In puncto Brille haben wir heute die Qual der Wahl. Worauf muss ich bei der Auswahl achten? Welche Modelle sind angesagt? Und was sagt die Brille eigentlich über ihren Träger aus? Die Stilberaterin Bettina Kohlweiss steht Rede und Antwort.
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Es scheint, als würden Brillen heute mehr denn je als persönliches Statement getragen werden. Seit wann gibt es diesen Trend?
Brillen vermittelten immer schon eine gewisse Aussage und somit auch ein Statement. Brillenträger und -trägerinnen wurden von jeher als gebildeter, belesener, intellektueller eingestuft als Nicht-Brillenträger. Das liegt daran, dass die ersten Brillen in Klöstern zum Vergrößern von Buchstaben und damit im Wissens- bzw. Bildungsbereich verwendet wurden. Ein Stereotyp, der sich bis heute hält.
Können Sie uns einen kleinen Exkurs in die Geschichte der Brille geben?
Die Brille gibt es - betrachtet man die Geschichte der Menschheit - noch gar nicht so lange. In den Hochkulturen des Altertums hatten fehlsichtige Menschen schlichtweg Pech. Mit der Zeit stellte man fest, dass Kristalle oder mit Wasser gefüllte Glaskugeln, wenn man sie auf einen Buchstaben stellt, diesen vergrößern. Damals sprach man von sogenannten Lesesteinen. Die ersten Brillen kamen im 13. Jahrhundert in Italien auf. Es handelte sich um geschliffene Mineralien in einer Fassung. Wer sie erfunden hat, ist nicht bekannt. Die Bezeichnung "Brille" leitet sich übrigens von "Beryll", dem Halbedelstein, ab, der geschliffen eine vergrößernde Wirkung hat - ideal für (Alters-)Weitsichtigkeit. Für Kurzsichtige gab es erst ab dem 16. Jahrhundert eine entsprechende Sehhilfe.
Nun sahen die Brillen damals ja nicht so aus, wie wir sie heute kennen ...
Die ersten Brillen hatten noch keine Bügel und erinnerten eher an einen Zwicker. Die Bügelbrille wurden erst im 17. Jahrhundert erfunden, zunächst aber ohne große Bedeutung. Zwicker, Monokel bzw. die Stielbrille, die mit der Hand zum Auge geführt wurde, blieben bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts bevorzugt. Die Bügelbrille trat ihren Siegeszug erst im 20. Jahrhundert an. Zunächst waren Brillen nur sehr gut situierten Menschen vorbehalten. Bis in die 1980er Jahre hinein gab es für viele Menschen nur die sehr einfachen und einheitlichen Kassenbrillen, die als solche rasch erkennbar waren.
Heute ist die Auswahl glücklicherweise größer. So groß, dass man oft die Qual der Wahl hat. Worauf ist bei der Wahl der Brille zu achten?
Man sollte darauf achten, dass die Brille den medizinischen Erfordernissen entspricht, einen sehr guten Tragekomfort hat, man sich mit ihr wohlfühlt und einen natürlich auch gut aussehen lässt.
Was ist der größte Fehler beim Brillen-Kauf?
Der größte Fehler ist mit Sicherheit, sich unüberlegt eine Brille zu kaufen. Eine Brille wird in der Regel den ganzen Tag getragen. Das heißt, sie ist ein zentrales Accessoire, das sofort auffällt, wenn man den Träger bzw. die Trägerin ansieht. So wie Kleidung im Allgemeinen hat auch die Brille großen Einfluss auf das Aussehen und die Wirkung einer Person. Sie sollte daher optimal zum Gesicht - genauer gesagt zur Gesichtsform und den Gesichtsproportionen, der Augenform, dem Augenstand und -abstand, den Augenbrauen, der Nase und den Ohren -, zum individuellen Farbkonzept sowie zum persönlichen Stil passen. Abgesehen davon muss die Brille natürlich auch dem Wirkungswunsch entsprechen. Sie sehen, viele Punkte sind zu beachten. Das braucht Zeit und eine gute Beratung.
In welche Fallen könnte man bei der Wahl der Brille sonst noch tappen?
Die Brille muss natürlich den medizinischen Ansprüchen entsprechen. Zudem muss der Optiker die Einstellung vornehmen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sie nicht gut sitzt. Abgesehen davon ist besonders auf das Gewicht der Brille und auf die ästhetischen Anforderungen wie Größe, Form, Farbe, Material oder Betonungen zu achten.
Welche Brillen-Stile gibt es? Und was sagen sie über ihren Träger aus?
Brillen unterscheidet man vorrangig aufgrund ihrer Form. Runde, abgerundete oder ovale Brillen wirken immer weicher, zugänglicher, weiblicher. Im Gegensatz dazu wirken eckige Brillen härter, strenger, männlicher. Die sogenannten Cat-Eye- oder Schmetterlingsbrillen wirken sehr feminin. Tropfenförmige Piloten-Brillen vermitteln Sportlichkeit und Abenteuerlust, Panto-Brillen werden gerne mit Pfiffigkeit und Kreativität assoziiert.
Andersrum gefragt: Welcher Persönlichkeitstyp trägt gerne welche Brille?
Extravagante Menschen möchten auffallen und werden sich mit einem auffälligen Modell in puncto Größe, Farbe, Form, Muster oder Material wohlfühlen. Sie brauchen eine richtige Statement-Brille. Klassische Menschen werden ein dezentes, hochwertiges, zeitloses Modell bevorzugen, das perfekt passt und von hoher Qualität ist. Die Praktischen werden auf Funktionalität, Bequemlichkeit und Robustheit Wert legen. Auf Schnörkel können sie gut und gerne verzichten. Die Detailgetreuen suchen etwas Besonderes, aber nichts allzu Auffälliges. Kleine, feine Details sind für sie das Um und Auf.
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Wenn ich mit meiner Brille einen gewissen Business-Charakter unterstreichen will - worauf muss ich bei der Auswahl achten?
Wenn Sachlichkeit und Seriosität vermittelt werden sollen, achtet man auf ausgezeichnete Qualität, seriöse Farben, schlichte Formen und verzichtet auf zu auffällige Modelle. Mit einer dunkleren Fassung unterstreicht man eher Kompetenz, Strenge und Durchsetzungsstärke als mit einem helleren Modell. Arbeitet man in einem Bereich, in dem es wichtig ist, schnell mit Menschen in Kontakt zu kommen, in dem die Kommunikations- und Beziehungsfähigkeit sowie Sympathie im Vordergrund stehen, greift man zu dezenteren, helleren oder gar rahmenlosen Brillenmodellen. Menschen, die sich mit Design, Ästhetik und Kunst beschäftigen oder im kreativen Bereich arbeiten, werden vermehrt Farbe einsetzen und größere oder auffälligere Modelle wählen.
Welche Modelle sind derzeit angesagt - für Männer einerseits, für Frauen anderseits?
Von schlichten Modellen mit Metallrahmen bis hin zu extravaganten Formen ist gerade alles dabei. Sehr beliebt sind derzeit transparente Kunststoffmodelle, die es auch eingefärbt gibt. Ebenso angesagt sind zarte Metallfassungen, besonders in runden Formen und hier vor allem in Gold und Kupfer. Wer den besonderen Cool-Faktor unterstreichen möchte, wird Aviator-Brillen bevorzugen. Eine andere Variante, die wieder sehr angesagt ist, ist die Ray-Ban Clubmaster, bei der der oberer Teil mit Kunststoff und der untere Teil mit Metall gerahmt ist. Zum Retro-Chic gehören natürlich auch die übergroßen 70er-Jahre-Modelle, die es oft auch in Mehreck-Fassungen gibt. Wer es zeitlos liebt, kann auf Brillen in Schildpatt-Optik zurückgreifen. Animal-Prints sind als Muster sehr beliebt. Bei Männern sind die Nerd-Brillen nach wie vor sehr angesagt, ebenso die 70er-Jahre-Aviator- oder Piloten-Brillen sowie Brillen mit sehr feinen Metallgestellen.
Welche Farben und Materialien liegen im Trend?
Softe, natürliche Farbtöne wie Beige, Champagner, Camel, Sand sowie helle Brauntöne sind sehr beliebt. Aber auch Weiß oder Rosé und Schwarz bei den Nerd-Brillen. Was die Materialien anbelangt, stehen transparenter Kunststoff, Acetat, Horn, Metalle - insbesondere Gold und Kupfer - hoch im Kurs.
Muss man brillentechnisch mit dem Trend gehen?
Eine Brille sollte vorrangig zum Typ passen und die Wirkung erzielen, die man mit ihr erzielen möchte.
Muss eine gute Brille viel kosten?
Eine gute Brille muss nicht zwangsläufig viel kosten. Attraktive Fassungen gibt es heute auch schon sehr günstig. Die Kosten einer Brille sind eher davon abhängig, welche Ansprüche man an die Gläser stellt.
Sind auch No-name-Brillen okay?
Mitunter kann eine No-name-Brille sehr gut passen. Es ist eher eine Frage des persönlichen Geschmacks und Wirkungswunsches. Ob Marke oder nicht: Entscheidend ist, dass die Brille in puncto Farbe, Form, Größe, Muster und Material ideal zur Trägerin bzw. zum Träger passt.
Mit welchen Marken kann man bei den Kollegen im Managementsegment punkten?
Je nachdem, ob Markenbewusstsein oder Understatement angesagt ist, kann unterschieden werden: Wer eher Traditionelles schätzt, wird zum Beispiel zu Rodenstock, Persol, Lozza oder Silhouette greifen. Lifestyle wird mit Ray-Ban, Carrera oder Porsche vermittelt. Sportliche greifen zu Adidas, Puma oder Lacoste. Eleganz versprechen Max Mara, Armani oder Dior. Unabhängigkeit vermittelt Davidoff. Deutsche Gradlinigkeit wird mit Joop oder Hugo Boss unterstrichen, amerikanischer Spirit mit Ralph Lauren. Opulente, extravagante Designermodelle findet man bei Prada, Gucci oder Versace.
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Sollte man/frau verschiedene Brillen für verschiedene Anlässe haben? Oder wäre das zu viel des Guten?
Wenn man permanent eine Brille trägt, kann es durchaus Sinn machen, mehrere Brillen zu verwenden. Gerade farblich sollte die Brille immer gut zum Gesamtstyling passen. In dieser Hinsicht sind Brillen, deren Bügeln mit einem Klick ausgetauscht werden können, eine tolle Option, um die Brille je nach Outfit zu verändern.
Steckbrief
Bettina Kohlweiss
Bettina Kohlweiss ist Expertin für Stil, Image und Karriere. Die studierte Wirtschaftspädagogin kombiniert ihre langjährige Erfahrung als Führungskraft im Human Resources Management mit ihrem Knowhow als zertifizierte Stil- und Imageberaterin, um Menschen im privaten wie auch im unternehmerischen Bereich dabei zu begleiten, gut auszusehen sowie kompetent, authentisch und selbstsicher aufzutreten. Hier geht es zu ihrer Homepage.