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Die ewig Zweite

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Dr. Monika Wogrolly
©Bild: Matt Observe/News
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Martina, 45, hat das Warten satt. Entweder deine Frau oder ich, sagt sie zu Karl, 72, nach fünfundzwanzig Jahren Beziehung. Seit einem Unfall, den sie knapp überlebte, will sie nicht mehr länger mitspielen und fordert ein Zeichen der Liebe.

Karl soll sich von seiner Frau trennen. Das Zünglein an der Waage ihres Glücks kann aber kein anderer sein, sondern nur Martina. Als Kind schon waren Trennungen und Abschiede bei ihr zentral. Und Karl? Kann all die schwerwiegenden Verlusterfahrungen nicht aufwiegen. Martina hat es jedoch seit dem Unfall satt, die "ewig Zweite" zu sein. Und Karl weckt seit Jahr und Tag den Eindruck, unglücklich in seiner Ehe zu sein. Er kann seine Frau, die ein guter Mensch sei, partout nicht verlassen. Martina akzeptiert das nicht länger und legt ihre Liebe zu Karl auf Eis. Die Eheleute würden ja ohnehin nichts mehr gemeinsam haben; ausgenommen Haus und Garten, Autos, Konten, einen Freundeskreis und den sozialen Status eines Ehepaares. Die gemeinsamen Urlaube nicht zu vergessen.

Warum zögern Menschen wie Karl, ihre Außenbeziehung auf einen angemessenen Level der Wertschätzung zu heben? Fragt sich Martina. Und Karl fragt: Warum jetzt und warum auf einmal solch ein Druck, wo vorher sein Doppelleben zur scheinbaren Zufriedenheit aller von ihm nahezu perfekt gerockt worden war.

Gab es in der Vergangenheit Verlusterlebnisse, die so prägend und nachhaltig wie bei Martina sind, muss irgendwann die Erlösung von diesem Fluch, immer wieder verlassen zu werden, erfolgen. Sonst braut sich zunehmend der Eindruck zusammen hingehalten, getäuscht, geblendet, manipuliert und für dumm verkauft - in ihrem Wert nicht hinreichend - wahrgenommen zu werden. Und dass es sich bei allen liebevollen Aktionen des Partners nur um Elemente einer Hinhaltetaktik aus Bequemlichkeit oder Unlust, etwas zu ändern, handelt. Hier die in dem Zusammenhang wichtigsten Streitpunkte:

1. Ständiges Vertrösten: "Jetzt noch nicht, aber bald." Irgendwann ist aber jede Person des Wartens müde. Und wenn Karl noch so beteuert, ja schwört, dass nur Martina seine "große Liebe" sei - auf Worte müssen Taten folgen.

2. Midlife-Crisis: "Jetzt lief's so lange rund, wozu etwas anders machen?" Wird der wartende Partner oder die Partnerin älter, erfolgt irgendwann eine Rückschau wie bei einer Bilanz: Nach dem Motto, "was es wiegt, das hat es", wird nicht mehr romantisch interagiert, sondern sachlich und profan auf Fakten-Ebene "abgerechnet".

3. Soziale Aufwertung: "Wozu heiraten, es geht auch so." Die oder der "ewig Zweite" will aber zu ihrem oder seinem Recht kommen und den Status des erstgereihten, eben Ehepartners einnehmen, was nach so langem Zurückstecken nur "recht und billig" erscheint.

4. Schicksalsschläge als Aufwecker: Martina wurde durch den Unfall schwer verletzt, lag im Koma. Ein solches Erlebnis zwischen Leben und Tod verändert die Sichtweisen. Betroffene bewerten anschließend das Leben anders. Sie wollen sich nicht mehr still verhalten, sondern offen zu ihren Wünschen stehen. Hopp oder dropp, soll nun eine Entscheidung fallen.

So weit alles klar. Aber nicht gut und schön. Denn beide leiden: Martina unter ihrer selbst verordneten Rückzugsstrategie von ihrer großen Liebe. Und Karl leidet unter dieser, so nennt er das, Bestrafung. Martina sagt, ihr gemeinsames Glück hänge jetzt nur von ihm ab.

Wirklich? Dass dies nicht ganz so einfach ist, und sich die Frau um ihre Eigenverantwortung drücken will, wird ihr in der Paartherapie bitter bewusst. Und dass es leichter ist, die gesamte Verantwortung auf das Umfeld, in dem Fall Karl, zu schieben, anstatt sich an der eigenen Nase zu nehmen und sich bewusst zu machen, selbst mit der Rolle der oder des Geliebten einverstanden gewesen zu sein. War sie zu feige, zu bequem oder unreif, sich zu ihren Wünschen zu bekennen? Sei es wie es sei. Bevor Karl sich zu etwas bekennt und entscheidet, sollte Martina sich in Selbstakzeptanz und Selbstwertschätzung trainieren. Und dies ist eine Chance, keine Bürde. Das erste Mal im Leben zu spüren, wer sie wirklich ist -ganz ohne sich auf jemanden anderes zu beziehen und es diesem Menschen recht machen zu wollen. Erst dann wird sie glücksfähig sein, ganz unabhängig von Karls Entscheidung.

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Schreiben Sie mir bitte: praxis  wogrollymonika.at

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