Starwinzer Leo Hillinger hat eine schwere Covid-19-Infektion überstanden, wehrt sich gegen Gerüchte im Internet und hat kein Verständnis für Anti-Corona-Demonstranten. Trotz Krise bleibt er geschäftlich umtriebig und wird als Start-up-Finanzier bald wieder am TV-Schirm zu sehen sein.
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Herr Hillinger, auf Social Media kursierten zuletzt Gerüchte, Sie hätten das südafrikanische Virus im Privatjet nach Österreich eingeschleppt und in Kapstadt mit österreichischen Hoteliers gefeiert. Was ist da dran?
Gar nichts. Mich macht es traurig, wenn die Leute so etwas von mir glauben. Zum Beispiel, dass ich mit einem Privatjet unterwegs bin. Das würde Unsummen kosten. Selbst wenn ich das Geld hätte -ich bin ein normaler Weinbauer und nicht größenwahnsinnig. Ich fliege immer mit der AUA, mit der wir seit Jahren eine sehr gute geschäftliche Beziehung pflegen. Das kann ich auch mit meinem Boarding- Pass belegen. Und außerdem ist das südafrikanische Virus laut der Tiroler Gesundheitsbehörde das erste Mal am 23. Dezember im Krankenhaus Schwaz entdeckt worden.
Wann kamen Sie zurück?
Mein Flug war für den 23. Dezember gebucht, den konnte ich aber nicht nehmen, weil ich noch krank war und keinen negativen Befund vorweisen konnte. Trotzdem gab es ein derartiges Mobbing im Netz, ohne dass die Gerüchte irgendwie hinterfragt wurden. Ich finde das furchtbar und schockierend. Im Internet kann jemand so von einer Minute auf die andere umgebracht werden. Ich bin dann erst am 29. Dezember, nachdem ich genesen war, zurückgeflogen. Weihnachten habe ich von meiner Wohnung in Bloubergstrand aus mit meiner Familie im Burgenland über Facetime gefeiert. Am 30. Dezember in der Früh bin ich in Wien gelandet und sofort nochmals zum PCR-Test und habe meine Antikörper untersuchen lassen.
Und was ist mit der Party mit österreichischen Hoteliers?
Das ist ebenfalls nicht wahr, das ist alles erlogen. Das Einzige, das stimmt, ist mein Name. Mit den Hoteliers hatte ich nichts zu tun, die habe ich weder getroffen, noch war ich mit ihnen Golf spielen. Mit dem Golfen habe ich schon 1997 aufgehört - und zu Silvester war ich bereits wieder in Österreich bei meiner Frau. In Südafrika gehe ich nicht einmal auswärts essen, ich brauche in meinem Alter keine Partys, sondern mache mir lieber zu Hause eine Flasche Wein auf und lese ein gutes Buch. Hier habe ich die Zeit dafür. Sonst verbringe ich meine Zeit fast ausschließlich auf dem Weingut, bin bei der Lese bzw. den Vorbereitungen dazu oder mache Verkostungen. Bei solchen Anlässen wird den Anwesenden -Mitarbeitern, Winemakers usw. - zuerst Fieber gemessen, dann müssen sie die Hände desinfizieren, und dann werden alle getestet. Allein momentan habe ich 200 Tests bei mir.
Wie schwer war Ihre Corona-Erkrankung?
Ich habe bei meiner Infektion wirklich viel mitgemacht: Ab 10. Dezember ging es mir 14 Tage lang sehr schlecht, ich hatte 40 Grad Fieber und schwere Depressionen, eine komplette, unvorstellbare Lustlosigkeit. Normalerweise stehe ich auf und schlage der Welt drei Löcher heraus. Das passierte alles kurz nach einer Schulter-OP wegen eines Radunfalls. Ich hatte eine schwere Lungenentzündung. Bei einer CT hat sich danach herausgestellt, dass meine Lunge zu 60 Prozent vernarbt war. Das Schlimmste für mich war aber, dass ein Freund von mir aus Österreich, der sich kurz vor mir infiziert hatte, verstorben ist. Der war ein Jahr jünger als ich und ist mit 52 verstorben. Das war sehr traurig.
Wissen Sie, wo bzw. wie Sie sich angesteckt haben?
Das kann ich nicht sagen. Auch nicht, mit welcher Variante. Wir waren immer extrem vorsichtig. Möglicherweise bei einer Türschnalle, weil ich vielleicht einmal beim Händedesinfizieren nicht sorgfältig genug war, oder möglicherweise auch im Spital.
Wie ist Ihre Familie damit umgegangen bzw. war die auch infiziert?
Bei mir in der Familie war glücklicherweise niemand erkrankt. Während meiner schweren Zeit in Südafrika hatten wir regelmäßigen telefonischen Kontakt, was mir sehr geholfen hat.
Und jetzt sind Sie wieder in Südafrika?
Ja, seit Ende Jänner, um bei der Weinlese dabei zu sein. Diesmal bin ich mit der Lufthansa via Frankfurt geflogen -und natürlich mit einem PCR-Test und obwohl ich rekordverdächtig hohe Antikörperwerte habe, wie festgestellt wurde. Insgesamt verbringe ich jedes Jahr zwei bis drei Monate hier.
Sind die Nachwirkungen jetzt wieder weg? Können Sie so sporteln wie früher?
Gott sei Dank habe ich keine Nachwirkungen. Meine Antikörperwerte sind seit der Erkrankung aber sogar gestiegen, das heißt, mein Körper wehrt sich noch immer. Mein Geschmacks-und mein Geruchssinn sind auch wiederhergestellt. Dass ich nichts schmecken konnte, war für mich das Härteste, als Winzer eine Katastrophe. Ich habe mir das vorher nicht vorstellen können. Und ich habe in 14 Tagen zwölf Kilo abgenommen, von 97 auf 85 Kilo. Ich konnte einfach nichts essen oder trinken.
Wie war die ärztliche Betreuung?
Ich habe hier viele Ärzte als Freunde, somit war ich in guten Händen. Insgesamt ist die ärztliche Versorgung in Südafrika ausgesprochen gut - vorausgesetzt, man ist privat versichert. Die Gesundheit sollte einem aber auch was wert sein.
Und wie ist die Lage derzeit vor Ort?
Gut. Die Infektionszahlen sind offensichtlich wieder stark gesunken, weshalb in den Lokalen auch wieder Alkohol ausgeschenkt werden darf. Handel und viele Geschäft waren ja die gesamte Zeit geöffnet. Ich habe den Eindruck, dass die Südafrikaner trotz eines massiven Ausbruchs relativ cool reagiert und viele die Krankheit schon hinter sich haben. Wirtschaftlich ist die Lage natürlich sehr schwierig. Leute, die in Kurzarbeit sind, bekommen nur acht Prozent ihres Lohns oder oft auch gar nichts. Die Pandemie trifft viele sehr hart.
Wie sehen Sie eigentlich das Corona-Krisenmanagement Österreichs? Viele Menschen sind der Maßnahmen der Regierung schon überdrüssig.
Also ich halte es für unverantwortlich, wenn 10.000 Menschen ohne Masken dagegen protestieren. Das ist unverständlich -auch dass sie das dürfen. Wenn man so einen Krankheitsverlauf wie ich hatte oder jemand aus der Verwandtschaft oder dem näheren Bekanntenkreis daran stirbt, wacht man einmal auf. Es ist furchtbar, wenn jemand so eine Krankheit ignoriert. Das ist alles nicht lustig. Corona ist definitiv keine Grippe.
Die Maßnahmen sind also nicht zu streng?
Wer will die Verantwortung dafür übernehmen, wenn alles wieder geöffnet wird und die Infektionszahlen in die Höhe schnellen? Wollen Sie das? Ich bin Gott sei Dank kein Politiker und möchte das auch nicht sein. Ich stelle es mir extrem schwierig vor, in so einem Fall die Verantwortung über Menschenleben zu übernahmen. Und jetzt wird auch noch eine richtige Wirtschaftskrise kommen. Das wird sehr schwierig.
Wie läuft es im Moment bei Ihnen wirtschaftlich?
Mir fehlt leider die Wintersaison, weil Restaurants, Bars und Hotels geschlossen haben -die machen einen Großteil unseres Geschäfts aus. Im Weingut Hillinger bewirtschaften wir 100 Hektar Rebflächen in der Region Leithaberg, seit 2010 vollständig biologisch. Dazu kommt noch meine Schiene Flat Lake, die über Hofer vertrieben wird. Da handelt es sich aber nicht um meine Trauben, sondern um eine Zusammenarbeit mit jungen österreichischen Winzern und mit Genossenschaften. Natürlich hat die derzeitige Situation unser Weinbusiness nachhaltig verändert. Wir haben Gott sei Dank eine sehr breite und unheimlich treue Kundschaft und viele verlässliche und innovative Partner.
Sie haben rund 70 Mitarbeiter. Wie geht es denen?
Das Erste, was ich zu ihnen beim ersten Lockdown gesagt habe, war: Eines verspreche ich euch, ich kündige niemanden. Und wenn ich Tag und Nacht arbeiten muss. Für mich ist es das Wichtigste, dass die Mitarbeiter und ihre Familien überleben können. Ohne sie kann ich meinen Betrieb nicht führen. Es gibt bei mir auch kaum Kurzarbeit, nur in meinen Weinbars. Ich habe meinen Betrieb ja von null weg aufgebaut, mir seit Langem Rücklagen aufgebaut und für mich selbst nur wenig ausgegeben. Ich bin seit acht Jahren schuldenfrei und kann deshalb diese Situation jetzt auch aushalten.
Sind Sie an Constantia Glen, dem Weingut in Kapstadt, eigentlich beteiligt?
Nein. Eigentümer ist Alexander Waibel, ein Vorarlberger, dessen Familie aus der Textilbranche kommt (Mäser, Anm.). Ich suche mir nur die Trauben aus, helfe bei der Lese und stelle daraus zwei Weine her -einen weißen und einen roten, einen Constantia Hill White und einen Constantia Hill Red. Das sind 30.000 Flaschen, die vor allem über unsere Homepage in Österreich, Deutschland und der Schweiz vertrieben werden. Constantia Glen selbst produziert rund 100.000 Flaschen eigenen Wein.
Wie kam es zum Kontakt?
Wir sind einander von Wein-&- Co-Gründer Heinz Kammerer bei einer Verkostung vorgestellt worden. Wir haben uns dann angefreundet und später beschlossen, zusammenzuarbeiten -nach dem Motto: Wir müssen nicht, können aber. Mittlerweile sind auch unsere Familien eng befreundet.
Viele kennen Sie von der Start-up-Show "2 Minuten 2 Millionen". Sind Sie nicht mehr dabei?
Doch, aber nicht mehr so intensiv wie früher. Ende Februar kehre ich wieder nach Österreich zurück, und dann starten im März die Aufzeichnungen für die nächste Staffel. Einige meiner kleineren Firmenbeteiligungen sind ja darüber zustande gekommen.
Sie sind ja nicht nur Winzer, sondern unternehmerisch ausgesprochen umtriebig.
Ja, das sind insgesamt rund 25 Firmen. Zum Beispiel ein Fahrradgeschäft, Bike the Lake, der Verleih Ibike-Box oder die Hillcont Raumsysteme, mit denen wir Tiny Houses produzieren oder auch Container für Baufirmen. Das Fahrradgeschäft läuft derzeit unwahrscheinlich gut, das boomt. Wir haben ein Plus von 50 Prozent, es könnte aber leicht mehr sein, wenn wir nicht zwischendurch geschlossen wären. Außerdem bekommen wir den Nachschub nicht. Die Hillinger Cosmetics, zu der ich ebenfalls über "2 Minuten 2 Millionen" gekommen bin, läuft auch sehr gut: Da wurden die bisherigen Partner mittlerweile hinausgekauft.
Ist Ihnen fad oder sind Sie ein Getriebener?
Ich habe einfach Ideen, die ich umsetzen möchte. Die Leute denken wahrscheinlich, ich liege hier in Südafrika in der Sonne - aber davon kann keine Rede sein. Ich habe jeden Tag Telefonkonferenzen. Um fünf Uhr in der Früh setze ich mich auf mein Rennrad, das ist ein Fixtermin. Da fahr ich zum Weingut oder unternehme eine Tour - so zwei, drei Stunden täglich, um mich fit zu halten. Dann muss ich noch zur Physio wegen meiner Schulter und sonst wird gearbeitet.
Wie sehen Ihre Hoffnungen für 2021 aus?
Meine größte Hoffnung ist, dass so schnell wie möglich geimpft wird und es danach eine Herdenimmunität gibt. Solange das nicht der Fall ist, wird es ein Auf und Ab geben. Ich hoffe sehr, dass die möglichen Öffnungen gut gehen, fürchte aber, dass es wieder einen Lockdown geben könnte.
ZUR PERSON
Leo Hillinger Der Burgenländer, 53, ist verheiratet und hat zwei Kinder (16 und 18). Sein mittlerweile sehr bekanntes Weingut hat er von seinem Vater übernommen und es zu einem der größten privaten Weingüter Österreichs ausgebaut -auch dank seiner Marketingbegabung. Mit rund 70 Mitarbeitern werden 100 Hektar Rebfläche vollständig biologisch bewirtschaftet. Zudem produziert er in seinem südafrikanischen Partnerbetrieb Constantia Glen zwei spezielle Weine. Erfolgreich ist Hillinger auch mit seiner Flat-Lake- Serie für die Handelskette Hofer und mit einer Reihe von Firmenbeteiligungen. Einem breiten Publikum bekannt ist er als Investor bei der Start-up-Show "2 Minuten 2 Millionen" des TV-Senders Puls 4.