Selbst seine Gegner knirschen nur verhalten mit den Zähnen, wenn der Verleger Christian W. Mucha in den "Seitenblicken" auftaucht. Ein Lokalaugenschein
Steckbrief Christian Mucha
Name: Wolfgang Christian Mucha
Geboren am: 14. August 1954 in Wien
Wohnt in: Wien
Veruf: Verleger
Familienstand: in 3. Ehe verheiratet mit Ekaterina Mucha
Kinder: vier Töchter aus zwei früheren Ehen
Der Mucha ist ein unmöglicher Mensch. Darüber sind sich alle einig, die ihn zu kennen glauben (also alle, woran er infolge unerbittlicher Präsenz den größten Anteil hat). Das kann ich, der ich ihn eine Spur besser kenne als aus den "Seitenblicken", bestätigen: Auch insofern ist der Mucha ein unmöglicher Mensch, als er - fragen Sie mich nicht, wie - das Unmögliche möglich macht. Fast schon ein Unikum unter lauter möglichen Menschen, die das Mögliche unmöglich machen. Deshalb ist die gerade erschienene Jubiläumsausgabe zum vierzigjährigen Bestand des Medienfachmagazins "Extradienst" 278 Seiten schwer. Woran die journalistisch ansprechend ummantelten 170 Anzeigenseiten ursächlichen Anteil haben. All das in der gestandensten Krise der Branchengeschichte, weil sich Putin, die Klaue am Gashahn, mit der kreativen Gestaltung der Papierpreise die spärliche Freizeit vertreibt.
Genannt Christian W.
Der Mucha, vor 68 Jahren auf Wolfgang Christian getauft, hat vor 47 Jahren seine Bestimmung als Verleger gefunden. Das Gründungsperiodikum bedient bis heute den Reisemarkt. Sieben Jahre später erfand er die Medienzeitschrift "Extradienst", es folgte ein Titel aus dem Luxussegment ("Elite" unter der Obhut von Gattin Ekaterina). Ihnen allen ist eines gemeinsam: Was Mucha der jeweiligen Zielgruppe mitzuteilen hat, behält jeder potenziell Betroffene vorsorglich im Auge. Denn beim Mucha blöd vorkommen ist so kontraproduktiv, als habe der "Guide Michelin" einem Luxusrestaurant Schabenbefall attestiert.
Zu eben diesem Thema bringt der Verleger eine zwischentonreiche Legende von den letzten Stunden eines Herzogs ein. Der Priester drängte den Sterbenden, seinen Feinden zu vergeben, anderenfalls ihm selber die Absolution verwehrt werde, doch der Herzog lehnte ab: "Ich habe keine Feinde." Die Vorhaltungen des Gottesmannes wurden dringlicher, da beharrte der Sterbende mit erlöschender Stimme: "Ich habe keine Feinde. Ich habe sie alle hinrichten lassen."
So sei auch noch keiner der 240 Medienprozesse, in die er über die Jahrzehnte verwickelt war, zu seinem Ungunsten verlaufen. Nicht einer! Seit der Magnat Hans Schmid nach endlosem Rechtsstreit zu einer bedingten Geldstrafe in erheblicher Höhe wegen Beleidigung verurteilt wurde, ist Ruhe, sagt der Mucha. Viele Kontrahenten seien natürlich abgegangen, andere hätten den wirtschaftlichen Tod gefunden. "Als ich begonnen habe, gab es 18 Fachzeitschriften für Kommunikation. Und heute? Na?" Nach interpunktionslosen 20 Minuten wird es drohend still im Raum. "Vier!" Der Mucha triumphiert durch die rotgefassten Brillengläser. "Die auf mich schimpfen, waren unfähig, mich zu kopieren! Mir", kommt er Einwänden zuvor, "vertrauen seit 40 Jahren milliardenschwere Konzerne. Glauben Sie, die hätte ich noch als Kunden, wenn ich unsauber arbeiten würde?"
Christan Mucha: Quasi mittellos
Aber der Augenschein! Das Gespräch wurde in der 600-Quadratmeter-Wohnung anberaumt, eine Gasse stadtauswärts vom Opernring. Alles gemietet, freut sich Mucha, dank alter, unkündbarer Verträge für 2.300 Euro monatlich. Die Villa in St. Tropez? Die Yacht? Beide kürzlich verkauft, quasi um ein Butterbrot, weil er schließlich nicht jünger werde. Dafür, fährt er beiläufig fort, habe man ein geräumiges Appartement in Nizza erworben. Die beiden Rolls-Royce-Limousinen? Es sei ja nur noch eine, wehrt der Mucha kokett ab, und die gehe bloß für Überlandfahrten in Betrieb. Für den Stadtgebrauch nütze er, als Markenbotschafter, den elektrischen Fiat, der ihm unentgeltlich zur Verfügung stehe.
Das Vermögen ruht in einer Privatstiftung, an der GmbH halten Mucha und seine dritte Gattin noch 0,2 Prozent. Er selber, sagt der Mucha, komme mit 2.000 Euro im Monat aus. Etwa infolge erlernter Anspruchslosigkeit aus der Wiener Nachkriegskindheit, als die Familie in drückender Überzahl eine winzige Gemeindewohnung besiedelte? Schon auch, räumt er ein. Doch beruht das Mucha'sche Handeln und Wandeln wesentlich auf dem zur Perfektion gebrachten Prinzip des Gegengeschäfts. Shoppen, Wohnen, Fliegen, Essen, und sei es in den teuersten Lokalitäten? Alles mehrfach durch Inserate im Fachzeitschriften-Portfolio abgedeckt.
Dieses Portfolio, kommt er zum Wesentlichen, sei die Ursache des anhaltenden Wohlstands: wenige Mitarbeiter, kleine Auflagen mit niedrigen Druck- und Papierkosten, aber alles so angelegt, dass die jeweilige schmale Zielgruppe dem Medium nicht ausweichen könne.
Als die Pandemie im März 2020 Bedrängnis verhieß, suchten die Muchas im Internet ohne Verzug nach potenziellen Profiteuren. Man fand 240 Kandidaten, vom Waffenhändler bis zum Anbieter hochpreisigen Mobiliars und anlagefähiger Luxusartikel. 70 hätten inseriert und die Umsätze des Titels "Elite" um 180 Prozent gesteigert, frohlockt der Mucha. Deshalb sei man, trotz temporären Totalausfalls der verlagseigenen Reisezeitschrift, mit bescheidenen sechs Prozent Minus davongekommen.
Der wahre Mucha
Ablehnung, versichert der Mucha glaubhaft, akzeptiere er nicht, er stehe nicht an, auch 30 Mal und öfter anzurufen. Damit aber die Zielperson überhaupt ans Telefon gehe, müsse man unermüdlich an der eigenen Bekanntheit arbeiten, ja: selbst zum Marketing-Konzept werden. Der Lugner finde den Weg in die "Seitenblicke" über die Tierwelt. Der Mucha aber, der sei ein Kulturmensch und leiste sich im Grunde nur einen eingestandenen Luxus, das Schloss Drasing in Krumpendorf am Wörthersee. Er hat es einst für zehn Millionen Schilling erworben und - die Maurer ausgenommen, scherzt der Mucha - komplett auf Gegengeschäft instand setzen lassen. Dort lagert die Kunstsammlung, die sich mit ausgesuchten Exponaten auch in der Wiener Wohnung präsentiert: österreichischer Jahrhundertwende-Impressionismus von Josef Stoitzner und Eduard Kasparides, nichts Exaltiertes, nichts Spektakuläres, nur Gediegenheit, unaufdringlicher Wohlstand.
Wohingegen der öffentliche Mucha eine Eskapade um die andere in die Welt setzte: die jeweils erste Zeitschrift zum Riechen, zum Belecken, mit einer flachen Fernsehmattscheibe auf dem Titelblatt. Nichts davon, räumt der Mucha ein, habe je die Aufmerksamkeit der Stunde überlebt. Aber wie viel da jeweils inseriert worden sei!
Ohne Arbeit, sieben Tage à 16 Stunden die Woche, seien er und seine Frau verloren. Die vier erwachsenen Töchter aus zwei gescheiterten Ehen sind aus dem Haus. Und als der Mucha vor sechs Jahren ernst erkrankte, verkaufte er seine Firmen, nur um sie nach der Genesung sofort zurückzukaufen. Ein Wunderheiler habe ihm das Leben gerettet, leitet er eilig zum Wesentlichen über: Die "Vera"-Sendung, in der er sein Martyrium samt Durchfall-Attacken und unverhoffter Wiederherstellung plastisch ausbreitete, sei die vielleicht zuseherreichste des Jahres gewesen. Ungeklärt ist, ob der Wundermann auf Inseratenbasis geheilt hat.
Dieser Beitrag ist ursprünglich im News-Magazin Nr. 30/2022 erschienen.