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Barbies Puppenmacherin

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Peter Sichrovsky
©Bild: News/Ricardo Herrgott
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Letzte Woche begann weltweit der Kinostart des erste Spielfilms über die Puppe Barbie. Bisher gab es etwa 40 Zeichentrickfilm-Projekte mit und über Barbie. Regisseurin und Produzentin Greta Gerwin, die mit dem Film "Lady Bird" zwei Oskar-Nominierungen erreichte, hat zum ersten Mal Barbie als Realfilm mit einer Schauspielerin besetzt.

Fox News, mehrere christliche Zeitungen und Radiostationen in den USA warnten bereits vor dem Film mit der Botschaft: "Schauen sie sich diesen Film nicht mit ihren Kindern an!" Die Handlung der absurden Komödie, in der die Heldin aus "Barbie-Land" verstoßen wird - als nicht perfekte Puppe -und sich in der realen

Welt behaupten muss, mit Kriminalität, Transgender-,homosexuellen und lesbischen Paaren, hat bereits vor der Veröffentlichung heftige Diskussionen ausgelöst. Letzten Mittwoch warteten in London vor dem Premieren-Kino am Leicester Square die ersten Barbie-Fans um drei Uhr morgens auf Karten für die erste Show des Filmes. In rosa Kleidung und mit blonden Perücken reihten sich Frauen und Männer der verschiedensten Nationalitäten und Hautfarben in die Warteschlange. Ein eindrucksvolles Star-Aufgebot mit Margot Robbie, Ryan Gosling und Will Ferrell garantieren allerdings Erfolg. Der Film wird bereits als Oscar-Kandidat 2024 gehandelt und scheint der Sommer-Hit dieses Jahres zu werden.

Eisenbahn

Barbie - von Mädchen bewundert, verehrt und gesammelt, später von Vertreterinnen der Frauenbewegung und Ernährungswissenschaft kritisiert und verdammt -hat eine ebenso wechselhafte Geschichte wie ihre Schöpferin, Ruth Handler.

Ruths Vater, Jakob Moskowicz, verkaufte um 1900 - nach Pogromen in Polen, der Zerstörung seiner Werkstatt und seines Hauses - seine Schmiede und alle Werkzeuge, erwarb eine Schiffk arte nach Amerika und ließ den Rest des Geldes seiner Frau, die mit sechs Kindern zurückblieb. 1905 landete der dreißigjährige Jakob Moskowicz in New York. Nach einer kurzen Untersuchung durch die Ärzte auf Ellis Island schickten sie ihn weiter zum Immigration Offi ce. Der Beamte fragte ihn, wo er herkomme, wie er heiße, versuchte, seine Dokumente zu entziffern, doch Jakob Moskowicz, der nur Jiddisch sprach, stotterte aufgeregt und nervös, so dass der Vertreter der Einwanderungsbehörde seinen Namen auf Mosko kürzte, ihn unter der Bedingung einreisen ließ, dass er nach Denver weiterreise, wo es an Handwerkern in der Eisen-und Stahlindustrie mangelte.

Jacob Mosko fand mit neuem Namen und neuen Papieren schnell Arbeit, spezialisierte sich als gelernter Schmied auf die Herstellung von Eisenbahnschienen, kaufte ein Haus und ließ 1908 seine Frau Ida und die Kinder nachkommen. 1916 wurde Ruth geboren, als Jüngste der zehn Kinder. Ihre Mutter, Ida Mosko, bereits vierzig Jahre alt, erschöpft und krank, konnte sich nicht um Ruth kümmern und schickte sie zur ältesten, 20 Jahre älteren Tochter Sarah. Sarah Greenwald und ihr Ehemann Louie nahmen Ruth gerne auf. Sie half bereits als Zehnjährige im Lebensmittelgeschäft der Greenwalds und entwickelte sehr früh eine Begeisterung für Geschäft und Handel.

Mit 16 Jahren heiratete sie gegen den Willen ihrer Eltern und ihrer Großeltern - die eigentlich ihre Eltern waren - den Mitschüler Elliot Handler. Unter dem Namen Ruth Handler wurde sie eine der bekanntesten und reichsten amerikanischen Unternehmerinnen. Lange vor der Entwicklung der "Barbie-Puppe" waren die Handlers erfolgreich mit Plastikmöbeln. Elliot Handler baute zum Spaß für das eigene Heim Möbel aus neuen Materialien wie Plexiglas, bis Ruth Handler vorschlug, eine Möbelwerkstatt aufzumachen. Das Geschäft explodierte, sogar Fluglinien bestellten bei ihnen ihre Sitze.

Puppenstuben

In den 1940er-Jahren kam sie auf die Idee, die Erfahrungen des Möbelbaus auf Puppen und Puppenstuben auszuweiten. Auch dieses Projekt entwickelte sich zu einem großen Erfolg. Ein Spielzeug-Klavier für das Puppen-Haus, das wie eine Music-Box funktionierte, verkaufte sich 20 Millionen mal in den USA. Das anfänglich als Zusatz geplante Geschäft mit Spielzeug brachte Matson gründeten sie 1945 das Unternehmen Mattel, das einige Jahrzehnte später bald mehr Umsatz als die Möbel für Erwachsene. Gemeinsam mit Harold Matt in die Liste der "Fortune 500"(500 erfolgreichsten Unternehmen der USA) aufgenommen wurde.

1956 während einer Europa-Reise mit ihren beiden Kindern Barbara und Ken entdeckte Ruth Handler in der Schweiz die Puppe Lilli in einem Spielwarengeschäft. Die Idee für Lilli geht auf eine Karikatur in der "Bild"-Zeitung zurück. Die deutsche Firma Hausser entwarf auf Grundlage des Bild-Comics die Puppe Lilli. Ruths Tochter war von Beginn an begeistert, frisierte die Puppe, zog ihr verschieden Kleider an und behandelte sie wie eine Freundin oder Tochter im Gegensatz zu den weichen, anschmiegsamen Puppen, die sie vorher hatte. Ruth Handler schuf nach diesem Vorbild Barbie, die sie 9. März 1959 auf der US-Spielzeugmesse vorgestellte. Spielzeuggeschäfte reagierten skeptisch, bis Ruth Handler sich entschloss, das Marketing -als neue Methodik der Werbung -direkt auf Kunden zu konzentrieren. Im ersten Jahr verkaufte Mattel 350.000 Barbie-Puppen. Innerhalb weniger Jahre gab es kaum mehr ein Mädchen, das sich nicht eine Barbie-Puppe von ihren Eltern wünschte. Am Höhepunkt der "Barbie-Hysterie" wurde alle drei Sekunden irgendwo in der Welt eine Barbie-Puppe gekauft -bisher mehr als eine Milliarde Puppen weltweit.

Das geniale Marketing des Unternehmens schuf eine Barbie-Fantasiewelt mit ständiger Entwicklung neuer Produkte - 1961 wurde "Barbie-Freund" Ken vorgestellt, benannt nach dem Sohn von Ruth Handler. Ruth Handler übernahm als CEO das Unternehmen und war eine der ersten Frauen in dieser Funktion.

Magersucht

In den darauffolgenden Jahrzehnten erweiterte Mattel das Programm mit unterschiedlichen Puppen wie Barbies Schwester Shelly und ihrer afroamerikanischen Freundin "Christie". Barbie gibt es inzwischen mit verschiedenen Hautfarben, mit muslimischem Hidschab und im Rollstuhl, seit 2016 mit verschiedenen Körperformen, mit mehr Hüfte und kürzeren Beinen und einer Barbie mit Down-Syndrom. Ebenso wird Ken mit unterschiedlichen Haut-und Haarfarben angeboten. Mattel beschäftigte bis 100 Personen in der Designabteilung für neue Puppen und Kleider. Die weiblichen Puppen haben Brüste, den männlichen fehlen Geschlechtsmerkmale. Von Beginn gab es Kritik bezüglich der Geschlechter-Klischees. Seit sich die Marke Barbie jedoch gegen Rassismus und für Diversity engagiert, gilt sie als "politically correct".

Wie gefährlich Barbie für junge Mädchen ist, versuchten Forscherinnen der School of Psychology in Adelaide, Australien, zu untersuchen und befragten 160 Mädchen im Alter von fünf bis acht Jahren. Mädchen mit Barbies betrachteten Barbies nicht nur als Spielzeug, sondern als Schönheitsideal. "Sie denken, dass ein Aussehen wie Barbie wichtig und dass vor allem Dünnsein gut sei. Der Wahn, möglichst dünn zu sein, führte bei vielen zu Ernährungsproblemen und zur Magersucht", erklärte die Leiterin der Studie.

Prothesen

1970 erkrankte Ruth Handler an Brustkrebs und zog sich aus dem Geschäft zurück. Für die damals übliche radikale Mastektomie bot der Handel wenig brauchbare Prothesen, also entschloss sich Ruth Handler, ein neues Unternehmen zu gründen. Sie nannte das Produkt "Nearly Me" und brachte ihre Erfahrungen der Kunststoffverarbeitung in die Herstellung von Brust-Prothesen ein. Entscheidend für den Erfolg war die Unterstützung durch die damaligen First-Lady Betty Ford, die selbst an Krebs erkrankte.

Nach zahlreichen Untersuchungen der US-Steuerbehörden wurde Ruth Handler 1975 zu einer Strafzahlung und 2.500 Stunden Gemeinschafts-Dienst verurteilt. Sie legte ihre Funktionen in allen Unternehmen zurück. Handler starb 2002. Barbie-Puppen sind heute wertvolle Sammelobjekte. Bei einer Auktion in den USA wurde eine "Original-Barbie", die 1959 ganze 2.99 US-Dollar kostete um 300.000 Dollar ersteigert.

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