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&flora: Parvin Razavis Weg zum Erfolg

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10 min
&flora: Parvin Razavis

©Michael Koenigshofer
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Haubenköchin Parvin Razavi sieht das Sharing-Konzept in ihrem &flora nicht als Modeerscheinung, sondern als gegenwartsnahen Weg, einander näherzukommen.

Factbox: &flora

  • Adresse: Hotel Gilbert, Breite Gasse 9, 1070 Wien

  • Öffnungszeiten:

    Montag 7.30–14.30

    Dienstag–Samstag 7.30–14.30, 17.30–22.00

    Sonntag 8.00–17.00

  • Website: www.undflora.at

Ihr vergangenes Jahr war rasant: Der Start des &flora, dann gleich drei Hauben und obendrein noch die Auszeichnung als Newcomerin 2023. Hatten Sie schon Zeit, das zu verdauen?
Es war wirklich viel, vor allem viel Schönes. Da ich so viel arbeite, hatte ich aber kaum Gelegenheit, all das zu verarbeiten und zu genießen. Mir selbst ein wenig auf die Schulter zu klopfen und zu sagen, dass ich das gut mache, auch wenn es oft schwierig ist.

Den Auszeichnungen sind Jahre harter Arbeit vorausgegangen, trotzdem sprechen viele von "schnellem Erfolg", weil Sie im &flora in wenigen Monaten so vieles erreicht haben. Ist der Druck dadurch größer geworden?
Nein, diesbezüglich spüre ich keinen Druck. Der kommt bei mir eher daher, ein beständiges Team aufzubauen. Halten die Mitarbeiter das aus? Habe ich Leute, die genauso fokussiert sind wie ich und die gleichen Ziele haben? Das beschäftigt mich mehr. Wir sind mit einer Generation konfrontiert, die weniger arbeiten, dabei aber mehr Geld verdienen will, und der ein Umfeld wie jenes im &flora, das ja zu einem Hotel dazugehört, oft zu groß ist. Es belastet mich, dass ich mir um die Konstanz unserer Leistung Gedanken machen muss.

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Parvin Razavi und ihr Team kochen vor den Augen der Gäste: "Geschlossene Küchen finde ich nicht zeitgemäß"

© Michael Koenigshofer

Welche Art von Chefin sind Sie, wie führen Sie Ihr Team?
Sehr wertschätzend. Ich bin zwar schon bestimmt und weiß, was ich will. Aber ich lebe flache Hierarchien und kann mit Strenge wenig anfangen. Ich halte nichts von Regelsystemen und habe auch meine Kinder in eine freie Schule gegeben. Menschen entfalten sich, wenn sie Freiheiten haben, erst dann kommen ihre Stärken heraus. Ich setze mich also mit den Mitarbeitern als Individuen auseinander. Aber da, wo es notwendig ist, ziehe ich auch meine Konsequenzen. Weil ich ja nicht nur Verantwortung meinem Team gegenüber habe, sondern auch gegenüber meinen Chefs und den Gästen.

Einerseits das Führen eines Teams, andererseits der kreative Part des Kochens: Hält sich das die Waage?
Ich begreife mich als Künstlerin, der kreative Prozess ist das, was mich erfüllt und definiert. Ich würde diese Seite des Kochens gerne noch mehr ausleben, denn ehrlicherweise kommt dieser Part oft zu kurz. Das Leiten von rund zwölf Mitarbeitern macht einfach einen großen Teil des Ganzen aus. Es ist viel Organisation und hat mit großer Verantwortung zu tun. Aber ich beschwere mich nicht, ich wollte genau diese Verantwortung ja auch. Im Grunde leben wir aber davon, kreativ zu sein, Dinge auf den Teller zu bringen, die unsere Gäste gerne konsumieren. Das darf man nie vergessen.

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Sie haben iranische Wurzeln, möchten aber bewusst nicht als persische Köchin wahrgenommen werden. Woran liegt das?
Wenn ich Comfort Food brauche, dann koche ich persisches Essen. Das ist mein Zuhause: der Duft von persischem Reis, die Gewürze. Das dockt in mir drinnen an einer besonderen Stelle an. Aber in meiner Arbeit würde mich so ein Fokus einschränken. Meine Kunst ist viel weiter gefasst, und ich möchte mich nicht darauf reduzieren lassen. Im &flora persisch zu kochen, wäre mir zu naheliegend und zu wenig kreativ.

Ihre Teller sehen beeindruckend schön aus. Leben Sie das Künstlerische auch ein wenig beim Anrichten aus?
Meine Küche ist keine Sterneküche, es wird nichts mit der Pinzette angerichtet. Ich finde sie auch gar so durchdesignt wie bei vielen anderen Köchen. Mir ist aber wichtig, dass es schön aussieht, weil das Auge einfach mitisst. Der erste Eindruck beim Gast ist eben der Blick auf den Teller. Deshalb frage ich mich schon, wie ich ein Gericht inszeniere. Danach kommt aber schon das Essen: Die Zerstörung ist Teil des Ganzen und gehört dazu.

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Das &flora im Hotel Gilbert hinter dem Wiener MQ ist ein Highlight für Designliebhaber und Kulinarikfans

© Michael Koenigshofer

Was die persische Küche mit Ihrer Küche im &flora eint, ist das Prinzip des Teilens.
Meine Idee dahinter ist wirklich dieses "Teilt euch etwas!". Erstens probiert man dadurch viel mehr, zweitens fördert das Sharing-Prinzip auch den sozialen und verbindenden Aspekt des gemeinsamen Essens. Das ist auf jeden Fall etwas, was aus dem Orientalischen kommt und dafür steht, wie ich geprägt bin. Im Iran oder auch in der Türkei gibt es Abläufe und Gänge, also Vorspeisen und Hauptspeisen, nicht. Alles kommt zeitgleich auf den Tisch, alles wird gleichzeitig gegessen. Ich finde, das ist zeitgemäß und nicht, wie viele behaupten, ein Trend. In anderen Kulturen ist das ganz normal. Wenn man etwa nach Japan oder generell in den asiatischen Raum schaut: Da werden ganz viele Speisen in die Mitte gestellt und dann wird gegessen und kommuniziert. Essen ist interkulturell, es bringt uns einander näher.

Sie sind als Quereinsteigerin in die Gastronomie gekommen. War für Sie immer klar, dass es in Richtung Haubenküche gehen soll?
Nein, ich wollte einfach kochen und am Anfang ging es mir eher darum, dem Druck in der Profiküche standzuhalten. Das Ludwig & Adele war diesbezüglich ein guter Rahmen, weil ich im Schnitt 100 bis 120 Mittagsmenüs rausgeschickt habe. Alleine. Da habe ich mich oft gefragt, ob ich den Dienst schaffe. Aber vor allem habe ich gelernt, über mich hinauszuwachsen. Das sage ich auch oft zu meinen Mitarbeitern. Man braucht diese Momente, in denen man denkt: "Das schaffe ich nicht." Genau dann wächst man, das prägt dich. Ich habe dadurch gelernt, Ruhe im Stress zu bewahren, es mir nicht anmerken zu lassen, wenn ich völlig fertig bin.

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Mit dem Ausleben Ihrer künstlerischen Seite hat das natürlich wenig zu tun ...
Richtig, das alleine konnte es natürlich nicht sein, das war mir zu wenig. Nach zwei, drei Jahren hatte ich in der Hausbar das Gefühl, ich möchte mich mehr entfalten, mehr meine Kunst leben. Ich bin dankbar für die Erfahrung, die ich dort gemacht habe. Im &flora will ich jetzt aber, dass die Dinge bei allem Stress frei sind und fließen. Das entspricht dem, wie ich bin.

Parvin Razavi

Die kulinarische Autodidaktin wurde in Teheran geboren und lebt seit 1985 in Wien. Ihr Weg führte vom mittlerweile gelöschten Blog "thx4cooking" über ihr Catering, Kochshows, Kochbücher und Küchenengagements (etwa im Dogenhof und in der Hausbar) schließlich ins &flora, wo sie innerhalb eines Jahres drei Hauben erkochte und von Gault&Millau als Newcomerin des Jahres 2023 ausgezeichnet wurde. Die 44-Jährige ist zweifache Mutter.

Das Interview erschien ursprünglich im News 7/2023.

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