Es gibt wohl kaum einen Österreicher, der im Fußball mehr erlebt hat als Jürgen Werner, national wie international. Er war Spieler der österreichischen Nationalmannschaft, Geschäftsführer des Linzer Bundesligaklubs Voest, Gründer und Mehrheitsgesellschafter der internationalen Spielervermittlungsagentur Stars &Friends, die eine dreistellige Zahl an weltweit bekannten Kickern betreute, und kehrte vor einigen Jahren wieder zu seinen Wurzeln zurück, um den dahindümpelnden Traditionsklub LASK aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken und zu neuen europäischen Höhenflügen zu führen.
Jürgen Werner, 59, studierter Betriebswirt, weiß also nur zu gut, wie der Hase im Fußball läuft. Und trotzdem hat er im Verbund mit verwegenen Vertrauten mutmaßlich vieles getan, was der Fußballgott längst verboten hat. Das legen vertrauliche Dokumente nahe, die News vorliegen. Jürgen Werner hat nämlich diskrete Deals mit Transferrechten abgewickelt, und zwar mutmaßlich auch nach 2015 noch, als diese vom Fußballweltverband (FIFA) und dem Österreichischen Fußballbund (ÖFB) längst ausdrücklich untersagt waren.
Er hat seinen LASK offenbar als Vehikel benutzt, um von den Verbänden dem Vernehmen nach verbotene Geschäfte zu machen: Laut einer Aufstellung aus dem Jahr 2017 und weiteren vertraulichen Urkunden aus späteren Jahren war Jürgen Werner entweder zur Gänze oder zumindest teilweise wirtschaftlicher Eigentümer der Transferrechte von mehr als 40 LASK-Spielern. Jürgen Werner fungierte also irgendwie als Hansdampf in allen Linzer Fußballgassen, als eilige, vielleicht auch scheinheilige Dreifaltigkeit: als Spielermanager seiner Stars & Friends, als Berater und Sportvorstand des LASK und als geschäftsführender Gesellschafter einer Investmentfirma, über die diese schmutzigen Beteiligungen an den Rechten der Profikicker abgewickelt wurden.
Hinter der Fassade des Vereins
Eines steht fest: Jürgen Werner &Friends haben - gut getarnt hinter der Fassade ihres aufstrebenden Bundesliga-Vereins, der offiziell alle Transferrechte halten muss - beeindruckende Profite gemacht. Aufgrund der Dokumente, die News vorliegen, lässt sich errechnen, dass Werners Investmentfirma in den letzten Jahren einen Erlös von mutmaßlich mehr als vier Millionen Euro aus Transfereinnahmen an LASK-Spielern erzielt haben muss. Erlöse, die aufgrund der klaren Vorschriften von ÖFB und FIFA eigentlich ausschließlich der LASK als Inhaber der Transferrechte erzielen hätte dürfen. Wo immer dieses Geld am Ende dann gelandet sein mag -ganz offensichtlich nicht beim LASK.
Alles begann im Jahr 2009. Damals gründet Jürgen Werner mit seinem Partner Manfred Schill die IFI GmbH mit Sitz in Wels. IFI steht für International Football Investments, Gesellschafter ist die Stars & Friends Holding, ebenfalls in Wels, in der Werner und Schill gleichfalls als Geschäftsführer fungieren. Einziger Geschäftszweck der International Football Investments GmbH: Erwerb und Veräußerung von Transferrechten.
Im Frühjahr 2015 ändert die FIFA allerdings die Spielregeln und versetzt Werners Geschäftsmodell einen schweren Schlag: Ab sofort ist das Spiel mit den Spielern untersagt, Dritte dürfen keine Transferrechte mehr an Fußballspielern erwerben. Ziel dieser Regelung: Alle Rechte an den Kickern müssen fortan ausschließlich beim Verein liegen. Einflussnahmen von Investoren auf Transfers sollen zurückgedrängt werden. Das soll für Transparenz sorgen, die Integrität des Sports stärken und dubiose Deals auf dem Rücken von Spielern und Vereinen verhindern. Der Geschäftszweck von Werners Investmentgesellschaft ist damit eigentlich obsolet, weil ab sofort verboten, per 1. Mai 2015 bestehende Beteiligungsverträge von Investoren müssen offengelegt werden.
Die Übernahme
Dazu muss man wissen: Transferrechte an Spielern sind eigentlich Schimäre. Einen Spieler kauft man nicht am Sklavenmarkt, sondern am Transfermarkt. Ein Kicker hat auch keinen Typenschein. Ein Fußballprofi besitzt bei einem Verein einen befristeten Arbeitsvertrag und wird vom Arbeitgeber beim jeweiligen nationalen Fußballverband gemeldet. Der Verein kann einen bei ihm gemeldeten Spieler dann verleihen oder verkaufen. Dafür bekommt der Klub als Arbeitgeber eine Leihgebühr oder einen Verkaufserlös.
Was macht bei dieser Sachlage ein findiger Fußballmanager, wenn absehbar ist, dass der Abschluss von Verträgen zwischen Investoren und Vereinen über Transferrechte verboten wird? Er übernimmt - gemeinsam mit Gleichgesinnten -ganz einfach einen Verein. Es traf sich also gut, dass in Linz ein Traditionsklub darniederlag und wachgeküsst werden wollte. Gemeinsam mit einem Steuerberater namens Siegmund Gruber, der durch die Übernahme LASK-Präsident wurde, und einigen oberösterreichischen Geschäftsleuten, denen es um ihren Herzensverein ging, wurde der LASK gekauft.
Beim LASK, bei dem Jürgen Werner und Manfred Schill seit Jahren wesentliche Funktionen innehaben, wurden nach der Übernahme des Vereins durch Werner, Gruber, Schill und Co. die strengen Regeln von FIFA und ÖFB mutmaßlich konsequent ignoriert. Auch nach der Ächtung durch die FIFA im Jahr 2015 hat die IFI laut News-vorliegenden Unterlagen gute Geschäfte mit Fußballern gemacht, die offiziell zwar beim LASK gemeldet waren, inoffiziell jedoch zu 50, teilweise sogar zu 100 Prozent der IFI von Werner und Co. gehörten. Dem Vernehmen gab es Verträge zwischen dem LASK, bei dem Werner und Schill Funktionen hatten, und der IFI, die von Werner und Schill kontrolliert wurde, in denen auch nach dem Verbot durch die Verbände Beteiligungsrechte an Transfers eingeräumt wurden. Es stellt sich die Frage, wer diese Verträge für den LASK unterschrieben hat. Der damalige Sportvorstand und heutige Vizepräsident Jürgen Werner, der damit die Transferrechte an den LASK-Spielern dem Investor Jürgen Werner abgetreten hat? Eines ist klar: Der Bundesliga gegenüber, die alle Vereine jährlich einem strengen Lizenzverfahren unterzieht, müssen solche Verträge verheimlicht worden sein. Denn alle diese Transferrechte von "Drittparteien", wie es ÖFB und FIFA nennen, darf es offiziell gar nicht mehr geben.
Mehr noch: Die IFI von Jürgen Werner hat laut den Unterlagen, die News vorliegen, die inoffiziellen Transferrechte weiterverkauft. Werner schnürte sogenannte "Spielerpakete" und verhökerte Prozente an diesen Paketen weiter.
Das System LASK
Besonders plakativ lässt sich das System LASK an einzelnen Spielertransfers dokumentieren, zu denen News entsprechende Unterlagen vorliegen: Der Brasilianer Joao Victor wechselte am 21. Juli 2017 von Kapfenberg nach Linz. Am 1. Juli 2019 wurde der Stürmer vom zuständigen LASK-Vorstand Jürgen Werner an den deutschen Bundesliga-Klub Wolfsburg verkauft. Der Anteil von Jürgen Werners IFI an diesem Transfer -an den wachsamen Augen der FIFA, des ÖFB und der Bundesliga vorbei -betrug 2,5 Millionen Euro.
Spannend erscheint auch der Transfer-Fall Otavio Paulo: An den Rechten dieses Spielers, der am 1. Juli 2016 beim LASK angemeldet worden war, sicherte sich die IFI 50 Prozent. Der Einsatz der Investoren: 250.000 Euro. Ein gutes Geschäft. Denn Otavio Paulo wurde am 24. Juli 2017 verkauft. An den TSV Ingolstadt. Für 1,35 Millionen Euro.
Die Transfers der Spieler Pervan und Bruno brachten der Investmentgesellschaft des Spielerberaters und Vereinsoffiziellen Werner in Personalunion insgesamt mehr als 800.000 Euro.
Auf den Listen von Werners IFI finden sich weitere interessante Spieler, an denen Beteiligungen dokumentiert sind. Darunter Akteure, die noch immer beim LASK aktiv sind, etwa Peter Michorl (100 Prozent), Reinhold Ranftl (50 Prozent), Christian Ramsebner (100 Prozent), Philipp Wiesinger (100 Prozent) und Marko Raguz (100 Prozent). Die IFI war bis Oktober 2019 im österreichischen Firmenbuch eingetragen, ihr Geschäftsmodell wurde offenbar von einer Schweizer Aktiengesellschaft übernommen, die seither die Beteiligungen an Transferrechten von "Spielerpaketen" des LASK vertreibt. Verwaltungsrat dieser diskreten Gesellschaft ist jener deutsche Anwalt, der Werners Stars-&-Friends-Agentur über viele Jahre vertreten hat.
Jürgen Werner teilt zu den Vorwürfen in einer schriftlichen Stellungnahme mit: "Ich halte fest, dass aktuell weder ich noch irgendeine Firma wirtschaftlicher Eigentümer eines LASK-Spielers ist. Sämtliche Transferrechte aller Spieler des LASK liegen beim LASK." Die IF GmbH habe lediglich die branchenübliche Vermittlungsprovision für Otavio und Dovedan an den LASK verrechnet. Mit Transferrechten hätten diese Provisionen nichts zu tun.
Die laut den Regelhütern verbotene Geschäftemacherei mit Transferrechten dürfte nach der Übernahme des LASK durch Werner und Gruber sogar noch um eine ziemlich dreiste Facette erweitert worden sein: Dem Vernehmen nach hat der Spielervermittler und Transferrechte- Investor Jürgen Werner seine Position als Sportvorstand und später Vizepräsident des LASK dazu benutzt, Spieler offiziell beim LASK zu melden, sie dort aber nur durchzuschleusen und mittels Leihverträgen bei anderen Vereinen zu parken. Wenn sich solche Spieler sportlich entwickeln, werden sie -offiziell natürlich vom Stammverein LASK - verkauft. Anzunehmen ist freilich, dass der Transfererlös zur Gänze oder teilweise beim tatsächlichen Eigentümer der Transferrechte landet, der bei diesem - verbandsrechtlich selbstverständlich streng verbotenen -Geschäft diskret im Hintergrund bleibt.
Wundersame Wandlung
In der überschaubaren österreichischen Fußballbranche blieben die Umtriebe der LASK-Machthaber nicht unbemerkt. Kaum jemand nahm Jürgen Werner die Wandlung vom Spielerberater-Saulus zum Vereinsfunktionär-Paulus ab, trotz all der internationalen Erfolge der letzten Jahre, die mittlerweile auch beim LASK Milch und Honig fließen und letztlich auch die Spielerwerte stetig nach oben steigen haben lassen. Die sonst mit konkreten Zahlen so zurückhaltende Bundesliga selbst gab auf der jüngsten Klubkonferenz den staunenden Klubvertretern bekannt, dass die Ausgaben für Spielerberater vom LASK im letzten Geschäftsjahr rekordverdächtige 2,5 Millionen Euro betragen. Nur zur Einordnung: Das ist mehr das Zweieinhalbfache jener Summe, die der absolute Liga-Krösus Red Bull (Jahresumsatz zuletzt rund 180 Millionen) dafür aufwendet.
Eine mögliche Erklärung für diesen ungewöhnlich hohen Aufwand wäre, dass damit die Auszahlung von Transfererlösen an die Investoren verschleiert werden sollte. Egal, ob diese von Brancheninsidern geäußerte Vermutung nun zutrifft oder nicht: Nicht nur in der Zunft der Spielerberater, sondern auch in anderen Vereinen ist das Brummen über die Art und Weise, wie die LASK-Führung agiert, immer deutlicher zu vernehmen. Dabei gilt die Branche des Fußballs ganz allgemein nicht unbedingt als Tummelplatz für Compliance-Puristen. Bereits vergangenen Saison waren dem LASK wegen der Corona-Trainingsaffäre vier Punkte in der Tabelle abgezogen worden, weil die Profis gegen die Fair-Play-Regeln verstoßen und ein gemeinsames Mannschaftstraining absolviert hatten.
Diese negativen Nachrichten kommen zur Unzeit. Der LASK ist gerade dabei, ein neues Stadion zu bauen, Politik und also Öffentliche Hand zeigen sich äußerst großzügig. Vielleicht auch, weil in Oberösterreich persönliche Abhängigkeiten zwischen dem Fußballverein und dem politmedialen Business geschaffen wurden. Der Linzer Athletik-Sport-Klub darf auf 30 Millionen Euro an Steuergeld für das neue Stadion bauen. Dort dürfen sich dann Spieler wie Marco Raguz präsentieren, die aus der Linzer Akademie den Sprung in die Kampfmannschaft schafften. Das Land Oberösterreich fördert die Ausbildungsstätte des LASK übrigens jährlich mit einem sechsstelligen Betrag. Auf einer Spielerliste von Werners Investmentgesellschaft, die News vorliegt, scheinen sieben Fußballer auf, die in dieser mit Steuermitteln großzügig geförderten Fußballakademie ausgebildet wurden. Einer davon ist Max Ullmann, einer der besten österreichischen Linksverteidiger, der die LASK Akademie durchlief und nach seinem Durchbruch beim LASK im Juli 2019 um kolportierte 600.000 Euro zu Rapid Wien transferiert wurde. Laut News vorliegenden Unterlagen hielten Werners Investoren 100 Prozent an den Transferrechten dieses Spielers.
In Linz scheint also tatsächlich nichts mehr unmöglich. Auch nicht, dass die Steuerzahler Profite von dubiosen Möchtegern-Menschenhändlern mitfinanzieren.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (16/2021) erschienen.