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FARBENWELT – Die große Nitsch-Schau in Wr. Neustadt

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Vom 2. September bis zum 29. Oktober zeigt das Museum "St. Peter an der Sperr" in Wiener Neustadt rund 150 Werke aus der Privatsammlung Werner Trenker. Im Fokus steht das Spätwerk des Ausnahmekünstlers - farbgewaltig & ausdrucksstark.

Fällt der Name Hermann Nitsch, sehen viele nur noch "Rot". Doch die Zahl jener, die im Werk des kontrovers diskutierten Ausnahmekünstlers das sprichwörtliche Rot sahen, wurde mit dem Fortschritt und der damit verbundenen Akzeptanz seiner 55 Jahre andauernden Schaffensperiode immer geringer. Stattdessen wuchs die gesellschaftliche Faszination für sein Lebenswerk, das mehr war, als die in der breiten Masse allgegenwärtige Assoziation mit verschüttetem Blut. Der im April 2022 verstorbene Nitsch war ein Zeremonienmeister, ein Impresario, der die Akteurinnen und Akteure seines rituell anmutenden "Orgien Mysterien Theaters" mit geradezu virtuoser Besessenheit zu dirigieren wusste. Mit dem so geschaffenen, ekstatisch-sinnlichen Erlebnis verstand er es wie kaum ein anderer seiner Zunft, aus der vollen Intensität der Kunst zu schöpfen. Das Geheimrezept: Man vereine die ästhetischen Komponenten der Malerei, der Musik und des Theaters zu einer Aktion, kombiniere diese mit liturgisch-religiösen Elementen, verarbeite philosophische Einflüsse und reichere das Ganze mit Essenzen antiker Mystik an. Fertig ist der vorgehaltene Spiegel menschlicher Endlichkeit. Die energiegeladenen Bilder, das bleibende Ergebnis dieser Zeremonien, sind damit nicht mehr als die Spitze des Nitsch'schen Eisbergs.

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© Hans Schubert

"Nitsch ist ein Universalgenie!"

Das Beschreiten dieses neuen Weges, eines nie dagewesenen Zugangs zu bildender Kunst, der völlig Neues zutage brachte, war kein Leichtes. Immer wieder stieß der Mitbegründer des "Wiener Aktionismus" dabei auf Widerstand - wurde der Perversion und der Blasphemie bezichtigt, saß dreimal im Gefängnis und floh ins Exil. Heimische Akzeptanz und spätere Anerkennung wurden ihm erst zuteil, als man ihn jenseits der Landesgrenzen für sein Werk bewunderte. Für Kunstsammler und Unternehmer Werner Trenker, der mit seinem Unternehmen MED TRUST zu den Global Playern auf dem Gebiet der Diabetesprodukte zählt, sind es der Mut, die Zielstrebigkeit und der Innovationsgeist Nitschs, die seine Faszination für den Ausnahmekünstler begründen. "Er war Philosoph, Theatermacher, Musiker, Komponist und Aktionist -ein Universalgenie, das für sein Lebensziel gekämpft und es trotz großer Widerstände erreicht hat. Hermann Nitsch ist längst ein international anerkannter Künstler. Mit seinem Mut, Dinge zu bewegen, ist er für mich ein Entrepreneur der Kultur, der neue Wege gegangen ist und völlig Neues geschaffen hat."

Und doch war es bei Trenker gewissermaßen erst Liebe auf den zweiten Blick: "Nitsch oder besser gesagt, dessen Schüttbilder mit Blut waren mir selbstverständlich ein Begriff", so der Sammler, dessen Sammlung vorrangig auf heimischen Größen wie Rainer, Prachensky und Grabmayr fußt. Auf das Gesamtwerk wurde er allerdings erst 2020, im Zuge eines Ausstellungsbesuchs mit seiner Lebensgefährtin Sonja Zsolnai-Kasztler aufmerksam. Er erinnert sich: "Plötzlich standen wir vor einem farbenprächtigen Gemälde, das uns beide sofort tief berührt und begeistert hat. Die Komposition der unterschiedlichen Töne und die dadurch erzeugte Energie haben uns sofort in ihren Bann gezogen." Dass es sich dabei um einen Nitsch handelte, schien Trenker zum damaligen Zeitpunkt geradezu widersprüchlich. Das Gemälde wechselte den Besitzer: Für Werner Trenker der Beginn eines intensiven Studiums und einer nicht enden wollenden Leidenschaft.

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© Hans Schubert

FARBENWELT – Die Ausstellung

Heute, rund drei Jahre später, zählt die Sammlung Werner Trenker, eine Privatsammlung, wie er betont, weit über 100 Werke des Universalgenies - vorrangig aus dessen farbgewaltigem Spätwerk. Mehr als 150 dieser bunten Exponate werden ab dem 2. September im Museum "St. Peter an der Sperr" in Wiener Neustadt, der Heimatgemeinde des Sammlers, der Öffentlichkeit zur Schau gestellt. Damit zeigt die Stadt - neben New York, Paris, London und Seoul -die mit Abstand größte Malereiausstellung nach dem Tod des Ausnahmekünstlers. Für Bürgermeister Klaus Schneeberger ein ganz besonderes Highlight: "Wir haben in den letzten Jahren viel in die Kultur der Stadt investiert, um uns hier stärker zu positionieren -die Ausstellung ist 2023 das Kunst-und Kulturhighlight schlechthin."

Kurator und "Wiener Aktionismus"-Experte Hubert Klocker würdigt die Werkschau als "eine substanzielle Zusammenstellung an Werken der letzten zehn Jahre des Ausnahmekünstlers". Ergänzt wird die Ausstellung um Leihgaben der Nitsch-Foundation: "Wir freuen uns sehr, die großartige Sammlung Werner Trenkers um eine Installation und Werke aus den unterschiedlichen Schaffensphasen des Künstlers ergänzen zu dürfen", freut sich Managing Director Gudrun Marecek. Auch für Museumsdirektorin Eveline Klein ist es eine besondere Ehre, eine "Schau von derart großem Format" in Wiener Neustadt ausrichten zu dürfen.

Einer, der sich ebenso über den Ort der Ausstellung gefreut hätte, ist Hermann Nitsch. "Mein Mann war ein Lokalpatriot, der Niederösterreich sehr geliebt hat", so dessen Witwe Rita. "Es war immer in seinem Interesse, dass seine Kunst nicht ausschließlich in großen, internationalen Städten zentralisiert zur Schau gestellt wird." Was ihm an der Ausstellung außerdem besonders gefallen hätte, ist der Gratis-Eintritt für Kinder und Jugendliche, die er stets als die Zukunft seines Werks betrachtet hat: "Wann immer ihn Kinder nach seinem Werk gefragt haben, ist er förmlich aufgeblüht und hat immer gescherzt, dass sie seine Form der Malerei ohnedies viel besser beherrschen." Ein Wunsch dürfte ihm jedoch verwehrt bleiben. "Er wollte immer König von Niederösterreich werden", lacht Rita Nitsch. Wobei, für einige dürfte er das auch ohne Krönung gewesen sein. Und wird es auch immer bleiben.

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RIta Nitsch © Matt Observe
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