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Gibt es die "g'sunde Watsch'n"?

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Kind wird geschlagen

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"Ich hab als Kind hier und da eine Watsche bekommen, und es hat mir auch nicht geschadet." So oder so ähnlich wird Gewalt an Kindern heute gerechtfertigt. Doch gibt es die "g'sunde Watsch'n"? Wie wirken sich Schläge auf das Wohl des Kindes aus? Und warum setzen Eltern Gewalt nach wie vor als Erziehungsmethode ein? News.at fragte nach.

Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts galt die "g'sunde Watsch'n" laut dem Verhaltenstherapeuten Dr. Alois Kogler bei einem Großteil der Bevölkerung als adäquates Erziehungsmittel. Heute halten die meisten Österreicher Gewalt in der Erziehung für schlecht. So viel zur Theorie. Die Praxis sieht allerdings anders aus. Studien zufolge wenden 61 Prozent der Mütter und 67 Prozent der Väter ab und zu leichte körperliche Gewalt an. Darunter fällt zum Beispiel die Ohrfeige oder ein Klaps auf den Po.

Gewalt ist tief in uns verankert

Alois KoglerKlinischer Psychologe, Gesundheitspsychologe & Psychotherapeut

Schwere Gewalt, also Prügeln oder Schlagen mit Gegenständen, setzen immerhin 29 Prozent der Mütter und 26 Prozent der Väter ab und zu, 4 Prozent der Mütter und 5 Prozent der Väter sogar oft ein. Diese Daten stammen aus direkten Elternbefragungen. Man kann davon ausgehen, dass das tatsächliche Ausmaß der Gewalt höher ist als bei der Umfrage angegeben. Warum ist Gewalt in Österreichs Familien nach wie vor allgegenwärtig? Laut Kogler handelt es sich hier in erster Linie um ein kulturelles Problem. "Lange Zeit war Gewalt als Erziehungsmittel selbstverständlich. Das ist tief in uns verankert."

Warum schlagen Eltern ihr Kind?

Der zertifizierten Kinder- und Jugendpsychologin Mag. Nicole Trummer zufolge setzen jene Eltern Gewalt als Erziehungsmethode ein, die in der Kindheit selbst Gewalt erlebt und verabsäumt haben, dies kritisch zu hinterfragen. "Unsere Elterngeneration ist mit Gewalt als offizielle Erziehungsmethode aufgewachsen. Das war etwas ganz Normales." Nach dem Motto "Uns hat das auch nicht geschadet" geben sie weiter, was sie gelernt haben. Dann gebe es noch jene Eltern, die Gewalt als Erziehungsmethode zwar ablehnen, jedoch aus einer Überforderung heraus zuschlagen. "Diese Eltern haben enorme Schuldgefühle. Es tut ihnen wahnsinnig leid."

"Das zeigt eigentlich nur die Ohnmacht der Eltern", erklärt der auf Kinder, Jugendliche und Familien spezialisierte Psychologe Dr. Christian Gutschi. Vielen fehle es an alternativen Umgangsstrategien, "wenn das Kind nicht tut, was ich gerne hätte". Wobei der Aspekt der Macht hier auch noch auf eine andere Weise zutage trete: In unserer Leistungsgesellschaft dominiert das Recht des Stärkeren. Diese Grundhaltung dringe bis in unsere Wohnzimmer vor. Nach dem Motto: Ich bin der Mächtigere und kann meinen Willen nötigenfalls mit Gewalt durchsetzen. "Viele glauben nach wie vor, Kinder seien eine Sache und man könne das ohne weiteres mit ihnen tun", so Gutschi.

Gibt es die "g'sunde Watsch'n"?

Tatsächlich wird Gewalt an Kindern in Österreich per Gesetz dezidiert verboten. Und zwar jegliche Form von Gewalt. In § 137 Abs 2 ABGB (Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch) heißt es: "Die Anwendung jeglicher Gewalt und die Zufügung körperlichen oder seelischen Leides sind unzulässig." In diesem Sinne wollen wir auf unsere eingangs gestellte Frage zurückkommen: Gibt es die "g'sunde Watsch'n"? Die Experten betonen einhellig: "Eine gesunde Watsche gibt es nicht!" Dazu Gutschi: "Das hat nichts mit gesund zu tun. Jede Watsche ist fatal." Denn, so Kogler, "das ist nach wie vor Missbrauch."

Viele glauben nach wie vor, Kinder seien eine Sache

Christian GutschiKlinischer Psychologe & Gesundheitspsychologe

Ein Schlag ins Gesicht beschämt und entwertet das Kind. Auch Schuldgefühle gehen mit der vermeintlich gesunden Ohrfeige oder dem Klaps auf den Po einher. "Das Kind denkt, es sei nicht in Ordnung, sucht die Schuld bei sich", so Gutschi. Die Sanktion zeige dem Kind zwar, dass ein bestimmtes Verhalten unerwünscht ist, gibt ihm aber keinerlei Anleitung, wie man es besser machen könne, kritisiert Kogler. Dazu Gutschi: "Es wird ausschließlich Macht ausgeübt." Mit körperlicher Gewalt versuche der Erwachsene ein Verhalten zu erzwingen. Dieser Versuch ginge aber stets nach hinten los: Entweder das Kind rebelliert oder es zieht sich zurück, was bis hin zu einer depressiven Störung gehen kann.

Das sind die Folgen körperlicher Gewalt

Vor allem kleine Kinder reagieren auf körperliche Strafmaßnahmen mit Angst. Diese könne später in innere Wut und Aggression umschlagen. Das Kind fühlt sich ungerecht behandelt, verliert das Vertrauen zu den Eltern. Gleichzeitig erlebt es ein Gefühl der Ohnmacht. Setzen die Eltern Gewalthandlungen als reguläre Strategie zur Lösung von Konflikten ein, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Kind dieses Verhalten verinnerlicht und später einmal selbst einsetzt. "Viele Kinder lernen: So funktioniert Erziehung", erklärt Gutschi. Darüber hinaus steige auch die Gewaltbereitschaft in partnerschaftlichen Beziehungen.

Manche Kinder verarbeiten Gewalt besser, andere schlechter. Tatsache aber ist, dass sie Spuren hinterlässt. Wer nun meint, eine gelegentliche Watsche oder ein Klaps auf die Finger sei ja nicht so schlimm, verharmlost Gewalt. "Für das Kind stellt jede Form der körperlichen Gewalt eine Misshandlung dar", unterstreicht Trummer. Zumal die Eltern ihre eigene Kraft oft unterschätzen, was nicht zuletzt auch zu körperlichen Verletzungen führen könne. Die Kinder- und Jugendpsychologin Dr. Sabine Völkl-Kernstock folgert: "Jemand anderem wehtun ist nicht erlaubt - schon gar nicht, wenn ein Machtverhältnis von Erwachsenem zu Kind gegeben ist."

So kommen Eltern aus der Gewaltspirale

Wie aber herauskommen aus der Gewaltspirale? In erster Linie müssten die Eltern einsehen, dass Gewalt keine geeignete Erziehungsmethode darstellt. Alsdann gilt es, alternative Handlungsmöglichkeiten für schwierige Situationen zu finden. Manchmal helfe bereits ein bisschen Distanz, etwa durch einen Spaziergang. Vor allem Eltern kleiner Kinder rät Trummer sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Hierfür bedarf es der Bereitschaft, das Kind abzugeben - an Kinderbetreuungseinrichtungen, die Großeltern oder Freunde. "Wenn man in der eigenen Mitte bleibt, hat man auch die Kraft, ein guter Elternteil zu sein."

Für das Kind stellt jede Form der körperlichen Gewalt eine Misshandlung dar

Nicole TrummerKlinische Psychologin, Gesundheitspsychologin & Psychotherapeutin

Dementsprechend wichtig sei es, eine Überlastung zu erkennen, noch bevor die eigenen Kräfte erschöpft sind. Ist man am Ende seiner erzieherischen Weisheit angelangt, empfiehlt es sich, Unterstützung von außen zu holen. "Es muss nicht gleich der Psychologe sein", erklärt Gutschi, "oft hilft auch schon ein offenes Gespräch mit anderen Eltern oder Freunden." Fest steht jedenfalls: Gewalt ist keine Lösung. Sie mag zwar kurzfristig für Ruhe und Ordnung sorgen, räumt das eigentliche Problem aber nicht aus dem Weg. Im Gegenteil: Gewalt schafft lediglich neue Probleme.

Erziehung

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