Es passierte in wenigen Sekunden. Eine Kurve, ein Sturz ins Wasser. Sekunden, die Unglück über mehrere Familien gebracht haben. Sekunden, die sich für die Überlebenden wie ein Albtraum angefühlt haben müssen, aus dem sie nie mehr erwachen werden. Es ist Freitagnachmittag vor Pfingsten. Der Wörthersee färbt sich dunkel. Wolken schieben sich vor die Sonne, die Luft drückt, ein Gewitter kündigt sich an. Im Lakeside, einer schicken Strandbar am Südufer des Sees, isst und trinkt eine lustige Männerrunde. Es ist Alkohol im Spiel. Zu viel Alkohol.
Die, die da unbeschwert feiern, sind eine eingeschworene Gruppe. Einige von ihnen kennen einander seit vielen Jahren. Darunter sind mehrere Unternehmer aus Niederösterreich. Einer davon ein Medienmanager. Wer dessen Namen im Internet sucht, findet überall Mosaiksteine seines Lebens und seiner beachtlichen Karriere. Ein Mann mit politisch einflussreichen Freunden. Einer, der sich gerne und oft mit genau diesen für die Boulevardpresse fotografieren ließ. Mit diesem Drang ins Rampenlicht ist es vorerst vorbei. Jetzt pocht er auf einen ihm "medienrechtlich zustehenden Identitätsschutz“.
Mit 300 PS auf dem See
Der Medienmanager soll deshalb in dieser Geschichte Friedrich Maier heißen. An diesem Nachmittag vor Pfingsten betrinkt sich Maier. 1,2 Promille wird die Polizei später feststellen. "Das ist so viel, dass die Wahrnehmung extrem eingeschränkt ist“, erklärt ein Beamter allgemein auf News-Nachfrage.
Um 17 Uhr zeichnet die Wetterstation in der Nähe des Sees eine Windgeschwindigkeit von 15 km/h auf. Das ist "schwach“. Der See ist ruhig. Die niederösterreichischen Freunde wollen jetzt eine Bootsfahrt machen. Von der Anlegestelle steigen sie auf ein Wasserskiboot, das sie samt Skipper gechartert haben. Der Skipper dreht den Zündschlüssel, der Motor brummt und hebt das Schnellboot über das Wasser. Jetzt jagen sie in Richtung Kapuzinerinsel in der Mitte des Sees. Das Boot hüpft, das Wasser spritzt. Es muss ein Glücksgefühl im Rausch der Geschwindigkeit sein. Freiheit, Freunde, Leichtigkeit. Ein Gefühl, das Friedrich Maier auf die Spitze treiben will. Er bittet den Skipper, auch einmal fahren zu dürfen - obwohl er Alkohol im Blut hat. Der Skipper lässt es zu.
Maier gibt Gas. Schließlich hat er selbst ein Schiffsführerpatent, also einen Bootsführerschein. Es reicht ihm im Geschwindigkeitsrausch nicht, einfach nur geradeaus zu fahren. Er kann mehr. Schnittige Manöver müssen es sein. Ein Boot wie dieses bringt immerhin locker 300 PS aufs Wasser. Eine starke Maschine, hypersensibel. Maier lenkt das Boot in eine scharfe Kurve. Dann platscht es.
Mann über Bord
Über das, was in den folgenden Sekunden passiert, gibt es unterschiedliche Versionen. Die erste Agenturmeldung über den Fall erscheint Stunden später auf den Computerschirmen der Journalisten. Die APA-Meldung 0569 um 22.55 Uhr titelt: "Mann aus NÖ am Wörthersee aus Boot gefallen und vermutlich ertrunken“. Es heißt, der Bootslenker fuhr eine starke Kurve, woraufhin ein Passagier hinausfiel und sofort unterging. Die Quelle für diese Information ist nicht angegeben. Die Darstellung deckt sich jedoch mit einer Pressemeldung, die kurz zuvor von der Kärntner Polizei herausgegeben worden war. Diese Version wird - mit ganz wenigen Ausnahmen - die Berichterstattung der nächsten eineinhalb Wochen bestimmen.Doch handelt es sich dabei auch um die Wahrheit? Dazu später mehr.
Es ist kurz nach 17 Uhr, als bei der Feuerwehr die Sirene losheult. Die Einsatzmeldung lautet: Alarmstufe T2. Das heißt im Feuerwehrjargon: Menschenrettung nach Unfall. Sofort rast eine Truppe mit Kleinlöschfahrzeugen in Richtung Maria Wörth. Mit Rettungsbooten fahren die Feuerwehrleute die Unfallstelle ab. Vom Verschollenen keine Spur. Um 17.45 Uhr entscheidet der diensthabende Kommandant, dass ein kärntenweiter Taucheralarm ausgelöst wird. Zu diesem Zeitpunkt sitzt Friedrich Maier am Kai und raucht eine Zigarette nach der nächsten.
Um 19 Uhr blitzt es über dem Wörthersee. Die Einsatzkräfte brechen ihre Suchaktion ab. Der ins Wasser gestürzte Unternehmer ist immer noch verschollen. Finden werden ihn die Taucher am nächsten Tag um 8.05 Uhr in der Früh. Rund 300 Meter von der Anlegestelle Maria Wörth entfernt, in 30 Metern Tiefe. Eine Obduktion wird angeordnet. Die Ergebnisse sollen erst in zwei bis drei Wochen vorliegen.
Mauer des Schweigens
Tragisch. Aber eigentlich ein klarer Fall. Bis man genauer hinsieht. Dann offenbart sich eine Fülle an Ungereimtheiten, persönlichen Verstrickungen und wirtschaftlichen Interessen. Und es stellt sich die Frage, ob hier unvoreingenommen ermittelt wird.
Bei Personen, die an der Rettungsaktion beteiligt waren, hat sich schon nach wenigen Minuten am See das Gefühl breitgemacht, dass hier möglicherweise etwas nicht stimmen könnte. Plötzlich sollen keinerlei Informationen über die Insassen des Unglücksbootes mehr durchgedrungen sein. Man sei nur noch auf eine Mauer des Schweigens gestoßen. Fragt man, von wem denn das angeordnet worden sei, lautet die brisante Antwort hinter vorgehaltener Hand: vom Innenministerium.
Bis heute habe man von der Polizei keine Daten über die involvierten Personen und die Bootsnummer erhalten, sagt Gerfried Bürger, der Bezirksfeuerwehrhauptmann von Klagenfurt-Land. "Ich mache das seit 30 Jahren. So etwas ist noch nie vorgekommen. Dabei brauchen wir die Informationen für die Verrechnung des Rettungseinsatzes.“ Denn im Gegensatz zur Erstsuche wird der Bergungseinsatz am zweiten Tag den Angehörigen des Verunglückten in Rechnung gestellt. Konkret geht es zumindest um 5.000 Euro.
Die Verwunderung des Bezirkskommandanten teilt auch Robert Koban, der Taucheinsatzleiter am Unglücksort gewesen ist: "Es ist schon sehr seltsam, dass wir überhaupt keine Daten bekommen. Wir brauchen die, um den Unfallbericht abschließen zu können.“
Was zur Geheimniskrämerei dazukommt, ist, dass unter den Einsatzkräften große Zweifel an der offiziellen Darstellung des Unfalls herrschen. Ungeachtet der erwähnten Presseaussendung der Polizei berichtete die "Kronen Zeitung“ in ihrem Lokalteil am Tag nach dem Unfall, der niederösterreichische Unternehmer wäre beim Versuch, ihn ins Boot zurückzuholen, überfahren worden. Diese Variante scheint sich mehr und mehr zu bestätigen. Die Verletzungen des Toten würden auf den Kontakt mit einer Schiffsschraube hindeuten, hört man hier. Gefunden haben den Leichnam Taucher der Feuerwehr und Wasserrettung Krumpendorf. Der halbe Kopf habe gefehlt, wird erzählt. Der Tote wurde mit einem Einsatzboot nach Klagenfurt gebracht. Beim Ausladen musste er rasch zugedeckt werden, da sich gerade ein voll besetztes Passagierschiff näherte.
Hat Friedrich Maier im Rausch nicht nur einen folgenschweren Leichtsinn begangen, sondern darüber hinaus auch noch einen tödlichen Fehler gemacht? Normalerweise holt man Passagiere, die aus dem Boot gestürzt sind, mit dem sogenannten Williamson-Turn - einer langsamen, vorsichtigen Kurve - aus dem Wasser. Vieles soll jedoch darauf hindeuten, dass Maier stattdessen einfach den Rückwärtsgang eingelegt hat. Bei einem dermaßen starken Boot eine fatale Reaktion. Möglicherweise hat er den Mann mit der Schiffsschraube am Kopf erwischt.
Die Polizei ermittelt
Ob es tatsächlich so war, werden die Ermittlungen zeigen. Theoretisch wären auch andere Varianten denkbar: Das Opfer könnte zum Beispiel an Bord bewusstlos geworden, aus dem Boot gefallen und direkt in der Kurve in die Schraube geraten sein. Oder es könnte das Gleichgewicht verloren haben und Maier ins Steuer gefallen sein - was eine unglückliche Kettenreaktion ausgelöst haben könnte. Dann wären die rechtlichen Folgen für Maier wahrscheinlich etwas weniger hart.
Gegen den Medienmanager wird wegen des Verdachts der grob fahrlässigen Tötung und der Gefährdung der körperlichen Sicherheit ermittelt. Unter Verdacht der fahrlässigen Tötung steht auch der 32-jährige Skipper, der Maier das Steuer übergeben haben soll. Hat dieser gemerkt, dass Maier betrunken war, hätte er ihm das Boot nicht anvertrauen dürfen. Für alle Beteiligten gilt in vollem Umfang die Unschuldsvermutung.
Den Unfallhergang wird man wohl bald klären können. News hat erfahren, dass es mehrere unbeteiligte Augenzeugen gibt. Diese sollen die Kurvenfahrt des Motorboots beobachtet haben. Die Ermittlungen sollen weitgehend abgeschlossen sein. Auch die Obduktion ist beendet. Allerdings liegt der Staatsanwaltschaft Klagenfurt noch kein Bericht des ermittelnden Landeskriminalamts vor.
Anders als die Polizei in ihrer ersten Aussendung gibt die Staatsanwaltschaft bisher keine Einschätzung zum Unfallhergang ab. Bei der Landespolizeidirektion Kärnten wiederum heißt es nun auf News-Anfrage, man könne bei Presseaussendungen "nur stets die im ersten Ansatz verfügbaren Informationen“ verwenden. Diese würden aus Angaben von "Zeugen und Beteiligten“ stammen. Die Polizei verweist darauf, dass der Konjunktiv verwendet worden sei. Das trifft allerdings nur auf den Beginn des Satzes zu. Dann steht klar geschrieben, er "ist in weiterer Folge aus dem Boot gestürzt. Der 44-jährige Mann ist sofort untergegangen.“
Warum ist die Formulierung relevant? Weil die Aussendung der Polizei eineinhalb Wochen lang die mediale Berichterstattung über den Fall in eine vergleichsweise unspektakuläre Richtung gelenkt hat. Und das kann mehreren nützen.
Die ÖVP-Connection
Zuallererst natürlich Friedrich Maier. Der ist politisch bestens vernetzt und steht vor allem der ÖVP in Niederösterreich nahe. Er sitzt auf einem Ticket des Landes sogar im Aufsichtsrat eines wichtigen Infrastrukturunternehmens. Rund um dieses stehen in der kommenden Zeit strategische Entscheidungen bevor. Im Sinne der Steuerzahler muss das Land darauf achten, dass die Gremien dort unbelastet sind.
Zufälligerweise kommt auch Innenminister Wolfgang Sobotka direkt aus der ÖVP Niederösterreich. Hat er zugunsten eines Parteifreundes interveniert? Im Innenministerium weist man das zurück: Es habe "keinerlei Einflussnahme auf die routinemäßigen Verwaltungsabläufe gegeben“, heißt es in einem Statement. Die Frage, wann Sobotka über den Vorfall informiert wurde, blieb unbeantwortet.
Auch in seinem Beruf als Medienmanager ist Maier alles andere als unpolitisch unterwegs gewesen. Zumindest bis vor nicht allzu langer Zeit hatte er dabei auch große Ambitionen. Die Frage ist, ob diese nicht unter günstigen Bedingungen wieder aufflammen hätten können.
Außerdem kommen eine Reihe spannender wirtschaftlicher Zusammenhänge ins Spiel. Das Unglücksboot, das Maier und seine Freunde charterten, gehört nicht irgendjemandem. Eigentümer ist ein äußerst umtriebige Kärntner Unternehmer bzw. eine seiner Firmen. Die Firma wiederum befindet sich seit Jahren in Geschäftsbeziehung zu jenem Medienunternehmen, bei dem Maier Manager war.
Unter anderem steht das Unternehmen hinter der "Starnacht am Wörthersee“, der "Starnacht in der Wachau“ und dem "Silvesterstadl“. Sogar beim "Song Contest“ 2015 in Wien war die Firma involviert. Wie lange und gut kennen einander der Unternehmer und Maier eigentlich? Gibt es hier eine Nahebeziehung, die auch Interessenskonflikte mit sich gebracht haben könnte? Maier wollte auch zu letzterer Frage nichts sagen. Der Bootseigner selbst bezeichnet Maier nicht als "Freund“, sondern als langjährigen Geschäftspartner. Er sei mit ihm genauso bekannt wie mit anderen Managern.
Am vergangenen Dienstag hatte der Kärntner Entrepreneur einen großen und wichtigen Auftritt. Umrahmt von Stars wie Alfons Haider und Julian le Play wurde Medienvertretern auf einer Bootsfahrt das Programm der heurigen "Starnacht am Wörthersee“ präsentiert. Gleichzeitig wurde bekannt gegeben, dass das Millionenprojekt Starnacht für drei weitere Jahre verlängert wird. Da wären allzu konkrete Medienberichte über einen Alkohol-Bootsunfall mit tödlichem Ausgang wohl ungelegen gekommen.
Bei der Veranstaltung selbst nützte nur News die Gelegenheit, die Beteilgten auf das Thema anzusprechen. Wirklich dazu etwas sagen wollte keiner.
Dem Unternehmer bzw. einer seiner Firmen gehört zwar das Boot. Gegen ihn wird allerdings nicht ermittelt. Grundsätzlich seien alle Vorschriften eingehalten worden, meint der Unternehmer. Zum genauen Hergang und zu einer Alkoholisierung einzelner Personen könne er nichts sagen, da er "nicht an Bord gewesen“ sei.
Was wirklich hinter der breiten Mauer des Schweigens steckt, wird vielleicht die Zeit weisen. Soll ein prominenter Verdächtiger geschützt werden? Geht es um Freunderlwirtschaft? Eines steht jedenfalls jetzt schon fest: Ein Mensch musste sterben. Und der Bootslenker war betrunken.