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Wer den U-Ausschussam Laufen hält

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Dreizehn Abgeordnete, eine Million Aktenseiten und ein "Ibiza-Video": Im U-Ausschuss werden Postenschacher und Korruption untersucht. Ein Blick hinter die Kulissen.

Am Ende eines langen Tages im Ibiza-Ausschuss bleiben manchmal ausgerechnet jene Dinge in Erinnerung, die so nicht vorgesehen waren. Ein entnervtes Schimpfen von Stephanie Krisper (Neos) beispielsweise, das publik wurde, weil ihr Mikro noch eingeschaltet war. Sogar die Parlamentsstenografen wurden bemüht, um zu klären, dass Krispers Ausbruch die Situation insgesamt betraf und sich nicht allein auf die Verfahrensrichterin bezog, die danach zurücktrat. Aber immerhin: Damit wurde eine Berufsgruppe kurz ins Rampenlicht gehievt, die sonst im Hintergrund essenzielle Arbeit leistet. Wenn vom Bundeskanzler abwärts "Auskunftspersonen" vor dem U-Ausschuss anmarschieren, arbeiten rund 50 Leute aus der Verwaltung des Hohen Hauses im Hintergrund, schildert Heidi Neuhauser, die Leiterin der Ausschussabteilung des Parlaments.

Was passiert also, sobald der Nationalrat einen Untersuchungsausschuss beschließt? "Dann bricht kurz einmal Panik aus", scherzt Neuhauser, wobei Routine und Sachkenntnis am Ende natürlich überwiegen. Ihrer Abteilung obliegt es unter anderem, per RSb-Brief die zuständigen Stellen zur Aktenanlieferung aufzufordern. Es wird das Ausschusslokal festgelegt und mit den Fraktionen die Sitzordnung besprochen. "Wenn alle in der ersten Reihe sitzen wollen, dann stellen wir die Tische eben so auf." Experten des Innenministeriums sorgen dafür, dass der Raum abhörgeschützt ist. Die Mitarbeiter ihrer Abteilung unterstützen an den Ausschusstagen den Vorsitzenden - und sie sind auch noch für die "Corona-gerechte" Verpflegung der Anwesenden zuständig.

Für den Ibiza-Untersuchungsausschuss wurden rund eine Million Aktenseiten angeliefert, erklärt Neuhauser. Deren Geheimhaltung ist in vier Stufen klassifiziert. Bis Stufe eins (und das sind bei "Ibiza" 80 Prozent) können die Akten online durchgeackert werden. Stufe zwei kann händisch durchgeblättert und in der Aktenregistratur kopiert werden, Beratungen darüber sind nicht medienöffentlich. Bei Stufe drei stehen die Akten im Ausschusslokal für eine "geheime Sitzung" zur Verfügung, und bei Stufe vier heißt es "streng geheim". Im Parlamentsgebäude am Ring gäbe es für solche Anlässe einen eigenen Raum unter der Rampe. "Das passiert aber ganz selten", sagt Neuhauser. Aufbewahrt werden die Akten in einem Gebäude des Parlaments am Wiener Stubenring - dort lässt die Statik die entsprechenden Tresore zu.

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Florian Steininger und Katrin Nesensohn, die SPÖ-Mitarbeiter im U-Ausschuss © News/Herrgott

Die Nadel im Heuhaufen

Für besonders gelungene, hartnäckige Befragungen bekommen die Ausschussmitglieder ihre Schlagzeilen. Doch hinter ihnen steht eine Reihe von Mitarbeitern in den jeweiligen Parlamentsklubs, die die Akten durchackern. In der SPÖ arbeiten Katrin Nesensohn und Florian Steininger den Abgeordneten rund um Kai Jan Krainer zu. "Viel lesen, Dossiers zu Auskunftspersonen anlegen, die Stecknadel im Heuhaufen suchen", umreißt Nesensohn ihre Arbeit. Wobei die zuliefernden Stellen die Arbeit unterschiedlich leicht machen (wollen)."Man ist schon dankbar, wenn die Akten aus einem Ministerium mit Inhaltsverzeichnis kommen, manche schicken sie auch einfach nur so, komplett ohne Anhaltspunkte", erklärt die U-Ausschuss-Expertin. Ihr Kollege Florian Steininger sieht "unterschiedliche Kulturen: Das Justizministerium schickt seine Akten strukturiert mit niedriger Geheimhaltungsstufe. Das Innenministerium findet, dass alles geheim sein muss."

Kommen die gleichen Akten aus verschiedenen Häusern mit unterschiedlicher Klassifizierung, gilt die weniger strenge. "Wenn man weiß, w0 man suchen muss, finden sich immer die richtigen Hinweise. Aber bei manchen Ressorts hat man schon den Eindruck, es wird versucht, etwas zu verstecken." Etwa, indem man Tausende Seiten liefert, mit dem Hintergedanken, dass nicht alles gelesen werden kann.

Es ist ein bissl Detektivarbeit - ohne die bessere Staatsanwaltschaft sein zu wollen

Neugier und "ein Verständnis für Behördenabläufe" seien nötig, um die Akten richtig nützen zu können, sagt Steininger. Wenn in diesen dann der Hinweis auftaucht, dass ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka bei einem Novomatic-Besuch über Vorgänge bei den Casinos Austria gesprochen haben könnte, kommt Freude auf. "Es ist ein bissl Detektivarbeit -ohne die bessere Staatsanwaltschaft sein zu wollen." Letztendlich liege es an den Abgeordneten, dieses Wissen im richtigen Moment so einzusetzen, "dass Leute, die die Akten nicht kennen, verstehen, worum es geht. Das ist die große Kunst."

Die Schattenseiten dieses Jobs? "Fünfzig, sechzig Leute sitzen zehn, zwölf Stunden in einem Raum, die Luft ist furchtbar - das hat alle Zutaten eines Corona-Fiaskos." Da kann man schon einmal genervt sein. Vor allem, wenn sich Auskunftspersonen wie Finanzminister Gernot Blümel unwissend geben.

Bei Neos betreuen drei Mitarbeiter die Ausschussarbeit von Krisper und Ersatzmitglied Helmut Brandstätter. Neben den Juristen Hermann Dummer und Fari Ramic ist der Ex-Journalist Florian Peschl in die Akten vertieft. "Man hat einen gewissen Stress, weil man nicht derjenige sein will, der einen Akt nicht gefunden hat", erklärt Dummer. Denn: "Es geht schon auch darum, dass man unter den Fraktionen vorn dabei ist." Da heißt es: "Schnell sein, effektiv sein und Intuition haben. Es geht auch darum, Dinge in der Befragung am besten zu verwerten. Dafür braucht man ein gewisses Gespür für Inszenierung."

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Florian Peschl, Hermann Dummer und Fari Ramic betreuen den U-Ausschuss für die Neos © News/Herrgott

Wobei, räumt Ramic ein, auch Frust aufkommen kann, wenn wichtige Erkenntnisse nicht die erhoffte Aufmerksamkeit bewirken, weil sie zu komplex zu beschreiben sind. "Oft ist die beste Geschichte nicht die verwertbarste." Unmut kommt auch auf, "wenn man die tollsten Fragen vorbereitet und der Befragte behauptet, er kann sich an gar nichts erinnern", ergänzt Dummer. Ein Grund, warum Neos Liveübertragungen der Ausschusssitzungen fordern: "Ich bin überzeugt, dass sich der Bundeskanzler und der Finanzminister dann im U-Ausschuss nicht so gegeben und dieses Bild von sich gezeichnet hätten", sagt Peschl.

Bei Ibiza offenbaren die Chat-Verläufe eine unglaubliche Banalität und Dreistigkeit

Was U-Ausschuss-Profis überraschen kann? "Wie banal die Korruption war. Beim Eurofighter-Ausschuss hatte man den Eindruck, die vermeintliche Korruption läuft verdeckter ab. Bei Ibiza offenbaren die Chat-Verläufe eine unglaubliche Banalität und Dreistigkeit ohne jedes Unrechtsbewusstsein", sagt Ramic.

Jene Parteien, deren Politikern Ungemach im Ausschuss droht, neigen dazu, den Ausschuss als unsachliche Bühne der Opposition zu diskreditieren. Doch jedenfalls habe die Arbeit im Ausschuss einen Effekt, sagen die Neos-Mitarbeiter. Fari Ramic, der zuvor Peter Pilz im Eurofighter-Ausschuss unterstützt hat, meint: "Als das Innenministerium später Hubschrauber angekauft hat, ist man ganz anders vorgegangen: vorsichtiger, keine Gegengeschäfte und keine Lobbyisten." Und, sagt Dummer: "Die Sitzungsprotokolle werden auch von der Staatsanwaltschaft genau geprüft, da ist schon das eine oder andere ans Licht gekommen."

Der Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (Nr. 28/2020) erschienen.

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