Kann man sein Kind eigentlich zu viel loben? Niederländische Forscher meinen: Ja! So tendieren Kinder, die von ihren Eltern permanent in den Himmel gelobt würden, im Laufe ihres Lebens dazu, narzisstische Eigenschaften zu entwickeln. Wir fragen: Stimmt das tatsächlich? Und vor allem: Wie lobt man richtig? News bat die Kinder- und Jugendpsychologin Mag. Sabine Kainz zu Wort.
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"Loben heißt, dass man etwas, das ein Kind tut, als gut befindet", erklärt die Expertin. Gelobt werden sollte dabei stets das Bemühen des Kindes, nicht das fertige Produkt. "Es geht nicht um das perfekte Ergebnis, sondern darum, dass sich das Kind angestrengt hat. Wenn sich ein eineinhalbjähriges Kind zum Beispiel eine Strumpfhose anzuziehen versucht, mit einem Fuß schon drinnen ist, es mit dem zweiten aber noch nicht so ganz geklappt hat, dann wird der Versuch gelobt. Dann kann man sagen 'Super, mit einem Fuß bist Du schon drinnen, jetzt helf‘ ich Dir noch beim zweiten'."
Wie lobt man richtig?
Dabei gilt es immer, das Kind mit sich selbst in Relation zu setzen: "Ein Schulkind beispielsweise, das Probleme beim Schreiben hat, sollte man nicht nur bei null Fehlern loben. Hat das Kind geübt, sich angestrengt, aber trotzdem zwei Fehler, kann man sagen: 'Das hast Du gut gemacht! Das nächste Mal schaffen wir die beiden Fehler auch noch'." Dabei ist Lob nur eine Möglichkeit, das Bemühen des Kindes zu honorieren. Ein bisschen Extrazeit mit der Mama, ein Besuch im Eisgeschäft mit dem Papa, Süßigkeiten, ein kleines Geschenk oder extra Fernsehzeit, sprich alles, was dem Kind Freude bereitet, wären andere.
Aufs Loben nicht vergessen
Oft aber vergessen Eltern ihr Kind zu loben. Bei dem Schulkind etwa, das Probleme beim Schreiben hat, kann es passieren, dass der Blick nur mehr auf das gerichtet wird, was nicht funktioniert. Liefert das Kind dagegen mal ein gutes Ergebnis in diesem Bereich ab, wird dies als selbstverständlich angenommen. Hier müsse man den Eltern bewusst machen, dass man das Kind stets im Hinblick auf seine eigenen Fähigkeiten und nie im Vergleich zu denen anderer Kinder loben soll, betont Kainz. Auch wenn das Kind weniger schafft als andere – solange es sich bemüht und Fortschritte macht, ist Lob angebracht.
Wie viel Lob ist zu viel?
"Sobald man nicht mehr authentisch ist, ist es vermutlich 'zu viel' Lob", erklärt Kainz. "Wenn man jeden Schritt des Kindes mit einer positiven Konsequenz versieht, wird auch bald die Wirkung verloren gehen. Dann wird man nicht mehr ernst genommen." Außerdem: "Wenn das Kind ständig nur hört, wie gut es alles macht, wird ein 'Das müssen wir aber noch üben' vermutlich untergehen. Denn alles, was hängen bleibt, wird sein: 'Ich bin super, ich kann eh schon alles'." Wichtig aber ist, dass das Kind sich richtig einzuschätzen lernt. Und das geht eben nur über authentische, realitätsgetreue Rückmeldungen.
Was gelobt werden sollte
Ein anderer Fehler, den man beim Loben machen kann, ist Persönlichkeitseigenschaften des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen. "Man kann schon auch mal eine Persönlichkeitseigenschaft loben, etwa wenn ein Kind sich anderen gegenüber gut durchsetzt. Das hat den Vorteil, dass das Kind weiß, wie es bei anderen ankommt." Doch sollte man damit nicht übertreiben, denn "für seine Persönlichkeitseigenschaften kann das Kind ja eigentlich nicht viel, die hat es, salopp formuliert, so mitbekommen", so die Expertin. Anders bei Handlungen, bei denen sich das Kind wirklich bemühen kann.
Begünstigt zu viel Lob Narzissmus?
Auf die Frage, ob ein Übermaß an Lob Narzissmus fördere, reagiert Kainz mit einem Lachen. "Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist eine Persönlichkeitsstörung. Als solche hat sie immer einen genetischen Anteil. In der Regel schafft man sie daher nicht zu generieren, indem man zu viel lobt", entwarnt die Kinder- und Jugendpsychologin. Was aber passieren kann, ist dass sich das Kind überschätzt, was bei den Gleichaltrigen nicht unbedingt gut ankommt. "Da bekommt das Kind schon mal ein 'Du bist blöd, mit Dir spiel‘ ich nicht mehr' zu hören." Wobei auch hier gilt: Nur authentische Rückmeldungen helfen dem Kind dabei, sich und seine Fähigkeiten richtig einzuschätzen.
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Woher weiß ich, was richtig ist?
Zum Abschluss noch ein Tipp von der Expertin: "Wichtig ist es, beim Loben authentisch zu bleiben. Legen Sie das pädagogische Lehrbuch beiseite und verlassen Sie sich auf Ihr Gefühl. Denn viel wirkungsvoller als Lob, das man sich vorher überlegt und rigoros einplant, ist solches, das spontan aus dem Bauch herauskommt."
Die Studie über den Zusammenhang zwischen Lob und der Entwicklung von Narzissmus wurde im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) veröffentlicht.