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Schau mir in die Augen, Kleines

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Dr. Monika Wogrolly
©Bild: Matt Observe/News
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Spätestens seit Humphrey Bogart zu Ingrid Bergman im Filmklassiker „Casablanca“ den Satz schmettert: „Ich schau dir in die Augen, Kleines“, ist die Bedeutung des Blickkontakts in der Liebe buchstäblich offensichtlich.

Nicht von ungefähr spricht man von Liebe auf den ersten Blick. Oder davon, dass einen beim ersten Flirt die Gewissheit, dass es der oder die Richtige sei, wie ein Blitz getroffen habe. Blicke machen zum guten Teil Beziehung und Liebe aus, aber auch positive Geschäftsabschlüsse beruhen mithin auf einem Vertrauen stiftenden Augenkontakt. Augen gelten als Spiegel der Seele. Je nach soziokulturellen Werten werden Augen, Augenfarbe und Augenschnitt unterschiedlich wahrgenommen. Kleine Augen wirken häufig eher verschlagen und listig. Große Augen erinnern hingegen an unschuldige Kleinkindblicke. Neben dem positiven Blickkontakt gibt es den bösen Blick, das beängstigende Starren: wenn Blicke etwa das Empfinden wecken, mit den Augen ausgezogen oder von Blicken getötet zu werden.

Psychologisch gesehen blickt man das Gegenüber nicht grundlos an, wenn man miteinander speist und ihm zuprostet. Es ist davon auszugehen, dass deshalb romantische Liebesbeziehungen beim Essen, aber auch im Kino ihren Ausgang nehmen oder ebendort gefestigt werden: Denn im Kino wird zum vielleicht allerersten Mal vertrauensvoll gemeinsam in eine Richtung geschaut, als symbolische Vorwegnahme einer gemeinsamen Blickrichtung. Und im Restaurant sitzen sich Paare bezaubert gegenüber und blicken, so könnte man meinen, in die Urgründe ihrer Seele. In Sigmund Freuds Werk „Totem und Tabu“ geht es um das gemeinsame Essen verfeindeter Völker, das schließlich Vertrauen herstellt.

Für Andreas Wedrich, Vorstand der Universitätsklinik für Augenheilkunde in Graz, ist ein Zusammenhang zwischen Sehen und Psyche schulmedizinisch evident. Vor allem Stress könne sich auf die Sehkraft schlagen. „Es gibt sogar eine ganz spezielle Erkrankung, die zum extrem hohen Ausmaß mit Stress zusammenhängt. Das ist die Retinopathia centralis serosa.“ Es handle sich um eine Erkrankung der Netzhaut („Retinopathie“) im Bereich der Macula centralis, bei welcher es zu einer Flüssigkeitsansammlung unter der Netzhaut komme („Serosa“). Andreas Wedrich: „In weiterer Folge entsteht in der Mitte der Netzhaut eine Schwellung. Es entstehen verwackelte Bilder. Blickt man zum Beispiel auf einen Türrahmen, sieht man Wellen, die Sehschärfe sinkt ab. Das ist ganz typisch assoziiert mit Stress über die Schiene Adrenalin und Cortison. Wenn man chronisch hochdosiert Cortison nehmen muss, kann es zu einer Centralis-Serosa-Veränderung kommen, was dann das Sehen und die Lesefähigkeit herabsetzt.“

Bei manchen Menschen gibt es ein vorübergehendes Erblinden oder Unscharfsehen, wenn man etwas nicht wahrhaben will und eine Niederlage, einen Verlust oder andere traumatische Ereignisse förmlich ausblendet.
Augenfacharzt Andreas Wedrich: „Es gibt Situationen, wo Menschen, sogar schon Kinder, plötzlich angeben, nichts zu sehen oder schlecht zu sehen, wo wir aber organisch nichts finden. Und dann mit Geduld zuhören und auch die anderen Aspekte behandeln. Oft bringt nur biopsychosoziales Hinschauen den Durchblick. Dann erkennen wir, dass es nicht allein der Augenarzt ist, der hier unmittelbar helfen kann.“

Was gibt es noch an zeitgeistigen Augenleiden? Bei der seit der Pandemie zunehmenden Bildschirmarbeit wird das Auge äußerst angestrengt und kann leicht austrocknen, da die Blinzelfrequenz drastisch sinkt. Universitätsprofessor Wedrich: „Das führt zu Juckreiz, Brennen oder Rötungen, aber auch zu einer Sehverschlechterung. Der Grund: Wenn man sehr konzentriert arbeitet, nimmt die Blinzelfrequenz ab. Üblicherweise wird die Augenoberfläche durch das Öffnen und Schließen der Lider befeuchtet. Doch wenn man konzentriert am Bildschirm sitzt, dann vergisst man, zu blinzeln.“

Indessen gibt es schon Apps für den Bildschirm, die immer wieder aufblinken, sodass man blinzeln muss und nicht darauf vergisst. In der Liebe oder bei Liebeskummer sollten Sie ruhig den Mut zum Weinen haben. Denn das Feuchthalten des Auges ist nicht nur gut für die Sehkraft. Es fördert Emotionen zutage, die sonst wie Blei am Grund der Seele liegen und Depressionen den Weg bereiten.

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Schreiben Sie mir bitte: praxis  wogrollymonika.at

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