Sie richtet ihr Wort unverhohlen an die Spitzen der internationalen Politik, mobilisiert hunderttausende Menschen und hört nicht damit auf, ihre Forderungen zu stellen. Mit 16 Jahren fungiert Greta Thunberg bereits als Symbol der Klimaschutzbewegung. Und obgleich sie sich für unser aller Zukunft einsetzt, wird sie immer wieder zur Zielscheibe von Hass und Aggression. Was bewegt die Menschen dazu, die junge Aktivistin derart anzufeinden? Der Medienpsychologe Dr. Alois Kogler gibt Antwort.
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Mit ihrer flammenden Rede vor dem UN-Klimagipfel in New York sorgte Greta Thunberg für Aufsehen. "Wir befinden uns am Anfang eines Massenaussterbens, und alles, woran ihr denken könnt, sind Geld und Märchen von ewigem Wachstum", warf sie Politikern und Wirtschaftstreibenden vor. "Wie könnt Ihr es wagen!". Kurz darauf wird die 16-jährige Schwedin mit dem Alternativ-Nobelpreis geehrt. Gleichzeitig werden die Stimmen, die sich gegen die junge Klimaschutzaktivistin richten, immer lauter. Und immer schärfer.
Scharfe Worte gegen Greta Thunberg
"Ich kann sie nicht mehr sehen oder hören", schreibt beispielsweise ein User auf der Facebook-Seite von News - und schlägt damit noch einen verhältnismäßig milden Ton an. "Tut sie endlich weg", fordert ein anderer. Oder aber: "Wie kann sie es wagen, so mit Erwachsenen zu reden. Diese Rotznase sollte besser zur Schule gehen und Anstand lernen". Auf das bei ihr diagnostizierte Asperger Syndrom bezogen postet eine Userin: "Die macht uns doch was vor". Andere bezeichnen Thunberg als "bedauernswertes Geschöpf", "kleinwüchsiges Zopfkind", "dreckiges Gör" oder "Psycho".
Greta Thunberg selbst reagiert gelassen auf derlei untergriffige Attacken. Auf Twitter schreibt sie: "Wie ihr vielleicht bemerkt habt, sind die Hasser so aktiv wie immer - greifen mich, mein Aussehen, meine Kleidung, mein Verhalten und meine Unterschiede an." Ja. Wir haben es bemerkt. Was aber noch lange nicht heißt, dass wir es verstehen. Man sollte doch meinen, dass das Wirken eines jungen Menschen, der Politiker in die Pflicht nimmt, auf allgemeinen Zuspruch stößt. Nichts desto trotz gibt es die Gruppe jener, die an persönlicher Kritik nicht sparen. Warum?
Woher kommt der Hass auf Greta?
"Greta Thunberg ist eine Frau. Das reicht schon, um sowohl von Männern als auch von Frauen angegriffen zu werden", sagt der Psychotherapeut und Medienexperte Dr. Alois Kogler. "Männer werden von Frauen nie so angegriffen wie Frauen." Darüber hinaus sei sie jung und habe enorm viel Macht. Diese gründe vor allem auf ihrer medialen Präsenz. "Sie ist in allen Medientypen vertreten, in den klassischen ebenso wie in Social Media. Und natürlich auch in der realen Welt." So bereiste Greta bereits die USA und Kanada, traf den Papst und stattete auch dem österreichischen Bundespräsidenten einen Besuch ab.
Neben ihrer Person ist es aber noch etwas ganz anderes, das die Menschen in Aufruhr versetzt. "Sie spricht die Zukunft und ihre Gefahren an", erklärt der Psychologe. Damit ist Greta Thunberg die Überbringerin der schlechten Botschaft. Und die wird selten mit offenen Armen empfangen. Sie fordert uns auf, uns unseren Zukunftsängsten zu stellen und zu handeln anstatt wegzuschauen. Sprich: Sie appelliert an unser schlechtes Gewissen. Denn "irgendwo weiß eigentlich jeder, dass er etwas tun könnte." Es ist also eine Mischung aus Angst und schlechtem Gewissen, die in vielen Feindseligkeit aufkeimen lässt.
Gleichzeitig greift die junge Schwedin einen Bereich auf, der derzeit Millionen Menschen beschäftigt. "Landwirtschaft, Tierschutz, Klimawandel ... all diese Themen sind jetzt wie durch ein Brennglas in Greta Thunberg fokussiert", erläutert Kogler. Und mit ihnen das Unbehagen. Hinzu kommt, dass die Aktivistin ihre Forderungen auf wissenschaftliche Tatsachen stützt. Das gefällt nicht jedem. "In der heutigen Zeit herrscht ja auch ein Misstrauen gegenüber der Wissenschaft. Sowohl vonseiten religiöser als auch vonseiten politischer, meist rechter Strömungen." Nach dem Motto: "Ihr könnt sagen, was ihr wollt. Ich beharre auf meiner Wahrheit".
Von Patriarchen und Klimaleugnern
Dann wäre da noch die Sache mit dem Patriarchat. "Historisch gesehen befinden wir uns vielleicht erstmals in einem Zeitalter des Übergangs von einer rein patriarchalen Kultur zu einer solchen, in der das Patriarchat und das Matriarchat nebeneinander existieren", so der Psychologe. "Die Ausläufer des eindimensionalen patriarchalischen Denkens sind aber nach wie vor zu finden." Unter Männern genauso wie unter Frauen. Für sie ist eine junge Frau, die unerbittlich den Machthabern der Welt trotzt, ein Dorn im Auge. Ebenso wie für all jene, die den Klimawandel leugnen.
Apropos Patriarchat: Würde ein Bursche, der sich für eine bessere Zukunft einsetzt, in gleicher Weise angegriffen werden? Dazu Kogler: "Ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, dass ein junger Mann diese Rolle übernehmen könnte." Schlicht und einfach deshalb, weil Mädchen in diesem Alter Burschen entwicklungspsychologisch voraus sind. Abgesehen davon sei zu bezweifeln, dass ein männlicher Aktivist genauso viel Ablehnung erfahren würde wie die junge Greta. Was sie aber nicht davon abhalten dürfte, sich weiter für das einzusetzen, woran sie glaubt. "Sie ist hoch fokussiert. Daher ist anzunehmen, dass sie ihr Ziel weiterverfolgen wird."
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Steckbrief
Alois Kogler
Dr. Alois Kogler ist klinischer Psychologe, Gesundheitspsychologe und Psychotherapeut. Er lehrt an der Universität Graz Verhaltenstherapie und als Arbeits- und Organisationspsychologe "Team und Führung". Am Institut für Psychosomatik und Verhaltenstherapie ist er als Verhaltenstherapeut tätig.
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