Fast schon still und heimlich haben drei Konzerne seit der letzten großen Finanzkrise 2008 an Macht gewonnen, die über Partei- und Ländergrenzen hinweg in rasantem Tempo gigantische Ausmaße angenommen hat. Spiegel-Bestsellerautor Jens Berger beschreibt in seinem neuen Buch "Wer schützt die Welt vor den Finanzkonzernen?" die heimliche Herrschaft der Finanzeliten und ihre beflissenen Gehilfen in Wirtschaft und Politik.
Wir haben uns mit dem Autor darüber unterhalten, welche Gefahren diese Entwicklung mit sich bringt und warum auch Ihre Pension davon betroffen sein könnte.
Herr Berger, wie lässt sich die Macht von Finanzkonzernen wie BlackRock an einem einfachen Beispiel für den Laien verdeutlichen?
Am besten ist es, wenn man sich diese gigantischen Zahlen ins Gedächtnis ruft. Alleine BlackRock hat fast 7 Billionen US-Dollar Vermögen unter seiner Verwaltung. Zusammen mit den Konzernen Vanguard und State Street, der weltweiten Nummer 2 und 3, sind es sogar 15 Billionen US-Dollar. Das sind 2.000 Dollar pro Kopf der Weltbevölkerung.
Man muss sich vorstellen, dass diese sogenannten Vermögensverwalter das Geld ja treuhänderisch verwalten und es hauptsächlich in Aktien und Anleihen anlegen. Über diese Vermögensverwaltung bekommen diese Konzerne eine gigantische Macht bei den großen Aktiengesellschaften, die dort zu den größten Anteilseignern gehören. Bei 88% der 500 größten Aktiengesellschaften der USA ist einer der drei genannten Finanzkonzerne größter Aktionär. In Deutschland ist BlackRock bei jedem zweiten DAX30-Unternehmen der größte Aktionär. Das ist eine unglaubliche Machtfülle, die damit einhergeht.
Was macht die Konzerne gefährlich? Von welcher Macht sprechen wir?
Die Gefährlichkeit entsteht auf verschiedenen Ebenen. Zum einen sind das kartellrechtliche Probleme, die diese Entwicklung mit sich bringt. Diese Finanzkonzerne sind sehr häufig an Unternehmen beteiligt, die eine Branche maßgeblich bestimmen.
Zum anderen besteht auch ein Lobbyismus-Problem, denn diese Vermögensverwalter werden vor allem aus Produkten der privaten Altersvorsorge gespeist, die von ihnen verwaltet werden. Daher haben sie also ein großes Interesse daran, die Politik davon zu überzeugen, die private Altersvorsorge zu stärken und die gesetzliche zu schwächen.
Welche Länder betrifft das in Europa? Ist Österreich auch davon betroffen?
Österreich betrifft das auch, generell betrifft es alle Länder. Das Ausmaß hat hauptsächlich damit was zu tun, in welchen Indizes die Aktiengesellschaften, die in den Ländern niedergelassen sind, gelistet sind. Aufgrund der Größe sind Deutschland, Frankreich und Großbritannien natürlich ganz vorne mit dabei.
Besonders Gründer Larry Fink und BlackRock stellen sich gerne als die Guten dar. Glauben sie das wirklich? Wie ist das zu bewerten?
BlackRock, Vanguard und State Street unterscheiden sich von ihrem Charakter deutlich von alten Investmentbanken wie Goldman Sachs oder Merrill Lynch, die die Wall Street geprägt haben und sehr riskant Geschäfte mit geliehenem Geld machen. Dagegen sind die Geschäfte von Larry Fink vergleichsweise risikoarm und konservativ.
Es gibt allerdinge viele Beispiele, dass die Charakterisierung „Wir sind die Guten“ doch so nicht stimmt. Das fängt bei Investitionen in die Rüstungsindustrie an; und es geht um Klimapolitik, wo BlackRock und Vanguard in ihrer Funktion als Anteilseigner keinen klimafreundlichen Einfluss ausüben, sondern ausschließlich auf die Rendite schielen und sämtliche Einflüsse, die die Gesellschaft betreffen, wissentlich ignorieren.
Zugespitzt formuliert: Wenn man eine gute Pension bekommen möchte, muss man drauf hoffen, dass viel Krieg geführt wird?
Es gibt eine alte Börsenweisheit, die besagt „Man soll kaufen, wenn die Kanonen donnern“. Leider bewahrheitet sich dieses Zitat auch in den letzten Jahren. Wenn die Altersvorsorge nur von den Renditen von Aktiengesellschaften abhängig ist, dann ist das gesamtgesellschaftlich betrachtet sicherlich ein Riesenproblem.
Das ist nicht nur die Frage von Krieg und Frieden. Man muss sich auch überlegen, womit die großen Konzerne ihre Renditen machen. Letztendlich geht es beispielsweise auch darum, dass Endkunden mehr fürs Produkt bezahlen als sie eigentlich müssen. Oder aber auch darum, dass Interessenskonflikte entstehen: Wenn Unternehmen beispielsweise Mitarbeiter entlassen, steigen die Aktienkurse. Für die Mitarbeiter, die unter Umständen sogar Altersvorsorgeprodukte der Aktionäre dieses Unternehmens haben, ist das allerdings alles andere als positiv.
Diese Konzerne entwickelten sich weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit sehr erfolgreich. Wie würde das Szenario aussehen, wenn sie nicht mehr so erfolgreich wären? Würde das genauso im Verborgenen bleiben?
Das Beispiel hatten wir in den USA schon. Da hat sich der kalifornische Pensionsfonds über BlackRock mit einigen Immobilienprojekten verspekuliert, was massiv negative Auswirkungen auf die Altersversorgungsansprüche von kalifornischen Staatsbediensteten hatte. Da wurde der Konzern dann plötzlich auch ein Thema in den Lokalmedien.
Wenn sich so ein Beispiel wiederholt, fällt der Fokus wieder auf diese Vermögensverwalter. Bislang hatten diese Firmen natürlich großes Glück, dass ihre ganze Erfolgsphase, die ungefähr mit der Finanzkrise 2008/2009 begonnen hatte, bislang noch keine nennenswerten Rückschläge erlitten hat. Aber man muss sich nur einmal die Börsenkurse der Vergangenheit anschauen um zu sehen, dass solche Phasen nicht ewig andauern.
Können diese Konzerne ihre Macht nicht auch dementsprechend schnell wieder verlieren?
Macht und in weiterer Folge Geld zu verlieren, heißt in diesem Fall, dass Kunden Gelder abziehen. Das können Privatkunden sein, das können aber auch große Pensionsfonds oder Lebensversicherungen sein. Da muss man sich die Frage stellen, welche Alternativen die privaten Altersvorsorgeunternehmen haben. Wir sprechen momentan über ein generelles Problem der privaten Altersvorsorge. Solange sie in den westlichen Industrienationen immer noch als Ergänzung oder gar Ersatz zu staatlichen Modellen betrachtet wird, sehe ich keine große Gefahr für diese Konzerne, dass sie ihre Macht verlieren.
Wäre eine Entmachtung dieser Konzerne zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll?
Man müsste sich vorher jedenfalls Alternativen ausdenken. Die von mir propagierte Alternative wäre eine Stärkung der staatlichen Altersvorsorge und generell eine Rückführung der neoliberalen Privatisierungspolitik. Sie hat die stetig fließenden Summen überhaupt erst freigemacht, die in das System BlackRock hineinfließen.
Welche Rolle spielen generell kleine Länder wie Österreich für solche Finanzkonzerne?
Nebensächlichkeiten gibt es für BlackRock nicht. Zwei Märkte, in denen der Konzern sehr stark vertreten ist, sind Neuseeland und Taiwan. Beide haben ihre Altersvorsorgemodelle ziemlich radikal privatisiert und da war BlackRock sofort zur Stelle. Zusammengenommen macht ja auch das einen stattlichen Anteil des verwalteten Vermögens aus.
In der EU, das ist ein Sonderfall, der auch Österreich betrifft, werden solche Fragen in letzter Zeit weniger auf nationalstaatlicher Ebene, sondern auf europäischer Ebene verhandelt. Da ist zum Beispiel die Rede von standardisierten Altersvorsorgeprodukten für die gesamte EU, die anders als Lebensversicherungen nicht mehr die einbezahlte Summe garantieren, also auch Verluste zulassen. Das ist für eine gesetzlich regulierte Altersvorsorge ein großes Problem. Im Falle einer Finanzkrise oder einer schlechten Weltkonjunktur kann es durchaus sein, dass Pensionisten auf einen Großteil ihrer Ansprüche verzichten müssen.
Das heißt diese Finanzkonzerne wären dementsprechend gut beraten, ihre Lobbyisten spätestens jetzt in Brüssel aufzustellen. Gibt es da schon konkrete Bestrebungen?
Ja, die gibt es. Es wird sogar massiv genau auf die Gremien und Kommissare der EU Einfluss über Lobbyisten ausgeübt, die für die Themen Finanzmärkte und Altersvorsorgeprodukte zuständig sind. Vor wenigen Jahren war BlackRock auf dem Spielfeld des Lobbyismus noch gar nicht präsent, mittlerweile hat sich das stark geändert.
Freiwillig lassen sich diese Konzerne offenbar nicht in die Karten schauen: Wie ließe sich mehr Transparenz erzwingen?
Wir stehen vor einem Paradoxon, dass die drei größten Finanzkonzerne der Welt nicht als systemrelevant gelten. Das ist keine Feinheit in der Bezeichnung, denn systemrelevante Banken haben in der EU und den USA ganz andere Transparenzanforderungen und Vorschriften. Sie müssen Daten wesentlich transparenter machen, die Aufsichtsbehörden haben stärkere Zugriffsrechte und sie müssen auch wesentlich höhere Kapitalpuffer für mögliche Verluste vorhalten. All das trifft auf die eigentlichen Giganten BlackRock, Vanguard und State Street nicht zu. Das heißt es wäre wichtig, sie als systemrelevant zu kategorisieren, weil sie es ja auch sind. Das würde schon einmal mehr Einblick verschaffen.
Kann der/die einzelne etwas gegen diese Entwicklung überhaupt etwas tun? Wer ist in der Gesellschaft gefordert?
Auf persönlicher Ebene ist es fast unmöglich, etwas dagegen zu tun. Wenn man - in welcher Form auch immer – für das Alter spart, hat man oft keine Kontrolle darüber, wo die Gelder investiert werden. Wo eine Lebensversicherung beispielsweise Geld anlegt, hat der Kunde nicht zu bestimmen und weiß es in den meisten Fällen nicht einmal.
Der Staat und der Gesetzgeber sind hier gefragt zu handeln. Das führt zum nächsten Problem: Auf nationaler Ebene zu regulieren und einzudämmen ist in der globalisierten Finanzwelt heutzutage fast schon ein Ding der Unmöglichkeit. Eine Regulierung müsste daher auf europäischer oder besser noch internationaler Ebene geschehen und da stehen die Chancen zurzeit schlechter denn je. Der vielversprechendste Ansatz wäre es daher, die laufend fließenden Mittel an diese Finanzverwalter einzudämmen. Wir stehen ja erst am Beginn einer Entwicklung und noch lange nicht am Ende.
Zur Person: Jens Berger ist freier Journalist und politischer Blogger der ersten Stunde und Redakteur der NachDenkSeiten. Er befasst sich mit und kommentiert sozial-, wirtschafts- und finanzpolitische Themen. Berger ist Autor mehrerer Sachbücher, etwa „Der Kick des Geldes“ (2015) und des Spiegel- Bestsellers „Wem gehört Deutschland?“ (2014).
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