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Erika Pluhar und Ignaz Pluhar:Gespräche von Fenster zu Fenster

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©Ernst Kainerstorfer/VGN
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Die "Jungen" halten für die "Älteren" die Welt an, heißt es. Wie erleben Erika Pluhar und ihr Enkel Ignaz Pluhar die Zeit? Ängsten begegnen sie realistisch. Groß ist die Freude über Ignaz' Vaterschaft: Erika Pluhar wird Urgroßmutter!

News: Wir sind in der vierten Woche der Selbstisolation, jegliche Kontakte sind auf das Minimum reduziert. Wie geht es Ihnen damit?
Erika Pluhar:
Wir leben zwar quasi Haus an Haus -Ignaz mit seiner Lebensgefährtin, ich mit Haushälterin -, aber wir haben schon immer, und gerade deswegen, Distanz gepflegt: Sich anmelden, ehe man einander besucht. Nie auf den Bereich des Anderen losstürzen. Einander lassen können. Das machen wir jetzt noch konsequenter. Wir telefonieren und führen Gespräche von Fenster zu Fenster.

Ignaz Pluhar: Wir sehen einander nicht mehr täglich, und wenn, dann nur mit nötigem Sicherheitsabstand, und das fühlt sich noch seltsam an. Dafür sind unsere Telefonate länger.

Worüber sprechen Sie dann?
Ignaz Pluhar:
Ich frage sie, wie ihr Tag bis dahin war, erzähle ihr von meinem. Positives wie Negatives. Frage, ob ich ihr etwas aus dem Supermarkt oder der Apotheke mitbringen kann. Dann reden wir über die Corona-Nachrichten des Tages , was leider immer mehr Zeit beansprucht. Am Ende wünschen wir uns gegenseitig einen schönen Tag oder Abend.

Viele haben Mühe, ihre Eltern zum Daheimbleiben zu bewegen. Gab es Punkte in dieser neuen Lebenssituation, in denen es für Sie schwierig war, sich zu einigen?
Erika Pluhar:
Nein, denn wir haben Übung darin.

Ignaz Pluhar: Wenn es um unsere Gesundheit und unsere Zukunft geht, sind wir fast immer einer Meinung.

Isolation, geschlossene Geschäfte, Maskenpflicht, Homeoffice, Schulen gesperrt, Sicherheitsabstand: Halten Sie die Maßnahmen für übertrieben?
Erika Pluhar: Finde ich nicht. Man sieht ja die Zustände in Italien oder in den USA. Ich hoffe auch, dass der Druck der Wirtschaft die Regierung nicht dazu bringt, die Maßnahmen zu früh wieder zu lockern.

Ignaz Pluhar: Hätte man früher reagiert, wäre es nicht so weit gekommen. Man sieht an anderen Ländern auch, was noch frühere Maßnahmen bewirkt hätten.

In einer guten Gesellschaft sollte immer auf die Schwachen und Bedürftigen geachtet werden

Wie groß war für Sie die Umstellung im Alltag?
Erika Pluhar:
Ich lebe, wie man so sagt, "meinem Alter gemäß". Es wäre zwar schon ganz schön, vielleicht noch mal trotz meiner jetzt 81 Jahre Konzerte und Lesungen zu bestreiten - beides tat ich ja noch mit dem nötigen Elan. Aber ich schreibe -mir ohnehin das Wesentlichste in den letzten Jahren. Ignaz, mit Beruf und Freundeskreis, hat's da wohl schwerer. Ich als Oma liebe sie sogar manchmal, ehrlich gesagt, die Stille und Regelmäßigkeit dieser Tage. Kein Frisör, kein Make-up - wunderbar

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Erika Pluha und Ignaz Pluhar

© Ernst Kainerstorfer /VGN

Ignaz Pluhar: Es fordert Disziplin, Durchhaltevermögen und Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft. Beruflich und privat gab es natürlich eine immense Umstellung. Es ist sehr ungewohnt, den sozialen Kontakt nicht so zu pflegen, wie man es gewohnt ist. Freunde treffen, Essen gehen oder die Natur gemeinsam genießen. Man merkt, wie gut es uns gegangen ist, und trauert schon den "guten alten Zeiten" nach.

Welche Gedanken oder Erkenntnisse ergeben sich daraus?
Ignaz Pluhar:
Dass der Mensch hoffentlich lernt, mehr auf sich und seine Mitmenschen zu achten. Wir sind heute einfach global vernetzt und sollten aufhören, so national zu denken wie etwa: ,Das Virus ist in China, uns wird schon nix passieren ' Dafür merke ich, wie sich die Natur erholen kann. Es wurde auch Zeit dafür!

Erika Pluhar: Für mich selbst würde ich diese Krise gerne als einen Hinweis, eine Belehrung des Menschen an sich sehen. So vieles war schon ins Unmäßige gesteigert, schädlich für die Natur, schädlich fürs Menschsein. Nur hat man schon so viel menschliche Unbelehrbarkeit erlebt aber irgendeinen Wandel wird es wohl doch herbeiführen, daran will ich glauben.

Ich passe auf, mehr nicht. Für mich gibt es nicht mehr Angst als die, die man hat, so lange man lebt

Zuletzt sorgte die "Stopp Corona App" für Diskussionen, die am Handy festhalten kann, wo man war und wen man getroffen hat. Sehen Sie - wie manche meinen - die Demokratie gefährdet?
Erika Pluhar:
Meiner Meinung nach hat sich in Österreich sogar ein einigermaßen demokratisches Gefüge zurückgebildet -gerade anhand der nötigen Gemeinsamkeit im Kampf gegen diese Krise. Ich würde eher die Opposition bitten, nicht zu schnell wieder kritisch herumzukeifen.

Ignaz Pluhar: In Österreich hoffentlich nicht!

Haben Sie manchmal auch Angst? Wie begegnen Sie Sorgen?
Erika Pluhar:
Ich passe auf, mehr nicht. Für mich gibt es nicht mehr Angst oder Sorgen als die, die man hat, so lange man lebt.

Ignaz Pluhar: Angst habe ich keine, da in Österreich gut auf die Pandemie reagiert worden ist. Meine Sorge gilt natürlich den Risikogruppen.

Oft wird thematisiert, dass die Jungen jetzt für die ältere Generation die Welt anhalten. Ist das fair, ist das selbstverständlich?
Ignaz Pluhar:
Da wir ein sehr gutes Verhältnis haben und die "ältere Generation" für mich ein wichtiger Teil der Gesellschaft ist, finde ich, das gehört dazu. Außerdem sollte in einer guten Gesellschaft immer auf die Schwachen und Bedürftigen geachtet werden.

Erika Pluhar: Tun die Jungen das? Finde ich nicht. Wenn man wie ich als Kind den Zweiten Weltkrieg erlebt hat, dann weiß man, wie es ausschaut, danach die Welt anzuhalten.

Birgt diese Krise langfristig mehr Potenzial für Solidarität oder könnte sie auch Gräben zwischen den Generationen aufreißen?
Erika Pluhar:
Wohl beides. Wer aber offen und ohne Vorurteil lebt, wer zwischen jung und alt nicht unterscheidet, nur zwischen Anstand und Unanständigkeit, findet sicher Solidarität. Ich selbst habe nie nur von "früher" geschwärmt und "die Jungen" gefürchtet. Modernismus und Zeitgeist - das waren und sind meine Feinde.

Ignaz Pluhar: In einer funktionierenden, halbwegs sozialen Gesellschaft sollte es eigentlich mehr Potenzial für Solidarität geben.

Der Zukunftsforscher Tristan Horx fragte sich in einem Kommentar, ob die Jungen nach der Krise nicht verstärkt ein Recht darauf hätten, in ihren Sorgen von den Älteren mehr gehört zu werden, als das bislang der Fall war. Weil etwa die junge Generation mit ihren Klimasorgen ziemlich alleingelassen wurde.
Erika Pluhar:
Da fühle ich mich zu jung, um es als Ältere zu beantworten. Mein eigenes Zitat ist seit je: "Jugend ist keine Frage des Alters." Ich teile die Sorgen der sogenannten Jungen.

Ignaz Pluhar: Ich glaube, dass es in der Klima-Frage nicht zwischen jung und alt zu differenzieren gilt. Solange die Politik nicht mitspielt, wird sich sowieso nichts ändern.

Ich freue mich sehr, dass ich Uroma werde!

Werden wir aus dieser Krise lernen?
Erika Pluhar:
Es wäre meine größte Hoffnung.

Ignaz Pluhar: Wahrscheinlich nicht -aber ich hoffe, ich werde eines Besseren belehrt.

Ihre Familie wird bald größer, Ignaz Pluhar und seine Lebensgefährtin Lena werden Eltern, Erika Pluhar wird Uroma. Hat man da auch Sorgen in einer ungewohnten Situation wie dieser? Mit welchen Gefühlen begegnen Sie dem neuen Lebensglück?
Erika Pluhar:
Ich freue mich sehr, dass ich Uroma werde! Es gibt eben Zeiten, die sind nicht die Geeignetsten, ich bin ja selbst in den Zweiten Weltkrieg hineingeboren worden. Aber ich bin überzeugt davon, dass die beiden alles gut schaffen werden. Und ich weiß, wie sehr sich meine Tochter Anna, die leider verstorben ist, über diesen Enkelsohn gefreut hätte.

Ignaz Pluhar: Sorgen mache ich mir noch keine, die Menschen haben schon zu schlimmeren Zeiten Kinder zur Welt gebracht. Natürlich hätte ich mir eine bessere Zeit vorstellen können, aber dass es einen "perfekten" Zeitpunkt gibt, glaube ich kaum.

Welche Aufgabe, welchen Stellenwert haben Künstler in derart unsicheren, chaotischen Zeiten?
Erika Pluhar:
Natürlich kämpfen viele ums Überleben, das ist schwierig und bedauerlich, Lebensgrundlagen wurden und werden zerstört. Aber es sollte keinem jetzt ums Promisein, um öffentlichen Appeal gehen. Künstler von Rang haben jetzt nur Stellenwert, wenn sie Haltung bewahren und etwas wie Vorbild sein können.

Ignaz Pluhar: Ich glaube, im Moment einfach zu "überleben", ist die wichtigste Aufgabe. Promis sollten ihren Status nutzen, um noch eindringlicher vor Corona zu warnen und beim Aufklären zu helfen. Gerade die jüngere Generation hört auf ihre Lieblingspromis oder Influencer mehr als auf die Nachrichten.

ZUR PERSON

Ignaz Pluhar kam 1984 in Wien zur Welt und absolvierte in Wien und Hamburg seine Schauspielausbildung. Er spielte an Theatern und in TV-Filmen. Mit Oma Erika Pluhar erkundete er 2011 die Westsahara, woraus die Doku "Sahara in mir" entstand. Seit 2018 ist er Produzent von Microgreens, winzigen Gemüsesorten mit hoher Nährstoffdichte. Seine Firma Herbeus Greens beliefert Gastrobetriebe wie Steirereck oder Landtmann. Pluhar lebt mit seiner Lebensgefährtin, Sozialpädagogin Lena, in Wien, die beiden erwarten ihr erstes Kind

ZUR PERSON

Erika Pluhar kam 1939 in Wien zur Welt und reüssierte zwischen 1959 und 1999 als Ensemblemitglied am Burgtheater wie auch als Filmschauspielerin. Mitte der 70er-Jahre startete sie ihre gesangliche Karriere. Seit Anfang der 80er- Jahre schrieb sie weit über 20 Bücher, zuletzt den autobiografischen Roman "Anna" über ihre 1999 verstorbene Tochter mit Udo Proksch. Mit ihrem Enkel Ignaz, Annas Adoptivsohn -den Pluhar nach deren Tod selbst adoptierte -, lebt sie Haus Haus in Wien

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr.15/20

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