Dass Frauen länger leben als Männer ist ein bekanntes biologisches Phänomen. Dennoch ist es wissenschaftlich wenig erforscht. Einer, der sich seit Jahrzehnten mit den unterschiedlichen Alterungsprozessen der Geschlechter beschäftigt, ist Steven Austad von der „University of Alabama“. Seine Daten zeigen, dass Frauen weltweit durchschnittlich sechs Jahre länger leben als Männer. Er beschreibt das weibliche Geschlecht als „robuster“. Und zerstört damit das Klischee der starken Männer und schwachen Frauen.
Auf der ganzen Welt leben 42 Menschen, die älter sind als 110.
41 davon sind Frauen.
41 davon sind Frauen.
Austad ist davon überzeugt, dass im weiblichen Körper der Schlüssel zu einem längeren Leben zu finden ist. Auf der ganzen Welt leben 42 Menschen, die älter sind als 110. 41 davon sind Frauen. Blickt man ans andere Ende des „Lebenszeitstrahls“, zeigt sich ein ähnliches Bild: Jedes Jahr sterben durchschnittlich eine Million Babys noch am Tag ihrer Geburt. Jungen mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit von zehn Prozent.
Die Gendermedizinerin und Wissenschaftlerin des Jahres 2016, Alexandra Kautzky-Willer, weiß warum: „Frauen haben einen biologischen Vorteil. Das doppelte X-Chromosom bietet eine Art Reservefunktion. Auch haben Frauen – zumindest in der Vergangenheit – einen Vorteil durch ihren gesünderen Lebensstil. Und dadurch wiederum ein niedrigeres Risiko für verschiedene Krankheiten, insbesondere Krebs und Herzinfarkt in jüngeren Jahren. Frauen haben auch einfach ein stärkeres Immunsystem. Zirka ein bis zwei Jahre ihres längeren Lebens sind körperlich so erklärbar. Die restlichen vier Jahre der höheren Lebenserwartung sind durch Verhalten und soziale Faktoren ableitbar. In der Adoleszenz tragen Geschlechterrollen beispielsweise zum risikoreichen Verhalten und höheren Unfall- und Sterberisiko von Männern bei.“
Eine Extra-Dosis Überlebensfähigkeit für Mädchen
Mädchen bekommen im Bauch der Mutter außerdem eine Extra-Dosis Überlebensfähigkeit. Und die hält ein Leben lang. Denn Frauen sind Krankheiten gegenüber nicht nur resistenter, sondern erholen sich auch schneller davon. Der Nachteil, wenn der Körper immer auf Hochtouren arbeitet und gut darin ist, Krankheiten abzuwehren: Manchmal befällt er die eigenen Zellen. Deshalb leiden Frauen auch häufiger an Autoimmunkrankheiten.
„Durch veränderte Lebenswelten ändern sich Verhalten und Verhältnisse“, meint Kautzky-Willer. „So ist bei Frauen zunehmender Stress durch Mehrfachbelastung über verschiedene körperliche und seelische Auswirkungen gerade dabei, ihren Vorteil Männern gegenüber zu verringern.“
Warum ist das eine Geschlecht überlebensfähiger als das andere?
Eine Erklärung dafür, liefern natürlich die Hormone. Ein höherer Östrogen- und Progesteron-Spiegel schützt Frauen, indem er ihr Immunsystem nicht nur stärker, sondern auch flexibler macht. Vor allem in der zweiten Hälfte des Menstruationszykluses ist das Immunsystem noch stärker als sonst. Warum das so ist liegt auf der Hand. Es ist die Zeit, wo eine Befruchtung stattfinden kann.
Warum Männer und Frauen unterschiedlich auf Krankheiten reagieren, erklärt Kautzky-Willer folgendermaßen: „Das hat sowohl biologische als auch gesellschaftliche Ursachen. Aufgrund von verschiedenen Geschlechtschromosomen (XX bei der Frau und XY beim Mann) sowie Unterschiede in den Genen und in den Sexualhormonen, treten Krankheiten bei Frauen und Männern je nach Alter unterschiedlich oft auf. Häufig unterscheiden sich auch die Symptome. Frauen können andere Symptome aufweisen als Männer. Obwohl es sich um die gleiche Krankheit handelt. Das wiederum beeinflusst die Früherkennung und die Komplikations- und Sterberaten bei vielen Erkrankungen. Neben den biologischen Ursachen spielt aber auch der Lebensstil eine wichtige Rolle. Und der ist bei Frauen anders als bei Männern. Unter Lebensstil fällt alles, was Ernährung und sportliche Aktivität, Alkohol und Nikotinkonsum sowie das Gesundheitsbewusstsein, der Umgang mit Krankheiten und die Kommunikation von gesundheitlichen Problemen betrifft.“
Das Ende des Flintstones-Modells
Ein weiterer Grund für die stärkere Überlebensfähigkeit der Frau ist möglicherweise in unserer Vergangenheit zu finden. Anthropologen konnten nachweisen, dass Frauen und Männer in der Steinzeit ähnliche Leben führten. Beide waren für Essen, Unterschlupf und Kinder gleichermaßen verantwortlich. Das „Flintstones-Modell“ wie wir es kennen, wo der Mann auf die Jagd ging und die Frau daheim in der Höhle blieb ist schlichtweg falsch. Frauen haben die gleichen körperlichen Arbeiten verrichtet wie Männer. Und zusätzlich noch Kinder auf die Welt gebracht.
Die Evolution hat den Körper der Frauen über Millionen von Jahren geprägt. Und stärker gemacht. Das Bild der „schwachen Frau“ hat somit ausgedient.