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Im Herbst geht es um das Überleben des Volkstheaters

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Heinz Sichrovsky
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Der aus Dortmund abgeworbene Kay Voges verlässt Wiens drittes großes Theater im Juni 2025. Der aktuelle Zustand ist desolat. Das unbeirrbare Wollen der Kulturverwaltung braucht jetzt Kontrolle.

Im Herbst 2025 wird der Wiener Gemeinderat gewählt. Das ist der demokratische Indikativ. Und nun folgen Sie mir schaudernd in den Konjunktiv, indem Sie sich vorstellen, der Volkstheaterdirektor Kay Voges hätte ein paar Wochen vorher seine zweite Amtsperiode angetreten. Was die Opposition da dem "Steuerzahler", diesem gern gegen die Kunst in Bewegung gesetzten Mehrzweckterminator, im Wahlkampf alles mitzuteilen gehabt hätte! Sie müssen sich das vergegenwärtigen: Ein Theatermann, der das Haus vor seiner Ernennung nie von innen gesehen hat, wird gegen qualifizierte Bewerber in einem Willkürakt der Wiener Kulturverwaltung aus Dortmund abgeworben. Zur Begrüßung wird ihm die Jahressubvention auf 15,8 Millionen erhöht. Mit dieser Summe, die höher ist als die Aufwendung der Republik für den gesamten Literaturbereich, dezimiert er Besucher und Abonnenten, bis das große Haus in der Saison 2022/23 durchschnittlich zwei Wochen pro Monat geschlossen bleibt. Die beiden verbleibenden Wochen werden zur Hälfte mit Vermietungen, Pop-Konzerten und Gastspielen bestritten. Mit seinem eigenen Ensemble (die bis dato letzte Premiere war übrigens am 17. Februar 2023) bestreitet der Direktor durchschnittlich acht Abende im Monat, wobei der oberste Rang meist geschlossen bleibt. Trotz dieser Reduktion um ein Drittel der etwa 800 Plätze sind die acht Vorstellungen mehrheitlich schütter besucht, was dem Publikumsbestand einer Kleinbühne entspricht.

Wen wollte es wundern, rückte Karl Mahrer da mit Kameramann und Empörungskomparserie in einer leeren Repertoirevorstellung ein? Den Verantwortlichen wird das schon klar gewesen sein: Die Kulturstadträtin, die Voges gern gehalten hätte, wäre womöglich am Bürgermeister gescheitert. Unermesslich mag da die Erleichterung gewesen sein, als Voges seine Exilierung nach Köln mit Juni 2025 bekannt gab. Dabei hatte ein streng zweckorientiertes Multifunktionsinstrument aus immer denselben Kritikern, Funktionären und Kommissären den Hausleerer mit Triumphen aller Art überschüttet. Eine geglückte Jandl-Produktion reichte für Ehren, als wären Zadek, Strehler und Peter Brook in Personalunion niedergestiegen. Nur waren die publikumsschwer ihrer Zeit vorausgerast, statt vor 200 Personen die Berliner Volksbühne der Jahrtausendwende zu repetieren.

Mit entsprechend heißem Herzen wird jetzt mancherorts des designierten Flüchtlings gedacht: Abgesehen von seiner
künstlerischen Exzellenz (den Jandl hat übrigens nicht er inszeniert) habe Voges sogar das Budget saniert!

Aber gibt es jemanden, der das nicht zusammenbrächte, wenn er für die Anmietung von Pop-Konzerten und Kabarettabenden 15,8 Millionen verbrauchen darf? Ein Haus ohne Karteneinnahmen gar nicht erst aufzusperren und im Sinne maßvoller Kreislaufwirtschaft die Subvention zu verbrauchen, ist zudem einer der lukrativsten Vorgänge überhaupt. Kusejs Burgtheater hat es während der Pandemie vorgezeigt, das Haus schwimmt trotz mäßiger Auslastung im Geld. Die Staatsoper dagegen hatte post coronam ein Minus zu bewältigen, denn man hatte wie ums Leben der ganzen Branche mit dem ORF koproduziert. Wohingegen Kusej ein beleidigtes Buch schrieb und Voges, der Titan des Digitaltheaters, von seiner Kernkompetenz gleich ein Jahr Erholungsurlaub nahm. Die Folgen sind geläufig: Der Operndirektor bleibt bis 2030 aber Kusej ist weg, und Voges haben wir auch nicht mehr lang.

Womit ich bei der bald beginnenden Zukunft bin. Im Oktober wird wohl ausgeschrieben und im Dezember bekanntgegeben. Wird diesmal eine Findungskommission bemüht, ist scharf und vor den Augen der Öffentlichkeit auf ihre Zusammensetzung zu achten. Denn, glauben Sie es oder nicht: Die Fortsetzung der Mittelgebirgskletterpartie in die Vogesen ist alles andere als auszuschließen, gern auch weiter in Turnschuhen. Heißt: Irgendwo in der deutschen Einschicht wartet schon der nächste Voges, eventuell jünger und weiblich. Angesichts der quotengenerierten Heere an Provinzintendantinnen wird einem um das geliebte Haus angst und bang. In dieser News-Ausgabe erklären sich drei, denen man das komplizierte Vehikel seit Jahr und Tag zutraut: Gregor Bloeb ist in Telfs und Maria Happel in Reichenau glücklich. Sie wurde schon einmal übergangen und lehnt dezidiert ab. Aber Paulus Manker, der will, und wenn uns dann das Haus um die Ohren fliegt, ist das unendlich besser als die Totwidmung in eine Gastierhütte mit Internetzugang. Auch auf den brillanten Thomas Gratzer vom Rabenhof wird zu achten sein. Und zwar verbindlich, was hiemit zugesagt ist.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: sichrovsky.heinz  news.at

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