wir uns einen typischen Arbeitstag bei Lisa Wieser vorstellen?
Der startet in der Früh, sobald der Wecker klingelt. Der erste Schritt ist der Griff zum Handy, um zu schauen, was sich getan hat. Danach starten wir meistens gegen 8.00 Uhr mit einer Morgenbesprechung im Büro, um den Tag und die aktuellen Themen noch einmal durchzusprechen. Dann geht es entweder weiter mit Terminen im Büro oder auswärts, weil es auf Dienstreisen geht, oder wir starten schon viel früher los, weil wir einen Bundesländertag vor uns haben. Wann der Arbeitstag wirklich genau endet, kann ich nicht sagen. Wir sind alle 24/7 erreichbar.
Das heißt, Sie sind rund um die Uhr für den Kanzler erreichbar?
Unser gesamtes Team ist quasi füreinander rund um die Uhr erreichbar, aber ja - auch für Sebastian.
Sie begleiten den Bundeskanzler auch auf Reisen? Ist ihm die Außenpolitik wichtig? Und wie werden solche Reisen vorbereitet?
Auch auf Auswärtstermine oder Bundesländer-Tage. Im Wahlkampf waren das ja richtige mehrtägige Touren durch Österreich.
Außenpolitik ist ihm seit seiner Zeit als Außenminister natürlich weiterhin sehr wichtig - um international einen positiven Beitrag zu leisten und Österreich auch wieder zu einem wichtigen Ort des Dialogs zu machen.
Meine Kollegin Barbara Kaudel Jensen ist die außenpolitische Beraterin. Gemeinsam werden die nächsten Reisen definiert und sie koordiniert diese dann mit den jeweiligen Beratern (von Macron, Merkel, Putin etc.) sowie unseren Botschaften vor Ort.
Welche Begegnung im Ausland hat Sie besonders beeindruckt?
Es war keine bestimmte Begegnung. Es beeindruckt jede Begegnung mit einem Regierungschef in dem jeweiligen Gastland.
Und welche Begegnung im Inland?
Wir hatten schon tolle Besuche im Bundeskanzleramt: Arnold Schwarzenegger, Thomas Gottschalk, Lotte Tobisch ... aber es sind auch viele andere Termine, wie zum Beispiel Schulgruppen, die das erste Mal im Bundeskanzleramt sind und Sebastian persönlich kennenlernen.
Sie sind immer in Kurz' Nähe. Ist das nicht ein unglaublicher Druck, der auf Ihnen lastet – und geht das auf Kosten Ihres Privatlebens?
Ich glaube, jeder hat in seinem Job den Anspruch, alles richtig und perfekt zu machen. Außerdem sehe ich meinen Job schon lange nicht mehr als Job. Wir sind alle auch Freunde geworden und wollen füreinander immer nur das Beste. Man benötigt natürlich ein gutes Zeitmanagement. Mein Mann arbeitet aber selbst auch sehr viel und hat daher vollstes Verständnis für meinen Job.
Ihr Job erfordert ein hohes Maß an Diskretion. Bleiben Sie auch bei hartnäckigen Fragen aus dem Bekannten- und Freundeskreis standhaft?
Meine Freunde und Familie wissen, wenn wir Zeit miteinander verbringen, dann schalte ich auch gerne einmal ab und da versuchen wir alle beruflichen Themen zu vermeiden. Aber natürlich ist Diskretion eine der wichtigsten Eigenschaften, die man in so einem Job mitbringen muss.
Sie arbeiten schon lange für und mit Herrn Kurz. Wie sehr hat er sich über die Jahre verändert?
Im Wesentlichen nicht wirklich - wir alle sind nur mittlerweile fast zehn Jahre älter und haben dort oder da eine Falte bekommen (lacht).
Haben Sie Herrn Kurz jemals ratlos oder verzweifelt erlebt?
Um ehrlich zu sein, nein. Es gibt natürlich hin und wieder Themen, die wir länger diskutieren. Ihm ist die Meinung seines Teams sehr wichtig. Es kann natürlich vorkommen, dass wir auch länger diskutieren, wenn wir von vornherein unterschiedliche Ansichten haben, aber danach haben wir uns immer noch auf was Gemeinsames geeinigt.
Über was wurde im Büro zuletzt herzlich gelacht?
Wir lachen eigentlich jeden Tag über irgendetwas, aber so richtig herzlich haben wir zu Weihnachten gelacht, als wir uns einen Abend Zeit genommen haben, um unsere Wichtelgeschenke zu verteilen. Es gab Glühwein und Kekse und jeder musste sein Geschenk vorab auf den Tisch legen, damit keiner errät, wer wen hatte. Es gab großartige Geschenke und man hat definitiv daran erkannt, wie gut wir uns schon alle kennen.
Geben Sie uns einen Einblick in das Büro des Kanzlers. Hat Herr Kurz Fotos auf seinem Schreibtisch stehen?
Das Büro ist immer aufgeräumt. Eine Mischung aus alt und neu. Vereinzelt findet man auch Erinnerungen an den Wahlkampf wieder.
Man sieht in seinem Büro einen Stehtisch und einen Besprechungstisch, auf dem eigentlich gearbeitet wird. Er sitzt einmal am Kopfende und dann auch wieder mittendrin.
Ein Sofa mit zwei Sesseln dient für Vier-Augen-Termine oder Staatsgäste und darüber hängt der großartige türkise Nitsch. Neben zwei Bildern von Kreisky und Figl hängt auch ein Kreuz in seinem Büro.
Ganz ehrlich: Ist der Schreibtisch immer aufgeräumt?
Ja, immer.
Was muss immer im Büro vorhanden sein?
Der Vorrat an Süßigkeiten muss für uns alle immer aufgefüllt sein.
Bemerken Sie gleich in der Früh, ob der Chef einen guten oder schlechten Tag hat?
Ich habe Sebastian in den letzten neun Jahren noch nie wirklich schlecht gelaunt erlebt. Es gab aber natürlich im letzten Jahr einige Tage, die für uns alle herausfordernd waren. Der Tag, an dem das Ibiza-Video veröffentlicht wurde, die Abwahl aus dem Parlament oder der Wahlkampf.
Was für ein Chef ist Herr Kurz überhaupt?
Ein Chef, der die Stärken seiner Mitarbeiter erkennt, fordert und fördert.
Auf was kann man im tagespolitischen Geschäft getrost verzichten?
Unwahrheiten!
Ihr Job ist mit viel Stress verbunden – wie tanken Sie Energie?
Unterschiedlich: Ich betreibe seit einem Jahr mindestens zwei bis drei Mal pro Woche an den Randzeiten Sport beim Skillbeast. Ich bin überzeugt davon, dass mir die Art von Sport auch im letzten Jahr sehr viel Energie gegeben hat.
Wenn Sie nicht in der Politik tätig wären, wären Sie ...
... um einige tolle Erfahrungen ärmer, nicht die Büroleiterin des Bundeskanzlers und wahrscheinlich hätte ich mehr Freizeit.