Ermittlungen gegen Kurz können weitergehen

ÖVP-Partei- und Klubobmann Sebastian Kurz ist am Donnerstag vom Nationalrat "ausgeliefert" worden.

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Ermittlungen gegen Kurz können weitergehen
Key Take Aways dieses Artikels
  • Ermittlungen gegen Kurz können weitergehen
  • Vertraute von Kurz legten Beschwerde ein
  • ÖVP-Ermittlungen: Disput um Gutachten - Kurz beteuert Unschuld
  • Mitterlehner will kein Entlastungszeuge sein
  • Wöginger sieht Kurz durch Karmasin entlastet
  • Bundeskanzleramt: Keine Zahlungen für Beinschab-Studien
  • Kurz-Berater Fleischmann hat Kanzleramt verlassen
  • Kurz wird im November-Plenum ausgeliefert
  • Meinungsforscherin Beinschab offenbar gestädnig
  • Kritik aus der Justiz an Razzien bei "Österreich"
  • Blümel schließt Kurz-Comeback als Kanzler nicht aus
  • Finanzressort hat Karmasin-Studie storniert
  • Befragung: Kurz soll aus Politik aussteigen
  • Ethikrat: Kurz-Chats widersprechen Verhaltenskodex
  • RH leitet Prüfung von Umfragen und Studien ein
  • Kurz als ÖVP-Klubchef angelobt
  • Meinungsforscherin B. wieder enthaftet
  • Matthias Strolz sagte 2017 das Ende von Kurz voraus
  • Opposition einigte sich auf U-Ausschuss
  • Schallenberg will Kurz-Kurs halten

Die Erlaubnis zur weiteren Strafverfolgung durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) erfolgte einstimmig. Kurz war nach dem Rücktritt als Bundeskanzler und dem Wechsel in den Nationalrat durch die parlamentarische Immunität geschützt. Nun kann u.a. wegen des Vorwurfs der Untreue und falschen Zeugenaussage wieder gegen ihn ermittelt werden.

Die Basis für den Beschluss war bereits am Dienstag im Immunitätsausschuss gelegt worden. Kurz selbst hatte wiederholt betont, an einer raschen Aufklärung interessiert zu sein. Die Vorwürfe im Zusammenhang mit der Umfragen/Inseraten-Affäre bzw. seiner Aussage im parlamentarischen U-Ausschuss wies er zurück, er habe sich strafrechtlich nichts zu Schulden kommen lassen.

Auch bei FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz gab der Nationalrat sein Okay für Ermittlungen. Freiheitliche und NEOS stimmten dagegen, sehen sie doch einen Zusammenhang mit der Abgeordneten-Tätigkeit des FPÖ-Mandatars. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien wegen Verhetzung wegen eines Postings im Fall Leonie.

Vertraute von Kurz legten Beschwerde ein

Der frühere Medienbeauftragte Gerald Fleischmann und ÖVP-Berater Stefan Steiner legten Beschwerde gegen die im Oktober erfolgte Ermittlungsmaßnahme der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ein, berichten die "Presse" und der "Kurier". Eine solche Beschwerde ist bei der WKStA einzubringen, die sie - mit einer Stellungnahme über ihre Sicht der Dinge - an das Oberlandesgericht Wien (OLG) weiterzuleiten hat. Das OLG entscheidet, ob die vorgenommene Hausdurchsuchung - die vom Landesgericht für Strafsachen im Vorhinein genehmigt worden war - rechtskonform war. Gefundene Beweismittel, die für das Verfahren von Relevanz sind, wären aber keinesfalls zu vernichten.

Fleischmann, der nach Bekanntwerden der Affäre das Kanzleramt verlassen musste, ortet "geradezu willkürliche Sachverhaltsannahmen", auf denen die Hausdurchsuchung fuße. Steiner erachtet die Hausdurchsuchung bei ihm als "rechtswidrig und unverhältnismäßig". Denn es gebe "keine einzige konkrete Nachricht oder sonstige Beweise", die auf eine Involvierung von ihm hindeuteten. Ermittelt wird von der WKStA auch gegen Kurz. Da bei ihm keine Hausdurchsuchung durchgeführt worden war, kann er diesbezüglich kein Rechtsmittel erheben.

Kurz-Auslieferung im Nationalrat

Im Nationalrat geht es unter anderem um die weitere Strafverfolgung des derzeit durch die Abgeordnetenimmunität geschützten ÖVP-Altkanzlers Sebastian Kurz. Die Zustimmung dafür dürfte einstimmig erfolgen. Auch FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz wird "ausgeliefert".

Disput um Entlastungsgutachten

Das Entlastungsgutachten Peter Lewischs zu den Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz sorgt für Diskussionen. Die Universität Wien hat sich von dem im Auftrag des ÖVP-Parteianwalts erstellten, aber mit ihrem Logo versehenen Gutachten distanziert. Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) beteuerte in einer schriftlichen Mitteilung am Montag einmal mehr seine Unschuld, unter Hinweis auf das Lewisch-Papier.

Kurz begrüßte, dass der Nationalrat diese Woche (mit Zustimmung der ÖVP) die Aufhebung seiner Immunität beschließen wird - wie es die WKStA wegen ihrer Untreue- und Betrugsermittlungen in der Inseratenaffäre beantragt hat. "Ich bin froh, wenn die Ermittlungen der WKStA schnell voranschreiten, und ich weiß, dass der Sachverhalt bald geklärt wird. Die falschen Vorwürfe gegen meine Person lassen sich rasch entkräften. Ich kann nicht beurteilen, was im Jahr 2016 im BMF stattgefunden hat, aber eines ist klar: Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen, wie zuletzt auch ein Rechtsgutachten ergab, und werde das auch beweisen", teilte Kurz schriftlich mit.

Dieses Gutachten hatte schon am Wochenende für Auseinandersetzungen gesorgt. Geschrieben hat es der Wiener Strafrechtsprofessor Lewisch im Auftrag von ÖVP-Parteianwalt Werner Suppan. Lewisch legt auf 17 Seiten dar, dass sich der von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft behauptete konkrete Tatverdacht gegen Kurz "in keiner Weise nachvollziehen" lasse - und wirft den Ermittlern "Spekulationen und Mutmaßungen" vor.

Gedruckt ist das Privatgutachten auf Papier, das mit dem Logo der Universität Wien versehen ist. Lewisch arbeitet dort als Professor am Institut für Strafrecht und Kriminologie - und gleichzeitig ist der Rechtsanwalt als Senior Counsel für die Kanzlei "Cerha Hempel" tätig, deren Partnerin Edith Hlawati mittlerweile die Staatsholding ÖBAG leitet.

Die Uni Wien wollte sich als Institution jedoch nicht vereinnahmen lassen: Lewisch habe bestätigt, das Gutachten als Professor geschrieben zu haben. "Es handelt sich um ein persönliches Gutachten, nicht um eines der Institution", stellte sie klar. Auch wenn aus anderen Disziplinen (etwa in der Medizin) Gutachten erstellt werden, "wird niemals nahegelegt, dass es sich dabei um eine institutionelle Äußerung handeln könnte", hieß es in einer Stellungnahme auf der Homepage und in den Sozialen Medien.

Üblich scheint die Verwendung eines Uni-Logos auf bestellten Privatgutachten jedenfalls nicht zu sein: Sowohl der Linzer Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer als auch der emeritierte Wiener Uniprofessor Heinz Mayer betonten am Montag im Ö1-"Mittagsjournal", solche Expertisen niemals als offizielles Uni-Gutachten ausgewiesen zu haben. An der Linzer Kepleruniversität wäre das nicht zulässig, berichtete Birklbauer.

Auch inhaltliche Mängel beanstandeten die beiden Juristen: Die WKStA werfe Kurz nicht Untreue vor, sondern die Beteiligung an einer solchen - also an fremden Untreuehandlungen. Dazu sage Lewisch aber "überhaupt nichts", konstatierte Mayer. Birklbauer verwies darauf, dass eine Beschwerde der rechtlich vorgesehene Weg ist, wenn man mit Ermittlungsmaßnahmen nicht einverstanden ist, "nicht ein Gutachten, in dem ich die Staatsanwaltschaft kritisiere" - zumal die Hausdurchsuchungen u.a. im Kanzleramt von einem Gericht genehmigt werden mussten.

Rege Auseinandersetzungen über das Gutachten gab es auf Facebook und Twitter. Kurz-Anhänger interpretierten es quasi schon als Freispruch für Kurz, Kritiker empörten sich über einen Reinwaschungsversuch mittels eines von der ÖVP beauftragten Privatgutachtens im Rahmen einer Ligitation-PR-Kampagne.

Ähnlich die politische Debatte: "In aller Deutlichkeit wird darin dargelegt, dass es schlichtweg keine konkrete Verdachtslage gegen Sebastian Kurz gibt", meinte am Sonntag in einer Aussendung der stv. ÖVP-Klubchef August Wöginger, der zudem zum Schluss kam, "dass die WKStA scheinbar wieder einmal außerordentlich schlampig gearbeitet hat".

Strafrechtlich relevante Vorwürfe seien "vor Gericht zu entscheiden, nicht von einem Gutachter", hielt dem SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch entgegen - und sprach von einem "Versuch, Kurz von den unfassbaren politischen Skandalen reinwaschen zu wollen". "Das einzige, worum sich die ÖVP derzeit kümmert, ist das Comeback von Altkanzler Kurz ", kritisierte am Montag Finanzsprecher Jan Krainer in einer Pressekonferenz - und forderte die ÖVP auf, endlich nachzugeben, damit der U-Ausschuss zu möglicher Korruption in ihren Reihen noch diese Woche auf den Weg gebracht werden kann.

"Während das Land aufgrund des Versagens vor allem der ÖVP und ihrer Landesfürsten immer mehr im Corona-Chaos versinkt, ist der Obmann dieser Partei allein mit sich selbst beschäftigt und damit, wie er es mit faulen Tricks, hinterlistigen Intrigen und womöglich wieder krummen Machenschaften neuerlich zurück an die Macht schaffen könnte, sich endlich wieder Bundeskanzler nennen zu dürfen", hatte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz die Sache kommentiert.

Auch in einigen Medien wurde der Entlastungsversuch über das Gutachten als Anzeichen gewertet, dass der seit seinem Kanzler-Rücktritt am 11. Oktober weitgehend von der öffentlichen Bildfläche verschwundene Kurz nun das Comeback in Angriff nimmt. Genährt wurde dies durch die Tatsache, dass der jetzige Klubobmann vergangene Woche ÖVP-Landesorganisationen besuchte.

Mitterlehner: "Ich habe es satt"

In der "Tiroler Tageszeitung" (Donnerstag-Ausgabe) widerspricht Reinhold Mitterlehner dem jüngsten Entlastungsversuch des ÖVP-Klubvizes August Wöginger für den mittlerweile als Bundeskanzler zurückgetretenen Kurz. Mitterlehner will, wie er sagte, sich nicht von Kurz und dessen Anwälten "als Entlastungszeuge missbrauchen" lassen.

»Ich habe es satt, dass mein Name von Kurz und seinen Anwälten in den Mund genommen und verwendet wird, um mich als Entlastungszeuge zu missbrauchen«

"Ich habe es satt, dass mein Name von Kurz und seinen Anwälten in den Mund genommen und verwendet wird, um mich als Entlastungszeuge zu missbrauchen", sagte Mitterlehner - laut TT -Vorabmeldung - wörtlich. Er habe zu "all den unglaublichen Vorgängen nichts mehr sagen" wollen. Aber "die untauglichen Entlastungsversuche kann ich nicht mehr schweigenden hinnehmen", stellte Kurz' Vorgänger fest.

Das Fass zum Überlaufen gebracht haben, so die TT, die Aussagen im "Kurier" von Anwalt Norbert Wess zur Verteidigung seiner Mandantin, der ebenfalls in der ÖVP-Affäre beschuldigten Ex-Familienministerin Sophie Karmasin, und vor allem die Replik darauf von ÖVP-Klubvize Wöginger. Dieser tat am Mittwoch beim Ministerrats-Doorstep kund, dass er Kurz "massiv" entlastet sehe - weil nun klar sei, dass der Chat falsch interpretiert worden sei. In Wahrheit hätte Kurz Karmasin treffen wollen, um den Rücktritt der Ministerin zu verhindern.

Dem tritt Mitterlehner vehement entgegen: Aus dem Chatverlauf geht für ihn "klar hervor, dass es beim Treffen Kurz mit Karmasin um Meinungsumfragen ging, und nicht um Rücktritt oder Neuwahlen. Weiters sei es absurd, dass sich Kurz um Neuwahlen sorgte, weil bereits eine Umfrage im Feld war, die belegen sollte, dass Kurz bei umgehenden Neuwahlen der mit Abstand bessere Kandidat wäre."

Wögingers und Wess' Interpretation steht dem Chatverlauf, so Mitterlehner, "diametral entgegen". Denn schon drei Tage vor dem Treffen Mitterlehners mit Karmasin hat Thomas Schmid an Kurz getwittert: "Gute News bei der Umfrage Front. Sophie weiß ich nicht, ob ich überreden konnte." "Kann ich mit ihr reden", antwortete Kurz. Schmid meinte daraufhin: "Ja bitte! Sie ist so angefressen wegen Mitterlehner, weil er ihr in den Rücken gefallen ist. Habe jetzt 3 Stunden mit ihr gesprochen. Und spindi (Mitterlehners VorgängerMichael Spindelegger, Anm.) auf sie angesetzt." Und weiter schrieb Schmid: "Wenn du ihr sagst, dass jetzt die Welt nicht untergeht. Und das Mitterlehner eben ein Arsch war usw. Hilft das sicher." "Passt mache ich", antwortete Kurz.

Wöginger sieht Kurz durch Karmasin entlastet

ÖVP-Vizeklubobmann August Wöginger sieht Ex-Kanzler Sebastian Kurz von den Vorwürfen in der Inseraten-Affäre "massiv" entlastet. Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer konterte, politische Zurufe seien "entbehrlich".Es sei jetzt klar, dass Ex-Ministerin Sophie Karmasin und Kurz sich deshalb hätten treffen wollen, um den Rücktritt der Ministerin zu verhindern, bezog er sich am Mittwoch auf Karmasins Anwalt, wonach Chats falsch interpretiert worden sein sollen. "Das entlastet Sebastian Kurz massiv und zeigt gleichzeitig, wohin eine Vorverurteilung führen kann", sagte Wöginger beim gemeinsam mit Maurer abgehaltenen "Doorstep" vor der Ministerratssitzung am Mittwoch zu einem Bericht des "Kurier". "Wir alle wollen eine starke Justiz" - er hoffe darauf, dass "Objektivität und Sachlichkeit" die Leitmotive für die weiteren Schritte sein werden.

Die neben Wöginger stehende Maurer sagte, sie habe "großes Vertrauen" in die Justiz. "Politische Zurufe sind aus meiner Sicht nicht notwendig", betonte sie. "Ich halte das für entbehrlich", sie kommentiere keine einzelnen Ermittlungsschritte. "Es stehen schwerwiegende Vorwürfe im Raum. Es geht um Aufklärung und Stabilität", betonte Maurer.

Karmasins Anwalt verteidigt Kurz

Wöginger bezog sich darauf, dass Karmasins Anwalt Norbert Wess im "Kurier" zur Verteidigung seiner Mandantin ausgerückt war. Dass Kurz mit der ehemaligen Ministerin ein Gespräch führen wollte, hätte ganz andere Gründe als einen möglichen Umfrage-Deal, interpretierte er Chat-Nachrichten zwischen dem späteren ÖVP-Chef und Thomas Schmid. Es sei nicht darum gegangen, Karmasin "zu einem Tatplan zu überreden", sondern sie von einem Rücktritt abzuhalten, meinte der Anwalt. Auch eine angebliche "besondere Nähe zwischen Kurz und Karmasin" habe es nicht gegeben, so Wess.

Dabei geht es um folgenden Chat-Verlauf: Im März 2016 schrieb Schmid an Kurz, "Gute News bei der Umfrage Front. Sophie weiß ich nicht, ob ich überreden konnte". "Kann ich mit ihr reden", antwortete Kurz. Schmid meinte daraufhin: "Ja bitte! Sie ist so angefressen wegen Mitterlehner (damaliger Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, Anm.), weil er ihr in den Rücken gefallen ist. Habe jetzt 3 Stunden mit ihr gesprochen. Und spindi (Mitterlehners Vorgänger als ÖVP-Chef Michael Spindelegger, Anm.) auf sie angesetzt." Und weiter schrieb Schmid: "Wenn du ihr sagst, dass jetzt die Welt nicht untergeht. Und das Mmitterlehner eben ein Arsch war usw. Hilft das sicher." "Passt mache ich", antwortete Kurz.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt unter anderem gegen Karmasin, Kurz und "Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner wegen Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit. Der Vorwurf lautet, dass aus Mitteln des Finanzministeriums, also Steuergeld, manipulierte Umfragen eines Meinungsforschungsunternehmens in "Österreich" bezahlt wurden, die ausschließlich im parteipolitischen Interesse von Kurz waren.

BKA: Keine Zahlungen für Beinschab-Studien

Das Bundeskanzleramt (BKA) hat während der Kanzlerschaften von Sebastian Kurz (ÖVP) keine Zahlungen an die Meinungsforscherin Sabine Beinschab und ihre Firma BB Research Affairs GmbH geleistet. Dies erklärtedas BKA am Montag in Beantwortung einer APA-Anfrage nach dem Auskunftspflichtgesetz.

Die Hintergründe von BB Research Affairs-"Eigenstudien", die sich mit Initiativen des damaligen Bundeskanzlers beschäftigten, waren im Herbst Gegenstand von Spekulationen gewesen.

Sabine Beinschabs BB Research Affairs hatte etwa am 31. März 2021 die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, in der 501 Österreicherinnen und Österreicher online über ihre Einstellung zum russischen Impfstoff "Sputnik V" befragt worden sein sollen. Die Mehrheit der Österreicher stünden laut der Umfrage "Sputnik V" positiv gegenüber, 69 Prozent der Bevölkerung befürworteten den Ankauf, hieß es in der als "Eigenstudie" ausgeschilderten Erhebung.

Die Veröffentlichung der Studie war unter anderem mit dem Begriff "Bundesregierung" beschlagwortet gewesen und die Ergebnisse unterstützten sichtlich eine Initiative des damaligen Bundeskanzlers Kurz. Letzterer konferierte wenige Stunden nach der Studienveröffentlichung mit dem russischen Botschafter in Wien und erklärte anschließend, dass die Sputnik-Beschaffung durch Österreich "auf den letzten Metern" sei. Zum Ankauf ist es in Ermangelung einer "Sputnik V"-Zulassung durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) jedoch nie gekommen.

"Es erfolgten seitens des Bundeskanzleramtes keinerlei Zahlungen im Vorfeld oder im Zusammenhang mit der von Ihnen angeführten Studie an die BB Research Affairs GmbH", informierte die Behörde am Montag. Darüber hinaus habe es seit 2017 keine Zahlungen an die BB Research Affairs GmbH oder Sabine Beinschab gegeben, hieß es. Neben der "Sputnik-V"-Studie waren 2021 weitere "Eigenstudien" etwa zu Vergabe der österreichischen Staatsbürgerschaft oder zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit veröffentlicht worden.

Kurz-Berater Fleischmann hat Kanzleramt verlassen

Mit Gerald Fleischmann und Johannes Frischmann beenden zwei der engsten Berater von Ex-Regierungschef Kurz ihre Tätigkeit im Bundeskanzleramt. Der frühere Medienkoordinator Fleischmann hat bereits mit Ende Oktober den Ballhausplatz verlassen, Sprecher Frischmann geht mit Ende des Jahres, hieß es aus dem Kanzleramt gegenüber der APA. Beide werden in der neuen Inseraten-Affäre beschuldigt.

Fleischmann, der davor unter anderem für die ÖVP-Bundespartei und die frühere Justizministerin Claudia Bandion-Ortner gearbeitet hatte, war Kurz' Sprecher der ersten Stunde. An seiner Seite machte der gebürtige Burgenländer später weitere Karriere, als er zum Medienbeauftragten im Kanzleramt aufstieg. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er als Moderator der Pressekonferenzen am Ballhausplatz bekannt.

Der Tiroler Frischmann diente wiederum quasi als Hauptsprecher von Kurz. Davor war er für den vormaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling tätig gewesen. Beide scheiden gemäß Angaben aus dem Kanzleramt auf eigenen Wunsch aus. Frischmann baut noch bis Jahresende Urlaub ab. Schon seit Ausbruch der Affäre waren die beiden nicht mehr aktiv gewesen. Ihnen wird jeweils u.a. Untreue vorgeworfen.

Kurz wird im November-Plenum ausgeliefert

Die Auslieferung von ÖVP-Klubobmann und Altkanzler Sebastian Kurz nach einem Ersuchen der WKStA zur behördlichen Verfolgung im Zusammenhang mit der Inseratenaffäre und einer Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss erfolgt im November-Plenum.

Der Immunitätsausschuss wird vor Beginn der Plenarsitzung am 16. November um 8 Uhr zusammentreten, gab SPÖ-Justizsprecherin und Ausschuss-Vorsitzende Selma Yildirim bekannt.

Damit könne die Auslieferung am 18. November auf die Tagesordnung des Nationalrats gesetzt werden, so Yildirim, die auf eine schnelle Aufklärung des "System Kurz" hofft. Nachdem der Immunitätsausschuss den Weg frei gemacht hat, muss im Plenum über die Auslieferung abgestimmt werden. Die ÖVP hatte bereits wiederholt klar gemacht, das Begehren zu unterstützen.

Die Türkisen gaben sich am Donnerstag "sehr zuversichtlich, dass sich der Sachverhalt bald aufklären wird". Die "falschen Vorwürfe" gegen Kurz würden sich "rasch" entkräften lassen. Die Verfahren würden ebenso wie jene gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) oder den suspendierten Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek mit Einstellung oder Freispruch enden, hieß es in einer Stellungnahme.

Unmittelbar nach seiner Angelobung als Klubobmann hat die WKStA einen Auslieferungsantrag an das Parlament gerichtet. Ermittelt wird gegen den früheren Regierungschef wegen Untreue und Bestechlichkeit in der neuen Inseratenaffäre. Dazu gibt es Ermittlungen wegen falscher Zeugenaussage im U-Ausschuss. Kurz bestreitet alle Vorwürfe vehement.

Meinungsforscherin Beinschab offenbar gestädnig

Medienberichte über die Inseraten-Korruptionsaffäre rund um die ÖVP und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz haben für Unruhe unter einigen Beschuldigten und ihren Anwälten gesorgt. Indizien deuten darauf hin, dass die vorübergehend festgenommene Meinungsforscherin Sabine Beinschab, die von der Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als Mitbeschuldigte geführt wird, zur Kooperation mit der WKStA bereit sein könnte.

Beinschab war am 12. Oktober festgenommen worden, nachdem sie wenige Stunden zuvor auf ihren elektronischen Datenträgern Chats gelöscht haben soll. Am darauf folgenden Tag soll sie in ihrer Beschuldigteneinvernahme vor der WKStA zu den aktuellen Vorwürfen ein Geständnis abgelegt haben, worauf sie wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, weil der Haftgrund Verdunkelungsgefahr nicht mehr angenommen wurde. Beinschab soll für die ÖVP bzw. den damaligen Außenminister und späteren Bundeskanzler und türkisen Parteiobmann Kurz günstige, zum Teil frisierte Umfragen erstellt und über Scheinrechnungen dem Finanzministerium verrechnet haben. Die WKStA ermittelt in diesem Zusammenhang gegen zehn Verdächtige wegen Untreue und Bestechung bzw. Bestechlichkeit, darunter ÖVP-Obmann Kurz, einige enge Vertraute des Ex-Kanzlers und die Medien-Macher Wolfgang und Helmuth Fellner. Für sämtliche Beschuldigte gilt die Unschuldsvermutung.

Im Lichte nun bekannt gewordener Entwicklungen, über die zunächst das "Ö1 Morgenjournal" berichtet hatte, erscheint denkbar, dass Beinschab vor der WKStA über ihr Geständnis hinaus Aussagebereitschaft angeboten hat und sich für die Kronzeugen-Regelung interessiert. Diese könnte für sie am Ende der Ermittlungen unter Umständen auch zu tragen kommen, obwohl sie bereits als Beschuldigte vernommen wurde und gegen sie Zwangsmaßnahmen - ihre Festnahme und eine Hausdurchsuchung an ihrer Adresse - gesetzt wurden. An sich ist der Kronzeugen-Status gemäß Strafprozessordnung (StPO) ausgeschlossen, wenn gegen einen Mitverdächtigen bereits behördlicher Zwang ausgeübt wurde - gibt der bzw. die Betroffene aber von sich aus bei dieser Gelegenheit strafrechtlich relevantes Wissen preis, von dem die Strafverfolgungsbehörden bis dahin keine Kenntnis hatte, könnte er bzw. sie damit doch noch in den Genuss der Kronzeugen-Regelung kommen. Wobei die diesbezügliche Entscheidung nicht im Vorhinein, sondern erst am Ende des Ermittlungsverfahrens fällt.

Ein Anlassbericht des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung (BAK) sowie ein Auszug der verschrifteten Rechtsbelehrung Beinschabs vor ihrer formellen Einvernahme als Beschuldigte, über die am Freitag zunächst das "Ö1 Morgenjournal" und dann auch "Der Standard" berichteten, deuten zumindest darauf hin, dass sich Beinschab in diese Richtung hin orientieren könnte. Demnach soll Beinschab nach Beratung mit ihrer Anwältin erklärt haben, freiwillig ihr Wissen zu teilen.

Wörtlich heißt es in einem von Beinschab unterzeichneten Protokoll, das "Falter"-Chefredateur Florian Klenk öffentlich machte: "Ich bin nunmehr bereit, freiwillig mein Wissen über Tatsachen und/oder Beweismittel zu offenbaren, deren Kenntnis wesentlich dazu beitragen kann, die umfassende Aufklärung (...) der Straftaten über meinen eigenen Tatbeitrag hinaus zu fördern oder eine Person auszuforschen, die an einer solchen Verabredung führend teilgenommen hat oder in einer solchen Vereinigung oder Organisation führend tätig war". Weiters soll sich Beinschab bezüglich ihrer umfänglichen Aussage vor der WKStA zur "absoluten Verschwiegenheit" verpflichtet und außerdem garantiert haben, jeglichen Kontakt mit den anderen Beschuldigten zu unterlassen.

Seitens der WKStA gab es zu dem allen keinen Kommentar. Ein Behördensprecher war auf APA-Anfrage unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen zu keiner Stellungnahme bereit.

Dass Beinschab ausgepackt und möglicherweise über Umfragen und Medien-Kooperationen berichtet haben könnte, die bisher noch gar nicht im Fokus der WKStA waren, vermuteten am Freitag auch zwei mit dem Korruptionsstrafrecht vertraute Anwälte, die in diesem Zusammenhang nicht namentlich genannt werden wollten. Unabhängig voneinander machten sie jeweils darauf aufmerksam, dass die Beschuldigteneinvernahme Beinschabs nicht verschriftlicht wurde. Sie wurde zunächst auf Video aufgezeichnet, die Abschrift soll erst später zum Akt genommen werden - ein offenbar eher ungewöhnlicher Schritt.

Diese Vorgangsweise hat einerseits den Vorteil, dass der Inhalt der Aussagen nicht publik wird - am Verfahren Beteiligte haben über ihre Rechtsvertreter Akteneinsicht, damit gewonnenes Wissen könnte geteilt werden - und die WKStA in Ruhe ermitteln kann. Zum andern wären Beinschabs Angaben vermutlich von der Akteneinsicht ausgeschlossen, sollte sie brisante Informationen preisgegeben haben, die den Ermittlungen eine neue Stoßrichtung versetzen. Fehlt das Protokoll mit ihrer Einvernahme im Akt bzw. wird dieses unter Verschluss gehalten, wäre aber für die Rechtsvertreter von weiteren Beschuldigten, die Zugang zum Akt haben, klar, dass den Angaben der Meinungsforscherin erhebliche Bedeutung zukommt.

Gelassen gab sich unterdessen die ÖVP: "Wir sind froh, wenn die Ermittlungen schnell voranschreiten und wir sind zuversichtlich, dass der Sachverhalt bald aufgeklärt wird und sich die falschen Vorwürfe gegen Sebastian Kurz rasch entkräften lassen", hieß es.

Anders klang naturgemäß FPÖ-Chef Herbert Kickl: "Die Luft für das türkise System wird immer dünner", befand er in einer Aussendung. "Der Countdown läuft." Die sichergestellten Chat-Nachrichten zeigten, wie sich Kurz "erst den Weg an die Parteispitze freiputschte und anschließend mit Hilfe frisierter Umfragen den Aufschwung der ÖVP inszenierte", meinte Kickl. "Wenn jetzt die Meinungsforscherin bei den Behörden auspackt, dann kann das nur zu einem raschen Ende für das türkise System führen."

Kritik aus der Justiz an Razzien bei "Österreich"

Die Rechtsschutzbeauftragte der Justiz und damit oberstes Kontrollorgan über die Staatsanwaltschaften übt Kritik an den Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen das Medienhaus "Österreich" im Zuge der Inseratenaffäre. In einer Beschwerde vom 14. Oktober bezeichnet die Rechtsschutzbeauftragte Gabriele Aicher die Bewilligung der Hausdurchsuchung in dem Medienunternehmen als rechtswidrig. Die WKStA wies die Vorwürfe zurück.

Aicher sieht auch keinen dringenden Tatverdacht gegen die Medienmanager Helmuth und Wolfgang Fellner. Zudem kritisiert die Expertin, dass alle Verfahren unter einem Dach gegen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache geführt werden. Die Folge sei, dass immer derselbe Richter alle Entscheidungen treffe. Aicher hinterfragt zudem, ob die Zufallsfunde vom Handy des gestürzten Ex-ÖBAG-Chefs Thomas Schmid "ohne Einhaltung der üblichen Regularien für Überwachungsmaßnahmen" überhaupt eine "Anzeige" und somit im Akt verwertbar seien.

In der "Krone" (Freitagausgabe) legt Aicher nach: "Wer den Rechtsstaat vertritt, hat sich selbst an die Vorgaben des Rechtsstaates zu halten. Ich sehe in den letzten Entwicklungen mit Blick auf das Redaktionsgeheimnis eine Gefahr für die Pressefreiheit." Sie sei in Sorge, "weil ich wahrnehme, wie fortlaufend versucht wird, Grenzen zu verschieben und das beunruhigt mich zutiefst . . .". "Der Zweck heiligt nicht die Mittel", so Aicher.

Die WKStA wies die Kritik in einer Aussendung vom Freitag zurück, gab aber zu, dass sie es "irrtümlich" verabsäumt habe, für eine geplante Handy-Standortbestimmung die bei Journalisten erforderliche Ermächtigung der Rechtsschutzbeauftragten zu beantragen. "Nach der gerichtlichen Bewilligung erkannte die WKStA selbst noch vor Umsetzung der Maßnahme am 5. Oktober 2021 dieses Versäumnis, hielt diesen Umstand transparent im Akt fest und wies das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) umgehend an, die Maßnahme nicht durchzuführen. Tatsächlich wurden die Standortdaten auch nicht erhoben", so die Staatsanwaltschaft.

Die darüber hinaus gehenden Kritikpunkte weise die WKStA "entschieden zurück". "Diese stehen aus Sicht der WKStA teilweise im Widerspruch zur Aktenlage, teilweise auch zur geltenden Rechtslage und suggerieren ohne ausreichende Tatsachengrundlage missbräuchliches Amtshandeln. In Anbetracht dieser Kritikpunkte legte die WKStA die Beschwerde mit einer ausführlichen Stellungnahme dem Gericht vor. Das Oberlandesgericht Wien wird im Rechtsmittelverfahren über die Zulässigkeit dieser Beschwerdepunkte und die rechtliche und inhaltliche Berechtigung der Einwände entscheiden."

Der stellvertretende ÖVP-Klubchef August Wöginger nahm den Disput zum Anlass, um Aufklärung von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) zu fordern. "Im Sinne unseres österreichischen Rechtsstaats muss die Justiz über jeden Zweifel erhaben sein", meinte er in einer Aussendung. Der ÖVP-Parlamentsklub werde daher auch eine parlamentarische Anfrage an Zadic richten. "Die Justiz darf nicht zum Mittel parteipolitischen Kalküls werden", so Wöginger. Umso wichtiger sei es, den aufgekommenen Vorwürfen schnell auf den Grund zu gehen.

Blümel schließt Kurz-Comeback nicht aus

Finanzminister und ÖVP-Wien-Obmann Gernot Blümel schloss unterdessen in einem Interview mit dem "profil" ein Comeback von Kurz als Kanzler nicht aus. Ein solches hänge "vom Status der zu überprüfenden Vorwürfe ab". Wenn die Justizverfahren gegen Kurz bis zur Parteigremien-Entscheidung über den nächsten Spitzenkandidaten eingestellt seien, "sehe ich überhaupt kein Problem".

Derartige "Reinwaschungsversuche von Kurz-Intimus Blümel" seien "Ausdruck von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit", befand daraufhin FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Aussendung. "Die Machenschaften der türkisen Kerntruppe sind so schmutzig, dass die Waschmittelvorräte der ganzen Welt nicht genügen, um die türkise Weste wieder in unschuldigem Weiß erstrahlen zu lassen."

Laut einer im "profil" veröffentlichten Umfrage von Unique Research (800 Befragte, Schwankungsbreite 3,5 Prozentpunkte) rechnen übrigens 64 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher mit einem vorzeitigen Ende der türkis-grünen Koalition. 14 Prozent glauben, dass die Regierung noch heuer zerfällt, 43 Prozent prophezeien der Koalition ein Scheitern im Verlauf des kommenden Jahres. Sieben Prozent rechnen mit dem Aus im Jahr 2023, 22 Prozent sind der Ansicht, die Koalition werde bis zum Ende der Gesetzgebungsperiode 2024 halten.

Finanzressort hat Karmasin-Studie storniert

Das Finanzressort hatte bis zuletzt weiter Verträge mit dem Marktforschungsinstitut "Research Affairs" von Marktforscherin B. und mit "Karmasin Research", dem Institut von Ex-Ministerin Sophie Karmasin. Gegen beide ermittelt die Korruptionsstaatsanwaltschaft in der Inseraten-Korruptionsaffäre rund um die ÖVP und Alt-Kanzler Sebastian Kurz. Die Aufträge wurden am Montag storniert, wie das Finanzministerium bestätigte.

Konkret wurde zuletzt laut Finanzministerium noch eine B.-Studie zum Thema Kryptowährungen sowie eine Karmasin-Studie zum Thema Budgetpolitik im europäischen Kontext abgewickelt. "Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung" habe das Ministerium die Finanzprokuratur allerdings gebeten, "die Vertragslage bei diesen beiden Studien zu prüfen, welche Möglichkeiten es gibt", wie es auf der Homepage des sozialliberalen Think Tanks Momentum Institut heißt. Am Montag hat das Finanzressort die Studien nun storniert. Über die Kosten für die Studien konnte ein Sprecher des Ministeriums keine Angaben machen, nachdem man ja derzeit versuche, aus den Verträgen auszusteigen.

Gegen B. und die damalige, von der ÖVP nominierte Familienministerin Karmasin wird von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Zusammenhang mit mutmaßlich manipulierten Umfragen ermittelt, die über den damaligen Finanzministeriums-Generalsekretär Thomas Schmid bei "Research Affairs" in Auftrag gegeben worden und dann in der Mediengruppe "Österreich" erschienen sein sollen. Ziel der Aktion soll gewesen sein, Kurz den Weg an die ÖVP-Spitze und letztlich ins Kanzleramt zu bereiten. Über "Scheinrechnungen" sollen die Kosten für die frisierten Umfragen dann dem Ministerium "untergejubelt" worden sein.

Das Finanzressort betont gegenüber der APA, dass Minister Gernot Blümel am 8. Oktober, also zwei Tage nach den Hausdurchsuchungen im ÖVP-Umfeld, in Absprache mit der Finanzprokuratur die Interne Revision des Ministeriums mit einer Prüfung der Vergabe aller Inseraten und Studien der Kommunikationsabteilung ab 2015 beauftragt habe. Wann die Ergebnisse vorliegen sollen, konnte man am Montag nicht sagen. Hier habe man keine Vorgaben gemacht. Es sei jedenfalls vereinbart worden, dass bis zum Vorliegen der Ergebnisse keine öffentlichen Stellungnahmen dazu abgegeben werden. Grundsätzlich veröffentliche das Finanzministerium seit Blümels Amtsantritt 2020 alle Umfragen auf seiner Homepage bzw. vom Ressort beauftragte volkswirtschaftliche Analysen auf den Homepages der jeweiligen Wirtschaftsforschungsinstitute.

Befragung: Kurz soll aus Politik aussteigen

Ein Großteil der Bevölkerung wünscht sich, dass Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Politik ganz verlässt. 65 Prozent sind dafür, dass sich Kurz als Klubobmann und Parteichef der ÖVP zurückzieht. Nur 27 Prozent sind dafür, dass er bleibt. Das geht aus dem für APA und ATV erstellten Österreich-Trend von Peter Hajek hervor. Bundeskanzler Alexander Schallenberg wird als der geeignetste ÖVP-Kanzler bewertet.

Die Befragung fand zwischen 18. bis 21. Oktober statt. Es wurden 800 Menschen ab 16 Jahren online und telefonisch befragt. Die Schwankungsbreite beträgt +/- 3,5 Prozent.

"Soll Sebastian Kurz weiterhin Klubobmann und Parteichef bleiben oder soll er sich aus allen politischen Funktionen zurückziehen?" Auf diese Fragen antworteten 65 Prozent mit Ja, 27 Prozent mit Nein, acht Prozent machten keine Angabe. Unter ÖVP-Wählern sah das allerdings ganz anders aus: Ganze 81 Prozent sprachen sich für einen Verbleib von Kurz in der Politik aus, 13 Prozent für einen kompletten Rückzug.

Auch bei der Frage, "welche Person als ÖVP Kanzler geeignet wäre", schneidet Kurz gar nicht gut ab. Nur 23 Prozent finden, dass er "sehr" beziehungsweise "eher geeignet" ist. 68 Prozent finden ihn "wenig" und "überhaupt nicht geeignet". Der Rest machte keine Angaben. Schallenberg hat mit 41 Prozent Zustimmung und 46 Prozent Ablehnung den besten Wert unter den Abgefragten ÖVP-Persönlichkeiten. Auch ÖVP-Wähler halten Schallenberg für geeigneter als Kurz. Er kommt auf 88 Prozent Zustimmung und nur sieben Prozent Ablehnung. Allerdings hat auch Kurz unter den ÖVP-Wählern relativ gute Werte mit 71 Prozent Zustimmung, 25 Prozent Ablehnung.

Innenminister Karl Nehammer (22 Zustimmung/63 Ablehnung), Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (18/61) und Europaministerin Karoline Edtstadler (15/58) haben (in der Gesamtbevölkerung) ähnliche Werte. Die Landeshauptleute Wilfried Haslauer (Salzburg) und Hermann Schützenhöfer (Steiermark) haben jeweils 20 Prozent Zustimmung und 45 bzw. 51 Prozent Ablehnung.

Dass sich die ÖVP-Minister am Beginn der Regierungskrise hinter Kurz gestellt und unterschrieben hatten, dass sie zurücktreten, wenn Kurz nicht Kanzler bleibt, nun aber alle im Amt geblieben sind, wird kritisch gesehen. 52 Prozent lehnen das ab, 35 sind für den Verbleib der Minister. 14 Prozent haben keine Meinung dazu.

Badelt bestätigt türkisen Druck auf Wifo

Der scheidende Chef des Wifo, Christoph Badelt, hat bestätigt, dass die Türkisen in der ÖVP Druck auf das Wifo ausgeübt haben. Der scheidende Chef des Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), Christoph Badelt, hat in der aktuellen Ausgabe des "profil" bestätigt, dass die Türkisen in der ÖVP, namentlich Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid, im August 2017 im Wahlkampf Druck auf das Wifo ausgeübt haben. "Bei einem Mittagessen hat mir Thomas Schmid sehr rüde eröffnet, dass das Finanzministerium die Wifo-Grundsubvention um eine Million, also um ein Viertel, kürzen wolle", sagte Badelt zum "profil".

"Ich war davon völlig überrascht und wirklich wütend. Ich war erst kurz Wifo-Chef und dachte mir, ich bin sicher nicht der, der das Wifo finanziell zu Grabe trägt, und habe mit meinem Rücktritt gedroht", schilderte der Wirtschaftsprofessor. Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium sagte demnach, dass es im Finanzministerium eine allgemeine Unzufriedenheit mit dem Wifo gebe und generell gekürzt werden müsse.

"Ich hatte den Eindruck, es ging nicht darum, eine bestimmte politische Linie durchzusetzen, sondern einfach zu zeigen, wer die Macht hat", so Badelt weiter. Die Kürzung der Wifo-Mittel verlief letztlich im Sand, auch weil das türkise Vorhaben publik wurde. "Das war ja die Zeit des Wahlkampfs, und ich habe vermutet, dass die das Thema nicht öffentlich haben wollten", und: "Ich glaube, die haben wirklich befürchtet, ich trete zurück."

Badelt wird in den Chats als "Wendehals" bezeichnet. Inhaltlich sei ihm aber nicht dreingeredet worden, betonte Badelt im "profil". Damit tauchen beide großen Wirtschaftsforschungsinstitute Österreichs in den Chats des türkisen Zirkels um Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf. Über den damaligen Chef des Instituts für Höhere Studien schrieb Schmied: "Kocher bringe ich noch auf Linie. IHS von BMF finanziert". Martin Kocher wechselte 2021 als Arbeitsminister in die ÖVP-Regierungsmannschaft.

Auch heuer gab es im September Wirbel um die Finanzierung von Wifo und IHS. Im Raum stand eine Kürzung der Basisfinanzierung durch die Nationalbank (OeNB). Der designierte IHS-Chef Lars Feld hatte deshalb verlangt, dass zuerst die Finanzierung des Instituts geklärt wird, ehe er seinen Vertrag unterschreibt. Feld hätte seinen neuen Posten am 1. Oktober 2021 antreten sollen. Zuletzt zeigte er sich aber zuversichtlich, dass die Einigung bis November unter Dach und Fach ist.

Ethikrat: Kurz-Chats widersprechen Verhaltenskodex

Der Ethikrat der ÖVP kritisiert die in den Chats bekannt gewordenen Aussagen von Parteiobmann und Alt-Bundeskanzler Sebastian Kurz. Das Gremium unter der Leitung der früheren steirischen Landeshauptfrau Waltraut Klasnic "stellt fest, dass die Wortwahl und der mangelnde Respekt in einigen der an die Öffentlichkeit gelangten Chats völlig unangemessen und abzulehnen ist und dem Verhaltenskodex widerspricht, auch wenn es sich nicht um öffentlich getätigte Äußerungen handelt".

Gleichzeitig hält der Ethikrat in seinem Beschluss aber auch fest, diese sei "ohne Beachtung von Datenschutz und Privatsphäre öffentlich gemacht. Vor allem wurden sie auch ohne Rücksicht auf sämtliche Begleitumstände und aus dem Zusammenhang gerissen öffentlich."

"Der Ethikrat nimmt die dafür erfolgte Entschuldigung zur Kenntnis", heißt es in der Erklärung. Kurz hatte zuletzt gesagt, dass er manche Formulierungen so nicht mehr verwenden würde und sie "bedauert". Der Ethikrat erwartet, "dass ein derartiger Umgangston künftig nicht nur unterlassen wird, sondern dass vielmehr ein respektvoller Umgangston auch in der privaten Kommunikation von Funktionsträgerinnen gepflogen wird".

Die in staatsanwaltschaftlicher Untersuchung befindlichen Sachverhalte kann der Ethikrat nach eigenen Angaben derzeit nicht beurteilen. "Diesbezüglich hat auch die Unschuldsvermutung zu gelten." Die weitere Entwicklung will der Ethikrat "aufmerksam beobachten und begleiten". Weitere Sanktionen, die theoretisch bis hin zu einem Parteiausschluss reichen könnten, hat der Ethikrat abseits der genannten Empfehlung, einen derartigen Umgangston zu unterlassen, nicht ausgesprochen.

Der Ethikrat der ÖVP war 2012 unter der Ägide des damaligen Obmannes Michael Spindelegger unter dem Vorsitz von Klasnic eingerichtet worden. Aufgabe es Ethikrates ist es, über die Einhaltung des Verhaltenskodex zu wachen, den die ÖVP für ihre Politikerinnen und Politiker beschlossen hat.

RH leitet Prüfung von Umfragen und Studien ein

Auch der Rechnungshof wird in der Causa ÖVP aktiv. Er hat Unterlagen zu den inkriminierten Umfragen und Inserate angefordert - zumindest für das Jahr 2019. Das teilte ein Sprecher am Freitag via Twitter mit. Dass man sich derzeit auf das Jahr 2019 beschränkt, hat mit der Kontrolle des ÖVP-Rechenschaftsberichts für das betreffende Jahr zu tun.

Diese Prüfung sei derzeit in vollem Gange, hieß es. "Eine seriöse Einschätzung, wann diese beendet werden kann, ist derzeit nicht möglich. Die ÖVP hat gegenüber dem Rechnungshof erklärt, dass die Wahlkampfkostengrenze eingehalten worden ist", teilte der Sprecher mit.

Da die Überprüfung noch nicht abgeschlossen ist, kann man nun auch aktuellen Entwicklungen berücksichtigen. "In den vergangenen Tagen sind Verdachtslagen bekannt geworden, die - wenn sie tatsächlich so stattgefunden haben und, wenn ja, 2019 so fortgesetzt worden sind - Auswirkungen auf die Kontrolle des Rechenschaftsberichts 2019 der ÖVP haben könnten", wird im Tweed erläutert.

Im Fokus steht demnach die Rolle des Finanzministeriums: "Dem Rechnungshof sind sämtliche Umfragen und Studien samt Original-Belege vorzulegen, die 2019 vom Ministerium bezahlt wurden. Weiters sämtliche entgeltliche Einschaltungen in der Mediengruppe 'Österreich' samt Original-Belege, die 2019 vom Ministerium bezahlt wurden." Aktuell wird gegen den türkisen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz und sein Umfeld wegen des Verdachts der Untreue ermittelt. Umfragen sollen zugunsten der ÖVP frisiert und mittels Scheinrechnungen vom Ministerium bezahlt worden sein, lautet der Vorwurf.

Weiters teilte der Rechnungshof mit, dass ohnehin geplant war, die Ministerien näher unter die Lupe zu nehmen. "Schon vor Bekanntwerden aktueller Ereignisse sah unsere Planung eine Prüfung zum Thema 'Kostentransparenz bei Öffentlichkeitsarbeit in Ministerien' vor." Diese Prüfung werde stattfinden, wurde betont.

Unabhängig davon stehen die Kontrollergebnisse weiterer Rechenschaftsberichte bereits demnächst ins Haus, wie der RH mitteilte. Jener zur SPÖ wird in der kommenden Woche veröffentlicht, der Bericht zur FPÖ im November.

Unterdessen forderte der Präsident der sozialdemokratischen Akademikerinnen und Akademiker (BSA), Andreas Mailath-Pokorny, die Einrichtung einer unabhängigen Clearingstelle für politische Umfragen. "Durch die mutmaßlichen Fälschungen und Täuschungen bei politischen Umfragen im Wahlkampf 2017, über die in den letzten Tagen berichtet wurde, haben diese als wissenschaftliche Methode enormen Image-Schaden erlitten", beklagte er. Eine derartige Einrichtung könnte die Aufgabe übernehmen, das Rohmaterial und die Methoden der Umfrage zu sichten sowie freizugeben. Ansiedeln könne man die Stelle im Verband der Markt- und Meinungsforschungsinstitute, schlug Mailath-Pokorny vor.

Kurz als ÖVP-Klubchef angelobt

ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat wieder in der ersten Reihe Platz genommen - nach seinem Rückzug als Kanzler diesmal als Klubobmann im Nationalrat. Begleitet von einem medialen Spektakel zog Kurz Donnerstagfrüh in den Plenarsaal ein, wo er zu Beginn der Sitzung als Abgeordneter angelobt wurde. Vor Journalisten wies er einmal mehr die Korruptionsvorwürfe gegen ihn zurück.

Kurz hatte sich ja nach Bekanntwerden der Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft nicht komplett aus der Politik zurückgezogen, sondern lediglich aus dem Kanzleramt. Parteichef bleibt er, Anfang der Woche wurde er außerdem einstimmig zum Klubobmann gewählt. Die Sondersitzung wegen der aktuellen Skandale am Dienstag und die gestrige Sitzung mit der Budgetrede und dem Einbringen eines Untersuchungsausschusses zur ÖVP hatte Kurz noch ausgelassen. Am Donnerstag wählte er nun, wie man es vom Kopf der Türkisen gewöhnt ist, die Show - und nahm den prominenten Weg ins Parlamentsausweichquartier in der Hofburg.

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Dutzende Medienvertreter warteten bereits auf den Auftritt des neuen prominenten Abgeordneten am roten Teppich, der zum Plenarsaal führt. Kurz kam mit Krawatte, Maske und seinem Vize August Wöginger im Schlepptau, der wohl auch künftig die Mühen der parlamentarischen Alltagsarbeit übernehmen wird. Betont entspannt wünschte der Altkanzler den Journalisten "einen schönen guten Morgen", bevor er die Gelegenheit nutzte, einmal mehr darzulegen, dass er einen Schritt zur Seite gemacht habe, damit die Regierungsarbeit fortgesetzt werden könne. Er werde nun als Parteiobmann und Klubobmann die Regierungsarbeit "bestmöglich" unterstützen und auch alles dafür tun, um die Vorwürfe gegen ihn zu entkräften. Journalistenfragen waren bei dem Auftritt nicht willkommen, sie wurden von Kurz schlicht ignoriert.

Der Neo-Parlamentarier bahnte sich lieber seinen Weg in den Plenarsaal, wo seine Klubkollegen bereits auf ihn warteten, um Hände geschüttelt zu bekommen und ein Schwätzchen mit ihrem neuen Fraktionschef zu halten. Die eintrudelnden Mandatare der anderen Fraktionen beäugten das Spektakel amüsiert, andere wie die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer vertieften sich in Unterlagen. Das hielt Kurz freilich nicht davon ab, zum Willkommensgruß schnell vorbeizuschauen. "Herr Präsident! Wolfgang!", wurde auch der Nationalratspräsident von Kurz begrüßt. NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger kam von sich aus auf ein schnelles Hallo vorbei.

Punkt 9 Uhr nahm Kurz dann in der ersten Reihe zwischen Wöginger und Peter Haubner Platz, in die zweite Reihe weichen musste dafür Michaela Steinacker. Lange hielt es Kurz freilich fürs erste nicht am Sitz: Als der Kameraschwenk für beendet erklärt worden war und die Journalisten gerade dabei waren, den Saal zu verlassen, huschte Kurz für eine Begrüßung auch noch schnell zur mittlerweile eingetroffenen SPÖ-Klubchefin Pamela Rendi-Wagner und auch FPÖ-Klubchef Herbert Kickl. Fünf Minuten später war es dann tatsächlich soweit: Mit den Worten "ich gelobe" wurde Kurz offiziell zum Abgeordneten - unter Applaus teils auch aus anderen Fraktionen, aber längst nicht aller Kollegen im Hohen Haus.

Heftige Attacken ritt neben der SPÖ - die sich an Kurz' Abwesenheit am Ende der Debatte stieß - vor allem FPÖ-Chef Herbert Kickl. Er nutzte die erste Hälfte seiner Budget-Wortmeldung, um Kurz an die Gelöbnisformel zu erinnern, laut der er die Gesetze und Verfassung der Republik zu beobachten habe - "nicht mit dem Fernrohr", so Kickl. Auch die Treue zur Republik sei enthalten: "Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass diese Republik etwas anderes ist als der tiefe Staat der Volkspartei." Und generell: "Es ist halt so, dass nicht jede Abwesenheit, die nach drei Tagen endet, auch gleich eine Auferstehung ist."

"Kein Schattenkanzler"

Vor seiner Angelobung in der Früh hatte Kurz auch ein Video auf Facebook veröffentlicht. Darin betonte er einmal mehr, "kein Schattenkanzler" sein zu wollen. Die vergangenen Tage seien für viele im Land eine "emotionale Achterbahnfahrt" gewesen, so auch für ihn.

»Ich habe mir in meinem ganzen Leben noch nicht strafrechtlich irgendetwas zuschulden kommen lassen«

Zu den veröffentlichten Chatnachrichten meinte Kurz, er "verstehe absolut", dass man an den Bundeskanzler besondere Erwartungen habe, was die Wortwahl betreffe. Er sei aber "kein Roboter sondern ein Mensch mit Fehlern, mit Emotionen und ja leider manchmal auch mit Formulierungen, die ich öffentlich nicht verwenden würde". Er behauptete, sich ohnehin bereits für die Formulierungen entschuldigt zu haben, "und ich bedauere sie auch". Diese seien aber gezielt an die Öffentlichkeit gespielt worden, um der Volkspartei und ihm zu schaden. Zudem werde derzeit vieles vermischt, so Kurz, dem eine "klare Trennung" zwischen SMS-Nachrichten und strafrechtlichen Vorwürfen fehlt. "Ich habe mir in meinem ganzen Leben noch nicht strafrechtlich irgendetwas zuschulden kommen lassen", so Kurz: "Das werde ich am Ende des Tages auch beweisen."

Erste Reise nach Brüssel - Kurz oder Schallenberg?

Der erste Tweet des neuen Bundeskanzlers Alexander Schallenberg zu seiner Reise zur EU-Spitze in Brüssel hat für Schmunzeln unter Beobachtern gesorgt. "Meine erste Reise als Bundeskanzler führt mich heute bewusst nach Brüssel", stand da zu lesen - allerdings wurde der Tweet nicht von Schallenbergs Twitter-Konto abgesendet, sondern von dem seines Vorgängers Sebastian Kurz .

Die Panne wurde rasch behoben und der vermeintliche Kurz-Tweet rasch dem richtigen Twitter-Konto des amtierenden Bundeskanzlers zugeordnet. "Ich treffe hier Kommissionspräsidentin @vonderleyen & @eucopraesident Charles Michel zu Gesprächen. Meine Botschaft ist klar: Österreich ist und bleibt ein verlässlicher Partner in der EU", war dann von Schallenberg zu lesen.

Schallenberg hat nach den jüngsten Turbulenzen in Österreich die Verlässlichkeit der Republik als Partner in der Europäischen Union bekräftigt. "Man kann weiterhin auf uns zählen und mit uns rechnen", sagte Schallenberg bei seinem Antrittsbesuch am Donnerstag in Brüssel. Den bisherigen EU-Kurs Österreichs etwa in Sachen Migration möchte der Neo-Kanzler weiterführen, das Vorgehen der EU-Kommission gegen Polen unterstütze er.

»Österreich bleibt verlässlicher Partner«

"Die EU ist Teil meiner DNA", betonte Schallenberg bei seinen einleitenden Worten. "Österreich ist und bleibt ein verlässlicher und starker Partner in der Europäischen Union." Bei den Gesprächen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratschef Charles Michel stünden etwas die Corona-Pandemie, die steigenden Energiepreise und Migration auf der Agenda.

Meinungsforscherin Sabine B. enthaftet

Die im Zusammenhang mit der Inseraten-Korruptionsaffäre rund um die ÖVP und Alt-Kanzler Sebastian Kurz festgenommene Meinungsforscherin Sabine B. ist enthaftet worden. Wie die Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) am Donnerstag der APA mitteilte, wurde kein Antrag auf U-Haft gestellt. "In der Inseratenaffäre liegen bei der vor kurzem festgenommen Person, die zum Zeitpunkt der Festnahme angenommenen Haftgründe nicht mehr vor", sagte ein WKStA-Sprecher. Deswegen habe die WKStA vor Ablauf der 48 Stunden-Frist keinen U-Haft-Antrag gestellt.

Auf die Frage, ob es seit der Festnahme grundsätzlich weitere Ermittlungsschritte von der WKStA gegeben habe, meinte der Sprecher, dass in diesem Ermittlungsstadium die Ermittlungen nicht still stünden, "weitere Zwangsmaßnahmen jedoch nicht gesetzt wurden".

B. war Dienstagfrüh an ihrer Privatadresse wegen Verdunkelungsgefahr festgenommen worden, wobei die Festnahmeanordnung ein Richter bewilligt hatte. Im Anschluss soll sie - offiziell nicht bestätigten - Informationen der APA zufolge im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) vernommen worden sein.

ÖVP-Ermittlungen: "Eine vorhersehbare Tragödie"

Matthias Strolz war 2017, als Sebastian Kurz die ÖVP übernahm, Chef der NEOS. Als solcher schrieb er damals einen geradezu prophetischen Text über die wahrscheinlichen Folgen dieser Entwicklung. Heute stellt er seine Thesen erneut zur Diskussion. Er hat folgenden Text auf Facebook veröffentlicht:

Ich wünsche Sebastian #Kurz persönlich alles Gute - gerade auch als werdender Vater. Das habe ich ihm via SMS schon letzte Woche persönlich mitgeteilt.

Er wird sich auch als Klubobmann nicht halten können. Es konnte nicht funktionieren - warum, das habe ich ihm mehrfach geschildert, zuletzt im Sommer 2018 in einem persönlichen Gespräch. Davor mehrfach öffentlich im Parlament, und zB 2017 in diesem Blog unten.

Die Kurz-Episode ist eine vorhersehbare Tragödie für ihn persönlich, für die Partei und für unser #Österreich.

Das Inferno hat sich haarscharf an das beklemmende Drehbuch gehalten (s. unten). Hier mein Blogbeitrag auf der (damaligen) strolz.eu-Website am 14. Mai 2017 - an jenem Tag, an dem er die #ÖVP "übernommen" hat:

"Erneuerung ja, aber wie!?

Veröffentlicht von Matthias Strolz Mai 14, 2017

Heute ist ein bedeutsamer Tag für unser Land. Am Abend werden von einem politischen Mitbewerber voraussichtlich Weichen gestellt, die ein Ende der bisherigen Logik der Zweiten Republik markieren. Das Ende der Volkspartei als staatstragende Partei wird damit schneller kommen, als ich es erwartet habe.

Als Bürger - und selbst als Mitbewerber - habe ich auf eine nachhaltige Rundum-Erneuerung der Volkspartei gehofft. Die Sozialdemokratie braucht diese übrigens ebenso. Denn die Demokratie braucht vitale Parteien und Parlamentskräfte. Warum also kritisiere ich das, was sich hier anbahnt?

Auch wenn es wohl einige Zeit dauern wird, bis es offensichtlich wird: Ich halte die (voraussichtlichen) Entscheidungen der VP-Spitzen für falsch - für unser Land, für die Volkspartei und auch für Kurz persönlich.

9 1⁄2 Einträge ins #Geschichtsbuch aus 9 Perspektiven, warum der autoritäre Kurz-Ansatz mittelfristig nicht funktionieren wird und schlecht für unser Land ist.

1) Als Bürger: Weil wir in Österreich keinen Westentaschen-Orban brauchen.
2) Als Analytiker: Weil er es als Verschnitt von Haider 1986, Grasser 2006 & Stronach 2013 anlegt. Früher oder später sind alle drei gescheitert.
3) Als Beobachter: Weil die Intrigen und Hinterhältigkeit beim Wegmobben von Reinhold Mitterlehner auf Kurz zurückfallen werden.
4) Als Demokrat: Weil Parteien in Demokratien ein Mindestmaß an innerparteilicher Demokratie brauchen, um anschlussfähig für die Demokratie zu sein.
5) Als multipler Gründer: Weil positive Gemeinsamkeit in partizipativen Organisationen durch konstruktives Miteinander und nicht durch Erpressung entsteht.
6) Als Vater: Weil Kinder, die ihre Mutter erpressen, in destruktiven Verstrickungen gefangen sind. Sie sind das Gegenteil von abgenabelt und frei.
7) Als Systemiker: Weil sich die Wucht der Geringschätzung und Aggression gegen die eigene Organisation eines Tages im selben Ausmaß gegen den Aggressor entladen wird.
8 ) Als Organisationsentwickler: Weil die ÖVP nach dem Kurz-Hype gleichsam tot sein wird. Schade für Österreich, weil sie auch viele historische Verdienste hat.
9) Als Mitbewerber: Weil Österreich eine erneuerte ÖVP bräuchte, keine abgeschaffte. Eine echte Erneuerung hätte Potenzial - für Koalitionen, Land und Menschen.

9 1⁄2: Wer im Leben von einem Extrem ins andere Extrem kippt, dem fehlt meist die Erdung. Die Umstellung von "dezentral-bündisch" auf "autoritär-zentralistisch" ist eine Operation am offenen Herzen der Volkspartei, vollzogen mit Hammer und Küchenmesser. Ich wünsche der ÖVP und Kurz trotzdem alles Gute. Für Österreich hoffe ich, ich möge mich irren. Weil sonst der Schaden für das Land groß sein wird.

Jedenfalls gilt: Mit heute ist Sebastian Kurz Politiker geworden. Das ändert für ihn das Spiel gewaltig. Ich habe Respekt für seine Entschlossenheit, auch wenn ich seine Methoden für nicht okay und seine Haltung sowie seinen gewählten Ansatz für falsch erachte. Wenn er ernsthaft und ehrlich eine neue politische Bewegung gründen wollte, muss er aus der Partei heraustreten. So wird er - auch wenn anfänglich der Hype groß sein wird - eine Säule der Zweiten Republik ziemlich demolieren, ohne dass nach seinem Abgang etwas Tragfähiges vorhanden sein wird.

Kurz wird hier persönlich sicherlich eine andere Sicht der Dinge haben. Als Mitbewerber freue ich mich auf eine kritische Auseinandersetzung in der Wahlarena. Hoffentlich in einem fairen Ringen um die besten Ideen und Lösungen für unser Land."

Opposition einigt sich auf U-Ausschuss

Bereits am Wochenende hatten alle Parteien betont, einen weiteren U-Ausschuss einsetzen zu wollen. Neben den Ermittlungen in der Inseratenaffäre wird dabei auch großteils der bereits abgeschlossene Ibiza-U-Ausschuss inhaltlich fortgesetzt. Man wolle "Sümpfe benennen und trockenlegen", erklärten Vertreter von SPÖ, FPÖ und Neos am Mittwoch in einer Pressekonferenz das gemeinsame Verlangen.

SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer, der die rote Fraktion im Ibiza-Ausschuss angeführt hatte, sprach von einem "ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss". Das Sittenbild aus dem Ibiza-Untersuchungsausschuss sei durch die Entwicklungen der vergangenen Woche "noch vertieft" worden. Was bisher bekannt sei, sei nur die "Spitze des Eisbergs", glaubt Krainer. Es gebe "mafiöse Strukturen" in einzelnen Ministerien, und man wolle diese "Sümpfe benennen, damit sie auch trocken gelegt werden können".

Das Sittenbild lasse einen "unfassbar irritiert" zurück, befand Nikolaus Scherak, Vizeklubchef der Neos. Das "türkise System" habe nicht das Wohl des Landes im Sinn gehabt, sondern Machtergreifung, Machterhalt und den eigenen Vorteil. Notwendig seien Aufklärung und dann Reformen, "damit ein korruptes ÖVP-System nicht einfach so weiter werken kann".

»Die Schredder laufen bereits auf Hochtouren«

Die ÖVP habe einen "Staat im Staat" etabliert, meinte FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker, zuletzt ebenfalls Fraktionsführer. Man höre, dass in den ÖVP-geführten Ministerien die "Schredder" bereits auf Hochtouren liefen und Mails gelöscht würden. Dies sei auch der Grund, warum man nicht warten wollte, bis eine allseits gewünschte Reform der Ausschuss-Spielregeln ausverhandelt ist, wie Hafenecker auf Nachfrage sagte - eine Liveübertragung für die Öffentlichkeit wird es also auch diesmal vorerst nicht geben.

Was die Frage des Vorsitzes betrifft - diesen führt laut Geschäftsordnung Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) - wollten sich die Oppositionsvertreter nicht aus dem Fenster lehnen. Im Ibiza-Ausschuss wurde dem früheren Innenminister regelmäßig die Überparteilichkeit abgesprochen und Befangenheit vorgeworfen. "Das ist nicht an uns, es zu entscheiden", spielte Scherak den Ball weiter. Sobotka müsse sich selbst die Frage stellen, ob er den Vorsitz führen könne - es gebe ja auch die Möglichkeit, dass die Zweite Präsidentin oder der Dritte Präsident übernimmt.

Wann der Ausschuss tatsächlich startet, ist noch offen. Für den U-Ausschuss reichen jedenfalls die Stimmen der Opposition, die Regierungsfraktionen können ihn nicht verhindern, aber allenfalls ein wenig verzögern. Das Verlangen wird am Ende der heutigen Nationalratssitzung eingebracht, auch eine Kurzdebatte wird dazu stattfinden. Danach muss der Geschäftsordnungsausschuss binnen acht Wochen entscheiden. Für einen Einspruch gegen den Untersuchungsgegenstand bräuchte es eine Mehrheit, die ÖVP müsste also die Grünen überzeugen, dagegen zu stimmen. Und selbst das wäre keine Verhinderung des U-Ausschusses, denn in so einem Fall könnte sich die Opposition an den Verfassungsgerichtshof wenden, der dann innerhalb von vier Wochen entscheidet.

»Ich glaube, dass die Grünen nicht noch einmal auf die heiße Herdplatte greifen«

Die Opposition geht aber davon aus, dass man rasch beginnen kann, denn auch die Grünen hätten ja bereits Interesse an der Aufklärung signalisiert, meinte Hafenecker. "Ich glaube, dass die Grünen nicht noch einmal auf die heiße Herdplatte greifen", gab sich auch Krainer überzeugt. Der Untersuchungsgegenstand sei jedenfalls rechtlich umfassend geprüft worden. Krainer betonte auch, dass er kein Interesse an einem langatmigen Ausschuss hat, sondern dieser eher knackig vonstatten gehen soll: Man wolle nicht die volle mögliche Länge ausschöpfen, sondern eigentlich im ersten Halbjahr abschließen. Abhängig sei dies freilich von der "Kooperationsbereitschaft" der Regierungsparteien, also wie schnell etwa Akten geliefert werden. Zieht sich das Prozedere zu Beginn, könnten die ersten Zeugenbefragungen wohl erst im Frühjahr abgehalten werden.

Untersuchungsgegenstand soll laut dem Verlangen "das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe des Bundes im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021 (...)" sein. Der U-Ausschuss soll laut dem Verlangen klären, "ob es ausgehend vom 'Projekt Ballhausplatz' durch eine Gruppe von in Organen des Bundes tätigen, der ÖVP zuzuordnenden Personen zu Missbrauch von Organbefugnissen zum Zweck der Förderung der parteipolitischen Interessen der ÖVP gekommen und dadurch staatlichen Interessen möglicherweise ein Schaden entstanden ist".

Inhaltlich soll sich der neue Untersuchungsausschuss in vier Bereiche gliedern: Der Teil "Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren" widmet sich etwa dem von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft untersuchten Verdacht, öffentliche Gelder könnten für frisierte Umfragen zugunsten der türkisen ÖVP ausgegeben worden sein. Aber auch die "Einflussnahme auf Beteiligungen des Bundes", etwa bei der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG, will die Opposition weiter unter die Lupe nehmen - war dies doch bereits im abgeschlossenen Ibiza-Untersuchungsausschuss Thema.

Ministerrat ohne Kurz

Die Mitglieder der türkis-grünen Bundesregierung haben sich am Mittwoch zum ersten Ministerrat nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz zusammengefunden.

Wortspenden gab es zu Beginn des Ministerrats nur kurze, man wolle gemeinsam das vereinbarte Programm abarbeiten, und das werde auch funktionieren, hieß es seitens der ÖVP-Riege beim Eintreffen im Kanzleramt. Die Grünen kamen im Pulk, mehr als ein "Guten Morgen" ließ sich Vizekanzler Werner Kogler nicht entlocken.

Ansonsten mussten sich die anwesenden Journalisten mit einem Kameraschwenk im Sitzungssaal zufriedengeben. Zu sehen gab es erstmals Alexander Schallenberg als Bundeskanzler, vor ihm ein Unterlagenstapel, der wohl aus dem zu beschließenden Haushalt 2022 bestand. Als Vertreter des ÖVP-Klubs war August Wöginger gekommen, Kurz als neuer Klubobmann der Volkspartei ließ sich nicht blicken. Allerdings ist der Ex-Kanzler auch noch nicht als Abgeordneter angelobt, das soll erst im Nationalrat am Donnerstag passieren.

Nach der jüngsten Krise waren die Spitzen der Bundesregierung am Mittwoch anlässlich der Budgetrede bemüht, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Schallenberg und Kogler hoben in Stellungnahmen vor allem die ökosoziale Steuerreform hervor. "Die Arbeit der Bundesregierung geht flott weiter", betonte Kogler vor Journalisten im Parlament.

»Mit diesem Budget stellen wir die Weichen für die Zukunft und aus der Krise heraus«

Gefragt, wie die Stimmung in der türkis-grünen Koalition sei, die noch vor wenigen Tagen knapp vorm Aus stand, meinte Kogler: "Gut, es geht was weiter." Im Budget fänden sich die "ganz großen Leitlinien der ökologisch-sozialen Steuerreform". Es handle sich um eine "Riesenentlastung für die Menschen". Umweltschädliche Produktion und Verhalten bekämen einen Preis, die Einnahmen sollen wieder an die Bevölkerung zurückfließen. Trotz Pandemie könne man für ein nachhaltiges Budget und eine mittelfristig sinkende Schuldenquote sorgen, unterstrich Kogler außerdem in einer schriftlichen Stellungnahme.

"Mit diesem Budget stellen wir die Weichen für die Zukunft und aus der Krise heraus", befand auch Kanzler Schallenberg in einer schriftlichen Stellungnahme. "Kernstück" sei die ökosoziale Steuerreform, "mit der wir die Menschen entlasten, Anreize für klimafreundliches Verhalten setzen und den Standort stärken". Gleichzeitig schaffe man mit diesem Budget eine langfristige Reduktion der Schuldenquote, betonte auch er.

Schallenberg will Kurz-Kurs halten

Bundeskanzler Alexander Schallenberg hat bei seiner Regierungserklärung im Nationalrat einmal mehr klar gemacht, dass er den Kurs seines Vorgängers Sebastian Kurz fortsetzen wird.

Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) hat bei seiner Regierungserklärung im Nationalrat klar gemacht, dass er den Kurs seines Vorgängers Sebastian Kurz (ÖVP) fortsetzen wird. Basis für seine Arbeit wird das Regierungsprogramm sein, das er zügig abarbeiten will. Ob Migrations-, Arbeitsmarkt- oder Corona-Politik, Schallenberg will den eingeschlagenen Weg beibehalten. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) gab sich versöhnlich gegenüber der ÖVP, stärkt aber auch der Justiz den Rücken.

Hand in Richtung Koalitionspartner ausgestreckt

Dass er das Amt nun übernommen hat, schilderte er wie am Vortag als Überraschung. Doch als ihn Kurz nach seiner Bereitschaft gefragt habe, sei ihm klar gewesen: "Zögern ist keine Option." Als Botschaft wolle er aussenden, dass die Hand in Richtung des Koalitionspartners ausgestreckt sei, um die in den vergangenen Tagen entstandenen Gräben zu überwinden und die inhaltlich erfolgreiche Arbeit der Regierung fortzusetzen.

»Zögern ist keine Option«

Doch auch der Opposition streckte Schallenberg die Hand rhetorisch entgegen, sorgte bei eben dieser aber sofort für lautstarken Unmut, als er "mutwillige Aktionen" wie den heutigen (SPÖ-)Misstrauensantrag gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) geißelte. Diese Initiative sei "beim besten Willen nicht zu verstehen".

Enge Kooperation mit Kurz betont

Neuerlich war es Schallenberg wichtig hervorzuheben, dass er mit Kurz eng kooperieren werde. Dieser sei schließlich der Obmann und Klubchef der Volkspartei, die mit ihm die vergangenen beiden Wahlen gewonnen habe. Auch in besonderen Zeiten würden demokratiepolitische Grundsätze nicht außer Kraft gesetzt.

Inhaltlich nannte der neue Kanzler in seiner knapp zehnminütigen Rede die öko-soziale Steuerreform als ein Herzstück der Regierungsarbeit. Man werde auch den Weg der Modernisierung mit mehr Mitteln für Bildung, Forschung und Digitalisierung fortsetzen. Am Arbeitsmarkt setzt Schallenberg darauf, dass alle, die das könnten, auch einen Beitrag leisten müssten. "Konsequent fortsetzen" will der Regierungschef wenig überraschend "unseren Weg" bei Migration und Integration. Dies gelte auch für die Außenpolitik, die er selbst bisher verantwortet hat. Seinem heute ebenfalls präsentierten Nachfolger Michael Linhart (ÖVP) streute er als "supererfahrenem außenpolitischen Profi" schon einmal Rosen.

"Wir stimmen überein, dass die Republik Österreich in dieser Situation Stabilität, Verlässlichkeit und Orientierung braucht", erklärte Kogler. Nun gehe es darum, das Richtige zu tun, und zwar das, was im Regierungsprogramm stehe. In den letzten Tagen haben man freilich "zugegeben einige Bewährungsproben" hinter sich gebracht.

Kogler spricht ÖVP "Dank und Anerkennung" aus

Trotz Tadels in Schallenbergs Antrittsrede am Tag davor umarmte Kogler den Koalitionspartner in seiner Rede und sprach der ÖVP "Dank und Anerkennung" aus. Denn es sei sicher nicht leicht gewesen, solche Entscheidungen zu treffen, aber sie seien letztlich rasch und im Interesse der Republik getroffen worden, meinte Kogler zum Wechsel im Kanzleramt. Zudem zollte Kogler auch Kurz persönlich ausdrücklich Respekt für seinen Rückzug als Kanzler. Der Vizekanzler dankte aber auch den Klubobleuten der Fraktionen, die ebenfalls bereit gewesen wären, für Stabilität zu sorgen. Neuwahlen wären aus seiner Sicht keine gute Lösung gewesen, erinnerte er etwa daran, dass es nun wichtig sei, das Budget zu beschließen.

Der Vizekanzler sprach aber auch die Justiz an, die von der ÖVP immer wieder angriffen wird. "Lassen wir die Justiz arbeiten, lassen wir sie unabhängig ermitteln", appellierte Kogler einmal mehr. Es sei gut, dass sich die Justiz offensichtlich nicht beeinflussen lasse. Es sei ein Missverständnis, dass man einzelne Institutionen nicht kritisieren dürfe. Der Punkt sei, Zurufe zu unterlassen, die die Justiz generell infrage stellen.

Opposition attackiert Schallenberg

Noch wesentlich deutlicher wurde die Opposition, die nicht nur Kurz sondern auch Schallenberg hart attackierte. Dass dieser nach seiner gestrigen Unschuldserklärung für den Vorgänger nun auch noch den Misstrauensantrag gegen Blümel kritisiert hatte, stehe ihm nicht zu, meinte SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner. FPÖ-Klubchef Herbert Kickl ereiferte sich, dass sich Schallenberg anmaße, das Parlament zu belehren.

Ohnehin hat der neue Kanzler für den Freiheitlichen gleich in seiner ersten Rede "einen moralischen Absturz" geschafft: "Ein Begräbnis für eine millionenfache Erwartungshaltung", so Kickl zu Schallenbergs gestrigem Auftritt. Reue, Einsicht, Demut seien Dinge, die es gebraucht hätte: "Nichts ist gekommen, weil sie zutiefst verhabert sind. Sie sind einer von dieser Partie."

Auch für Rendi-Wagner hat der Kanzler schon am ersten Tag viel Vertrauen verspielt: "Wer blind folgt, kann nicht führen." Die SP-Chefin forderte Schallenberg auf, eine Trennlinie zu ziehen: "Die heutige Regierungsumbildung ist eine Farce, weil die Fäden zieht weiter Kurz."

Das empfahl auch NEOS-Fraktionschefin Beate Meinl-Reisinger. Sie adressierte an Schallenberg: "Sie haben es in der Hand, sich an das türkise System zu klammern und mit dem unterzugehen, aber dass Sie das and mitreißen, werden wir nicht zulassen."

Oppositionschefs rechnen mit Kurz ab

Alle drei Oppositionschefs nützten die Gelegenheit, noch einmal mit Kurz abzurechnen. Für Rendi-Wagner zeigen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ein "Bild der Skrupellosigkeit und des Machtmissbrauchs". Die Fakten seien erschütternd und sprengten Maßstäbe.

Machtgier und Machtmissbrauch, schwere Korruption, Respektlosigkeit, Niedertracht, Heuchelei - diese Mischkulanz sei das, was die türkise Welt zusammenhalte, meinte Kickl. Die Lichtgestalt sei über Nacht zum gefallenen Engel geworden, so der Freiheitliche in Richtung Kurz, der erst am Donnerstag sein Mandat im Nationalrat ausüben wird. Meinl-Reisinger meinte zum Kurz-Umfeld, dieses stehe für ein Sittenbild des moralischen Verfalls.

Ganz anders war die Einschätzung des für Kurz scheidenden VP-Klubchefs August Wöginger. Der nannte seinen baldigen Nachfolger nämlich einen "großen Staatsmann". Dieser habe das Land nach vorne gebracht und Wöginger ist auch überzeugt, dass sich die Vorwürfe gegen Kurz als falsch herausstellen werden. Schallenberg ist für ihn "der Richtige zum richtigen Zeitpunkt".

Regierungskrise laut Maurer überwunden

Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer nannte die Regierungskrise überwunden. Nun müsse eine Phase des Zur-Ruhe-Kommens folgen. Die nächste Zeit müsse geprägt sein vom Wiederaufbau des Vertrauens auch zwischen den Koalitionspartner und den Parteien im Parlament insgesamt.

Eher im Schatten stand der erste Auftritt des neuen Außenministers Michael Linhart (ÖVP). Als Diplomat sei er es gewöhnt, sich für Österreich einzusetzen. Linhart versprach für seine Amtsführung "Verbindlichkeit" bei klaren inhaltlichen Positionen. Er versichere, dass man in der Welt weiterhin die Stimme erheben werde für friedliche Lösungen, für Menschenrechte, "gegen jegliche Form des Antisemitismus" und für eine starke transatlantische Partnerschaft. Diese Woche wird Linhart bereits seine erste Auslandsreise als Minister antreten, sie führt ihn nach Sarajevo.

Mikl-Leitner: Können Chats nicht so stehen lassen

Mit der Feststellung "gut, dass die Arbeit auf Bundesebene weiter geht", hat sich Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nach Schallenbergs Angelobung als Bundeskanzler in einem Video zu Wort gemeldet. "Und gut, dass Sebastian Kurz das mit seinem Schritt zur Seite ermöglicht hat", fügte sie hinzu. "Klar ist, dass die Vorwürfe aufgeklärt werden müssen. Die Chats zeichnen ein Bild, das wir so nicht stehen lassen wollen und können."

»Die Chats zeichnen ein Bild, das wir so nicht stehen lassen wollen und können«

Klar sei auch, so Mikl-Leitner in der Videobotschaft weiter, dass wichtige Aufgaben auf die Bundesregierung warten. Die Landeshauptfrau führte diesbezüglich Verkehr, die Steuerreform und die Gesundheits- und Pflegeausbildung bis hin zur Corona-Pandemie an, die "noch nicht überstanden" sei. Zudem habe sich der Aufschwung noch lange nicht verfestigt.

Spekulationen um Zukunft Blümels in der Wiener Landespartei

Im Zuge der Turbulenzen in der ÖVP wurde am Dienstag in einigen Medien auch über die Zukunft von Finanzminister und Landesparteichef Gernot Blümel spekuliert. Er hat die Partei nach der Wahlniederlage 2015 übernommen. Dass es Überlegungen gibt, den Vorsitz zu übergeben, wird in der Wiener ÖVP bestritten. Tatsächlich steht kommende Woche eine Festrede des Obmanns am Programm, bei der an die für die türkise Stadtpartei erfolgreiche Wahl 2020 erinnert werden soll.

In einer Stellungnahme versicherte die Wiener Volkspartei: "Die offensichtlich vom politischen Mitbewerb gestreuten Gerüchte sind dezidiert falsch und entbehren jeglicher Grundlage. Fakt ist, dass vor einem Jahr die neue Volkspartei Wien unter der Führung von Gernot Blümel bei der Wiener Gemeinderatswahl massiv gestärkt wurde. Dieses eindeutige Votum und dieser gewaltige Vertrauensbeweis war und ist ein klarer Auftrag. Nämlich unsere Politik und unsere Vorstellungen im Sinne der Wienerinnen und Wiener zu forcieren und auch weiter zu führen."

Als möglicher Nachfolgekandidat wird etwa Klubchef Markus Wölbitsch genannt. Er versicherte im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", dass Blümel als Wiener Landesparteiobmann sicher von niemanden innerhalb der Wiener Partei in Frage gestellt werde.

Enge Zusammenarbeit mit Kurz

Schon am Montagnachmittag hatte der frisch angelobte Bundeskanzler seinem Vorgänger Sebastian Kurz seine Loyalität ausgesprochen. Er werde selbstverständlich mit Kurz "sehr eng zusammenarbeiten", sei dieser doch Obmann und Klubchef der stärksten Parlamentspartei. "Alles andere wäre demokratiepolitisch absurd", befand Schallenberg. Zudem halte er die im Raum stehenden Vorwürfe für "falsch".

Kurz selbst äußerte sich am Montag nur schriftlich, um klar zu stellen, kein "Schattenkanzler" sein zu wollen: "Ich werde jedenfalls in meiner Funktion als Bundesparteiobmann und Klubobmann die Arbeit der Bundesregierung unterstützen, weil es das Beste für die Menschen in unserem Land ist." Freilich heißt es für den Altkanzler dafür noch ein wenig warten. Kurz wird erst am Donnerstag im Nationalrat angelobt.

Kritik am Koalitionspartner

Gleichzeitig übte Schallenberg aber indirekt Kritik wohl auch am Koalitionspartner. Fundament sei gegenseitiger Respekt, auch wenn man anderer Meinung sei: "Diesen Respekt muss man einander stets zollen." Die vergangen Tage seien dafür wahrlich kein Beispiel gewesen. Jetzt gelte es, entstanden Gräben zuzuschütten.

"Hinter uns allen liegen schwierige und turbulente Tage", hatte Schallenberg seine knapp fünfminütige Erklärung im Kanzleramt eingeleitet, Tage, die "politisch und menschlich herausfordernd" gewesen seien. Es sei eine "Ehre", als Kanzler angelobt worden zu sein - eine, "die ich mir nie erwartet hätte, und die ich mir auch nie gewünscht habe", sagte der bisherige Außenminister. Er habe "großen Respekt" vor dem Amt - die Verantwortung nicht zu übernehmen, sei aber auch keine Option gewesen, als er von Kurz gefragt worden sei.

"Was es jetzt braucht, das ist Verantwortung und Stabilität", die man "gemeinsam" als Bundesregierung, als Koalition, als Ministerinnen und Minister und als Parlamentsfraktionen gewährleisten müsse, erklärte Schallenberg. Statt zu streiten, solle man arbeiten. Man werde das Management der Pandemiebekämpfung fortsetzen, den wirtschaftlichen Aufschwung weitertreiben sowie in den kommenden Tagen Budget und Steuerreform im Parlament behandeln.

Einer, der dazu gezählt wurde, verlor am Montag seinen Posten. Gerald Fleischmann, in der Inseratenaffäre ebenfalls beschuldigt und langjähriger Sprecher von Kurz, ist nicht mehr Medienbeauftragter im Kanzleramt sondern "auf Urlaub". Gleiches gilt für den vormaligen Kanzler-Sprecher Johannes Frischmann. Dagegen bleibt Bernhard Bonelli auch unter Schallenberg Kabinettschef. Der taucht in der Affäre allerdings auch nicht auf.

Schallenbergs Vertrauenswerte zuletzt noch knapp im Plus

Mit Alexander Schallenberg tritt einer der wenigen ÖVP-Minister mit knapp positiven Vertrauenswerten die Nachfolge von Sebastian Kurz an. Mit der andauernden Pandemie und der Chat-Affäre im Frühjahr sind die Beliebtheitswerte der meisten Regierungsmitglieder im APA/OGM-Vertrauensindex stark zurückgegangen. Kurz kam zuletzt nur noch auf neun Prozent - die Korruptionsvorwürfe waren da noch gar nicht bekannt. Die meisten türkisen Minister lagen im September im Minus.

Zum ersten Mal abgefragt wurden seine Vertrauenswerte nach der Angelobung als Außenminister im Jänner 2020. Damals erreichte Schallenbergs Vertrauenswert 14 Prozent, kletterte zu Beginn der Pandemie auf 26 und ließ dann immer weiter nach. Im Jänner 2021 lag Schallenberg wieder bei 14 Prozent, im April bei sechs, im Juni bei fünf und im September waren es nur noch vier Prozent.

Als einen Grund für den Rückgang sieht OGM-Chef Wolfgang Bachmayer die polarisierende Haltung Schallenbergs in der Debatte um die (Nicht)Aufnahme von Flüchtlingen von den griechischen Inseln. Allerdings verweist er auch darauf, dass im vergangenen Jahr beinahe alle Regierungsmitglieder sinkende Vertrauenswerte verzeichnet haben. So ist auch Vizekanzler Werner Kogler in der Coronakrise auf bis zu 36 Prozent geklettert und zuletzt wieder auf sechs Prozent gefallen. Einzig Arbeitsminister Martin Kocher auf ÖVP-Seite und Justizministerin Alma Zadic bei den Grünen halten sich vergleichsweise stabil - mit Werten von 16 bzw. 17 Prozent. Am anderen Ende liegen Finanzminister Gernot Blümel (-27), Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (-18) und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (-14).

Van der Bellen erklärte Krise für beendet

Bundespräsident erklärte am Sonntagabend die Regierungskrise für beendet. Gleichzeitig nahm er die neue Regierungsspitze in die Pflicht und entschuldigte sich "in aller Form" bei der Bevölkerung für die Unverschämtheiten, die aus den bekannt gewordenen Chats des Umfelds von Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hervorgehen.

»Beide tragen nun persönliche Verantwortung. Sie stehen dem Bürger im Wort«

Schallenberg und Vizekanzler Kogler hätten ihm versichert, dass es eine tragfähige Basis für eine Zusammenarbeit gebe: "Beide tragen nun persönliche Verantwortung. Sie stehen dem Bürger im Wort."

Es sei nämlich nicht alles in Ordnung, meinte das Staatsoberhaupt. Das Vertrauen der Menschen in die Politik sei massiv erschüttert worden. Es liege nun an allen mit politischer Verantwortung und den Regierenden, es wieder herzustellen. Worte alleine genügten nicht, es brauche auch "ernsthafte konzentrierte Arbeit".

An Kurz würdigte der Präsident, mit seinem Rücktritt Schaden vom Amt ferngehalten und einen wichtigen Beitrag, dass die Integrität der Institutionen geschützt werde, geleistet zu haben. Auch den Chefs der anderen Parteien dankte er namentlich, mit Hochdruck an einer Lösung gearbeitet zu haben.

Kritische Stimmen aus ÖVP

Indes äußerten sich kritische Stimmen auch aus der ÖVP in Hinsicht auf die Zukunft von Sebastian Kurz. So bekräftigte etwa Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner, dass es die strafrechtlichen Vorwürfe in der Korruptions-Causa lückenlos aufzuklären gelte. Erst wenn das erfolgt sei, könne man Schlüsse ziehen. Medienberichte, wonach er Parteiausschlüsse der Betroffenen nicht ausschließe, wies er jedoch zurück. Wallner sprach von einer Fehlinterpretation.

In der Tat verwendete der Landeshauptmann im Interview mit Vorarlberg Online den Begriff Parteiausschluss nicht. Er neige auch nicht zu Vorverurteilungen. Zu den öffentlich bekannt gewordenen Mails stellte Wallner fest: "Das ist nicht der Stil der Partei. Wo man's kann, muss man es abstellen."

Schützenhöfer rechnet nicht mit Kurz' Rückkehr ins Kanzleramt

Und auch der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer rechnet offenbar nicht mit der baldigen Rückkehr von Sebastian Kurz ins Kanzleramt. Der designierte Kanzler Alexander Schallenberg sei keine Puppe, die dann wieder abgezogen werde, so Schützenhöfer am Sonntagabend im ORF: "Nein, das ist auf Dauer." Schallenberg werde ein eigenes Profil entwickeln, erwartet der steirische Landeshauptmann, der auch von Druck der Basis und von besorgten Bürgern vor Kurz' Rücktritt berichtete.

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) äußerte - ebenfalls gegenüber dem ORF - die Hoffnung, dass jetzt alle Vorwürfe, die im Raum stehen, so rasch wie möglich geklärt werden können.

Maurer schließt Kurz-Rückkehr aus

Auch Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer geht davon aus, dass ÖVP-Obmann Sebastian Kurz nach seinem Rücktritt als Kanzler nicht zurückkommt. In der ORF-Sendung "Hohes Haus" sagte Maurer am Sonntag, sie könne "ausschließen", dass Kurz in dieser Legislaturperiode wieder Kanzler werde. Ziel sei, dass die türkis-grüne Koalition mit dem künftigen Kanzler Alexander Schallenberg bis zum Ende der Legislaturperiode hält. Im Puls24-Interview sah sie die Chancen dafür bei mindestens 90 Prozent.

Opposition ortet Fortsetzung des "System Kurz"

Wenig Begeisterung herrscht bei der Opposition, die an einer Vier-Parteien-Regierung gebastelt hatte, bezüglich des Wechsels von Sebastian Kurz auf Alexander Schallenberg. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger meinte in einem Presse-Statement Samstagabend, in den nächsten Monaten werde das Chaos nahtlos weitergehen. Auch SPÖ und FPÖ sehen das "System Kurz" fortgesetzt.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zeigte sich am Abend sichtlich enttäuscht darüber, dass die Grünen die Koalition wohl nicht beenden werden. "In Wahrheit ist das eine Fortsetzung einer Regierungsarbeit mit dem türkisen System", befand sie nach der Erklärung von Vizekanzler Werner Kogler bei einem kurzen Medienauftritt. "Es ist vor einer Stunde das eingetreten, was ich gestern bereits gesagt habe, nämlich dass die ÖVP Sebastian Kurz als Kanzler opfern wird, um weiter in der Regierung bleiben zu können."

»Als Klubobmann hält er weiter alle Fäden der Macht in seiner Hand«

Kurz gehe, aber das türkise System bleibe. Als Klubchef und Parteiobmann ziehe er im Hintergrund weiter die Fäden. "Man kann zusammenfassen, seit einer Stunde ist Kurz nicht mehr Bundeskanzler, aber Schattenkanzler", beklagte die SPÖ-Chefin. Zusatz: "So ehrlich muss man sein und so ehrlich muss auch Werner Kogler sein." An eine erfolgreiche Zukunft der Koalition zweifelt sie, wie sie ausführte. Sie könne sich schwer vorstellen, dass die Regierungsarbeit stabil sein werde - auch, weil täglich neue türkise Chats zu Tage treten würden.

Kurz' Rücktritt war für Meinl-Reisinger "überfällig". Allerdings reicht ihr dieser nicht, denn eigentlich müsste auch für einen Klubchef untadeliges Verhalten die Voraussetzung sein: "Als Klubobmann hält er weiter alle Fäden der Macht in seiner Hand."

»Seit einer Stunde ist Kurz nicht mehr Bundeskanzler, aber Schattenkanzler«

Für FPÖ-Chef Kickl bricht Kurz mit seiner "Flucht in die parlamentarische Immunität" sein Versprechen, für rasche Aufklärung zu sorgen. Kurz plane offenbar, die ganze Affäre zu einer unendlichen Geschichte zu machen, bis die ÖVP das Justizministerium wieder innehabe, spekulierte er in einer Aussendung. "Kurz mag als Kanzler weg sein - aber das türkise System ist nach wie vor voll da."

Ermittlung gegen Kurz möglicherweise erschwert

Die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) könnten durch den Wechsel von Sebastian Kurz aus dem Bundeskanzleramt in den Nationalrat erschwert werden. Der ÖVP-Parlamentsklub hat zwar bereits angekündigt, dass Kurz um die Aufhebung seiner Immunität im entsprechenden Ausschuss ersuchen werde. Bis dahin müssen die Ermittlungen allerdings ruhen, so Verfassungsjurist Heinz Mayer. Und auch neue Ermittlungsschritte müssten genehmigt werden.

Kurz sei immun, solange er Abgeordneter sei, so Mayer im ORF. Es könne damit keine Strafverfolgungshandlung gegen ihn gesetzt werden, außer seine Immunität werde nach Antrag der WKStA vom Immunitätsausschuss des Nationalrats aufgehoben. "Und wenn die (Abgeordneten, Anm.) ablehnen, kann keine Strafverfolgung stattfinden solange er Abgeordneter ist - und das kann 20, 30, 40 Jahre dauern." Auch bei einer etwaigen Hausdurchsuchung bei Kurz selbst wäre eine Zustimmung des Nationalrats notwendig, dementsprechend müssten auch die Nationalratsklubs - und damit auch Kurz' ÖVP - zuvor darüber informiert werden.

Dass die Strafverfahren - neben den Korruptionsermittlungen läuft noch ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Falschaussage im U-Ausschuss - fortgeführt werden können, steht für Werner Zögernitz vom Institut für Parlamentarismus und Demokratiefragen allerdings außer Frage. Die Immunität greife nur, wenn es einen Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit als Mandatar gibt, betont der frühere ÖVP-Klubdirektor. Die Untersuchungen der WKStA beträfen allerdings eine Zeit, in der Kurz Teil der Regierung war und nicht Angeordneter des Nationalrats. "Das heißt, die Behörde wird von sich aus weiterermitteln oder wird den Nationalrat um Auslieferung ersuchen. Und nachdem kein Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit gegeben ist, ist es üblich, dass man ausliefert." Dasselbe gelte auch für jenen Fall, dass die Behörde neue Ermittlungsschritte beginnen will.

Zehn Verdächtige

Die Verdachtslagen gehen in Richtung Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit. Zehn Verdächtige werden darin genannt, darunter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der ehemalige Generalsekretär und Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid und "Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner.

Im Fokus der Ermittler befinden sich daneben auch die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin, Kanzlersprecher Johannes Frischmann, Medienbeauftragter Gerald Fleischmann, ÖVP-Berater Stefan Steiner, Finanzministeriums-Sprecher Johannes P., Meinungsforscherin Sabine B. und Helmuth Fellner.

Gegen wen ermittelt wird:
Sebastian KURZ
Gegen den heutigen Bundeskanzler und ÖVP-Obmann wird wegen Untreue und Bestechlichkeit ermittelt. Der größte Teil der Vorwürfe stammt aus einer Zeit, als Kurz noch das Außenministerium leitete und quasi am Sprung zur Parteispitze war.
Thomas SCHMID
Auch Schmid wird wegen Untreue und Bestechlichkeit verfolgt. Der spätere ÖBAG-Chef lieferte mit seinen Chats auch in dieser Causa die Basis für die Ermittlungen. Zum Zeitpunkt der Geschehnisse war er Kabinettschef bzw. Generalsekretär im Finanzministerium. Heute ist er nach seinem Abgang aus der Staatsholding nicht mehr im öffentlichen Bereich tätig.
Johannes P./b>
Johannes P. war schon zur Zeit der inkriminierten Vorgänge Leiter der Öffentlichkeitsarbeit im Finanzressort. Der frühere Freiheitliche ist seit rund fünf Jahren Bezirksobmann der ÖVP in Wien-Wieden. Auch gegen ihn wird wegen Untreue und Bestechlichkeit ermittelt.
Johannes FRISCHMANN
Der heutige Sprecher von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) war zu Beginn der Vorgänge, die die Staatsanwaltschaft verfolgt, noch als Pressesprecher im Finanzressort tätig.
Gerald FLEISCHMANN
Fleischmann hat eine lange Karriere als Pressesprecher hinter sich, wobei er unter anderem die Medienabteilung der Volkspartei leitete. Schon beim Einstieg von Sebastian Kurz ins Regierungsgeschäft diente er als sein Sprecher, später im Kanzleramt auch als stellvertretender Kabinettschef. Heute ist er Leiter der Stabstelle Medien im Bundeskanzleramt.
Stefan STEINER
Steiner gilt als der Prototyp des Mannes im Hintergrund. Als Spitzenbeamte im Integrationsbereich war er über viele Jahre enger Weggefährte von Sebastian Kurz. 2017 wechselte er für einige Monate als Generalsekretär in die ÖVP-Zentrale. Seit 2018 ist er strategischer Berater der Volkspartei und ist in so gut wie alle wichtigen Entscheidungen eingebunden. Gegen ihn wird wie gegen Fleischmann und Frischmann ebenfalls wegen Bestechlichkeit und Untreue ermittelt.
Sophie KARMASIN
Die Meinungsforscherin war zur Zeit der untersuchten Vorwürfe als parteilose Familienministerin für die ÖVP tätig. Nach ihrem Ausstieg aus der Politik war sie wieder als Meinungsforscherin bzw. Beraterin mit einem neuen Unternehmen aktiv.
Sabine B.
B. ist Gründerin des Marktforschungsinstituts "Research Affairs", das seit vielen Jahren die Umfragen für die "Österreich"-Mediengruppe durchführt. Laut Staatsanwaltschaft ist sie seit längerer Zeit mit der Familie Karmasin beruflich verbunden. Den Meinungsforscherinnen wird Untreue und Bestechung vorgehalten.
Wolfgang FELLNER
Der prominente Medienmanager und Gründer von Magazinen wie "Rennbahn Express", "Basta" und "News" ist Herausgeber der Tageszeitung "Österreich" bzw. Chef des dazugehörigen Medienkonzerns.
Helmuth FELLNER
Helmuth Fellner begleitete seinen Bruder bei den diversen Magazingründungen im kaufmännischen Bereich. Direkt an "Österreich" beteiligt ist er nicht, laut Staatsanwaltschaft bringt er sich über eine Beratungs-GmbH aber weiter operativ in das Geschäft ein. Den Fellner-Brüdern wird Untreue und Bestechung zur Last gelegt.

ÖVP und Mediengruppe Österreich als Verdächtige

Als Verdächtige geführt werden nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) auch die ÖVP und die Mediengruppe Österreich. Die türkise Bundespartei soll - so zumindest der Verdacht der WKStA - im Sinne dieses Gesetzes für Straftaten verantwortlich sein, die zu ihren Gunsten begangen worden sein sollen.

Im Wesentlichen geht es bei den Vorwürfen um die Zeit vor der ÖVP-internen Machtübernahme von Kurz im Jahr 2017. Damals war Reinhold Mitterlehner noch Chef der Volkspartei. Etwa sollen damals nach Ansicht der Ermittler Umfragen im Interesse von Kurz und dessen Umfeld per Scheinrechnungen als Leistungen für Studien des Finanzministeriums abgerechnet worden seien, also das Finanzministerium aus Amtsmitteln Umfragen für das "(partei)politische Fortkommen" Kurz bezahlt haben. Davon leiten die Ermittler das Delikt der Untreue ab.

Zudem hegt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft den Verdacht, dass von den handelnden Akteuren aus dem türkisen Umfeld im Finanzministerium ab etwa April 2016 "mehrere Inseraten- und Medienkooperationsvereinbarungen mit Medien der Fellner-Gruppe" geschlossen wurden, und zwar zum Vorteil von Kurz. Dabei geht es laut WKStA nicht nur um geschönte Umfrageergebnisse, sondern auch um eine "die Interessen von Sebastian Kurz und der Gruppe seiner Vertrauten fördernden Kommentierung durch Wolfgang Fellner oder andere Akteure". Die Gesamtkosten der Inserate, die keinen Bezug zur Tätigkeit des Finanzministeriums gehabt hätten, sollen dabei eine Million überstiegen haben. Dadurch sollen die Tatbestände Bestechung und Bestechlichkeit erfüllt sein.

Kurz persönlich wirft die WKStA vor, den damaligen Generalsekretär Schmid mit der Organisation und den Verhandlungen sowie mit der Kooperation mit der Mediengruppe beauftragt und sich regelmäßig berichtet haben zu lassen. Ferner soll der Kanzler die ehemalige Ministerin Karmasin überredet haben, sich an Tathandlungen zu beteiligen, indem er einzelne Fragestellungen in Auftrag gegeben und auf deren Veröffentlichung hingewirkt habe. Diese hätten aber "ausschließlich parteipolitischen Zwecken" gedient.

Die Chats

Die Korruptionsermittlungen werfen nun ein neues Schlaglicht auf den "Kurz-Effekt" in den Meinungsumfragen des Mai 2017. Denn nach der Übernahme der ÖVP-Führung durch den heutigen Kanzler konnte die ÖVP zwar ihren Rückstand auf FPÖ und SPÖ in allen Umfragen in einen Vorsprung verwandeln. Etwas stärker ausgeprägt war dieser Effekt aber bei dem nun der Manipulation verdächtigten Institut Research Affairs. In den Monaten vor der Übernahme der ÖVP-Führung durch Kurz war die damals noch schwarze Partei konstant an dritter Stelle gelegen. Erste war seit Mitte 2015 die FPÖ vor der SPÖ, die seit der Übernahme durch Christian Kern im Mai 2016 an Boden gewinnen konnte.

Um zu belegen, dass Kurz selbst von den Plänen gewusst haben soll, verweist die Staatsanwaltschaft auf einen Chatverlauf zwischen ihm und Schmid vom 15. März 2016. Schmid war sich demnach nicht sicher, ob Karmasin dabei ist, woraufhin Kurz schrieb: "kann ich mit ihr reden?" Schmid antwortet: "Ja bitte! Sie ist so angefressen wegen Mitterlehner, weil er ihr in den Rücken gefallen ist. Habe jetzt 3 Stunden mit ihr gesprochen. Und spindi (Spitzname von Ex-ÖVP-Chef und Kurz-Förderer Michael Spindelegger, Anm.) auf sie angesetzt. Wenn du ihr sagst dass jetzt nicht die Welt untergeht. Und das (sic!) Mitterlehner eben ein arsch (sic!) war usw. Hilft das sicher." "passt mach ich", lautet demnach die Antwort von Kurz.

»Lieber Herr Fellner! Mit Ihrem Bruder einen Teil der Vereinbarung erledigt. Ich bin gespannt wie das Schelling Budget morgen bei euch berichtet wird«

Die Staatsanwaltschaft glaubt außerdem anhand von Chatprotokollen, dass es bereits im April 2016 "Vereinbarungen" zwischen Schmid und den Fellners gegeben habe und zitiert dazu folgenden Nachricht Schmids an Wolfgang Fellner: "Lieber Herr Fellner! Mit Ihrem Bruder einen Teil der Vereinbarung erledigt. Ich bin gespannt wie das Schelling Budget morgen bei euch berichtet wird. LG Thomas". Außerdem verweist die Staatsanwaltschaft auf eine Nachricht von Pressesprecher Frischmann an Schmid vom 27. Juni 2016: "Fellner hat sich an keine Abmachung gehalten. (...)" Schmid beschwert sich daraufhin bei Karmasin über den "Vertrauensbruch" und bei den Fellners über die "echte Frechheit" - Fellner soll sich daraufhin "einsichtig" gegeben haben, wie es die Staatsanwaltschaft ausdrückt. Wenige Tage später berichtet demnach Frischmann von der zweimaligen Schaltung einer Inseraten-Doppelseite in der Zeitung um insgesamt 116.000 Euro netto.

»Damit haben wir Umfragen und Co im besprochenen Sinne :-))«

Die Kooperation wurde laut Staatsanwaltschaft weiter ausgebaut, im September 2016 schrieb Schmid an Kurz: "Hab echt coole News! Die gesamte Politikforschung in Österreich wird nun zur B. wandern. Damit haben wir Umfragen und Co im besprochenen Sinne :-))".

»Fellner ist ein Kapitalist. Wer zahlt schafft an. Ich liebe das«

Im Jänner 2017 schrieb Frischmann demnach an Schmid, er habe B. "noch angesagt was sie im Interview sagen soll". "So weit wie wir bin ich echt noch nie gegangen", freut sich Schmid, "Geniales investment". Schmid fügt noch an: "Und Fellner ist ein Kapitalist. Wer zahlt schafft an. Ich liebe das."

Regierungskrise mit Kanzler-Abgang - Die Chronologie:

Die Regierungskrise, die im Rückzug von Bundeskanzler Sebastian Kurz gipfelte, hat ihren Ursprung in Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen der Bestellung von FPÖ-Mann Peter Sidlo zum Casinos Austria-Finanzvorstand. Diese Ermittlungen führten im August 2019 nach dem Ibiza-Video und dem Scheitern von Türkis-Blau zu Hausdurchsuchungen bei Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und wenig später auch bei ÖBAG-Chef Thomas Schmid.

Schmid hatte zwar sein Handy vor der Sicherstellung durch die Ermittler zurückgesetzt sowie WhatsApp und andere Nachrichten gelöscht, aber die Ermittler konnten viele Chatnachrichten wieder herstellen. Das sagte Ibiza-Ermittler und IT-Experte Matthias Purkart von der WKStA vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss im Parlament im Juni 2020.

Die Auswertung dieser Daten hat schon einige für die ÖVP unangenehme Dinge zutage gefördert und nunmehr letzten Endes ÖVP-Obmann Kurz vorerst die Kanzlerschaft gekostet . Unter anderem kam heraus, dass die ÖVP die Kirche unter Druck gesetzt hatte, nachdem diese Kritik an der Flüchtlingspolitik der türkis-blauen Regierung geübt hatte. Kurz empfahl dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, der Kirche "Vollgas" zu geben. Steuerliche Begünstigungen der Religionsgemeinschaften sollten infrage gestellt werden.

Die Wiener Stadtzeitung "Falter" berichtet am vergangenen Freitag, dass Schmid 2017 auch die Wissenschafter des Instituts für Höhere Studien (IHS) für kritische Äußerungen zu den Steuerreform-Versprechungen der ÖVP im Wahlkampf bestrafen wollte. "Kocher bringe ich noch auf Linie. IHS vom BMF finanziert", soll Schmid an Kurz geschrieben haben.

Auch die vor dem Wochenende publik gewordene mutmaßliche Inseratenkorruption, die der von der WKStA angenommenen Verdachtslage zufolge von Kurz-Vertrauten mit dem Medienhaus "Österreich" angekurbelt worden sein soll, um Kurz den Rücken zu stärken, ist in Schmids Nachrichten dokumentiert. Die WKStA ermittelt in diesem Zusammenhang zufolge gegen Kurz, Schmid, engste Vertraute des Bundeskanzlers, Ex-ÖVP-Familienministerin und Meinungsforscherin Sophie Karmasin, eine weitere Meinungsforscherin und die Brüder Wolfgang und Helmuth Fellner vom Medienhaus "Österreich". Die APA bringt im Folgenden eine Chronologe der Ereignisse der letzten Tage.

23. September:

Die WKStA beantragt beim Richter Hausdurchsuchungen u.a. im Bundeskanzleramt, im Finanzministerium, in der ÖVP-Zentrale und der Mediengruppe "Österreich".

28. September:

ÖVP-Vize-Generalsekretärin Gabriela Schwarz gibt eine "Stellungnahme zu Medienanfragen zu angeblich weiteren Ermittlungsschritten gegen die ÖVP" ab. "Hausdurchsuchungen sind meiner Meinung nach völlig sinnlos und noch einmal, es ist auch nichts zu finden", sagt sie bei diesem Auftritt.

29. September:

Der zuständige Richter genehmigt die Anordnung für die Hausdurchsuchungen.

4. Oktober:

Die Genehmigung geht zurück an die Staatsanwaltschaft.

5. Oktober:

Die Razzien der WKStA starten im Umfeld der Assistentin von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid.

Der türkise Ex-U-Ausschuss-Fraktionschef Andreas Hanger gibt eine Pressekonferenz und macht dort "linke Zellen" in der Korruptionsstaatsanwaltschaft aus und befürchtete Hausdurchsuchungen in der ÖVP.

6. Oktober:

Im Bundeskanzleramt und Büros im Finanzministerium werden Razzien durchgeführt. Betroffen waren unter anderem Kanzlersprecher Johannes Frischmann, Kurz' Medienbeauftragter Gerald Fleischmann und Kurz-Berater Stefan Steiner.

ÖVP-Klubchef August Wöginger zeigt sich am Rande des Ministerrats empört. Er spricht von einer "Unzahl an falschen Behauptungen". Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer erklärt knapp: "Wir haben vollstes Vertrauen in die Justiz. Wir werden sehen, wie es weitergeht."

Die Opposition fordert den Rücktritt von Kurz und beantragt geschlossen eine Sondersitzung des Parlaments.

Kurz nimmt in der "ZiB2" zu den Vorwürfen Stellung und weist sie vehement zurück.

7. Oktober:

Die Grünen stellen die Handlungsfähigkeit des Kanzlers infrage. Parteichef Werner Kogler lädt alle Klubobleute zu Gesprächen ein.

Die Bundes-ÖVP schickt eine OTS aus, wonach sich alle Teilorganisationen hinter Kurz stellen.

Die Tiroler-ÖVP schickt eine OTS aus, wonach sich auch alle Landeshauptleute hinter Kurz stellen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfängt Kurz, Kogler und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Kurz sagt danach: "Wir stehen bereit, die Arbeit fortzusetzen."

Die Präsidiale des Nationalrats einigt sich darauf, die Sondersitzung am kommenden Dienstag abzuhalten. Die Opposition wird dort einen Misstrauensantrag gegen Kurz einbringen. Wie die Grünen abstimmen werden, ist noch unklar.

8. Oktober:

Kogler startet Gespräche mit den Klubobleuten der Parlamentsparteien. Maurer legt vor dem Gespräch mit Rendi-Wagner nach und fordert die ÖVP auf, Kurz durch "eine untadelige Person" auszutauschen.

Van der Bellen empfängt die Parteichefs Herbert Kickl (FPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS). In einem Statement an die Bevölkerung hält Van der Bellen fest, er werde keine Ratschläge erteilen, aber für Stabilität sorgen.

Am Abend tritt Kurz kurzfristig vor die Kameras und erklärt, weiter "handlungsfähig und handlungswillig" zu sein. Die gegen ihn gerichteten Vorwürfe seien "schlicht und einfach falsch". Bereitschaft, seinen Sessel zu räumen, signalisiert er nicht. Als "überzeugte Demokraten" werde die ÖVP aber selbstverständlich akzeptieren, wenn es andere Mehrheiten im Parlament gebe.

9. Oktober:

Das Kanzleramt und der Grüne Klub waren untertags auf aus medialer Sicht auf Tauchstation, im Hintergrund waren aber Beratungen aller im Parlament vertretenen Parteien im Gang. Die Positionen der ÖVP und der Grünen scheinen einzementiert. Landwirtschaftsministerin und Kurz-Vertraute Elisabeth Köstinger rückt schließlich aus und warnt vor einem "Vier Parteien-Pakt mit Herbert Kickl". Das Land brauche Stabilität, das ÖVP-Regierungsteam unter Kanzler Kurz sei bereit, die Regierungszusammenarbeit mit den Grünen fortzusetzen.

Am Abend verdichten sich die Gerüchte, Kurz werde wieder vor die Kameras treten. Fast exakt 24 Stunden, nachdem er auf seiner Position als Regierungschef beharrt hatte, verkündet er dann, sich als Bundeskanzler zurückzuziehen und als Klubchef der ÖVP ins Parlament wechseln zu wollen. Parteichef will er bleiben. Als Kanzler nachfolgen soll ihm Außenminister Alexander Schallenberg. Die gegen ihn gerichteten Vorwürfe seien "falsch, und ich werde das auch aufklären können", bekräftigt Kurz. Die seit Tagen von der Politik und der interessierten Öffentlichkeit breit diskutierten Textnachrichten habe er "teilweise in der Hitze des Gefechts geschrieben". Er sei "eben auch nur ein Mensch mit Emotionen und Fehlern".

Zu seinen Beweggründen, vorerst auf die Kanzlerschaft zu verzichten, legt Kurz dar, es wäre "unverantwortlich", die Regierungsverantwortung einer Vier-Parteien-Koalition von Grünen, SPÖ, FPÖ und NEOS zu überlassen, das am Ende des Tages auf Gnaden von FPÖ-Obmann Herbert Kickl angewiesen wäre. Es gehe in so einer Situation nicht um persönliche Interessen, Parteiinteressen oder politische Taktik: "Mein Land ist mir wichtiger als meine Person." Um die Pattsituation aufzulösen, habe er sich entschieden, Platz zu machen: "Ich gebe zu, der Schritt ist kein leichter für mich."

Grünen-Chef Kogler begrüßt im Anschluss diesen Schritt und signalisiert in einem schriftlichen Statement, die Türkis-Grüne Koalition unter einem Kanzler Schallenberg möglicherweise fortsetzen zu wollen. Am Sonntag werde er das Gespräch mit dem als Kanzler vorgeschlagenen Schallenberg suchen. Die Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Sprecher der früheren ÖVP-Außenminister Ursula Plassnik und Michael Spindelegger, der nach dem ibizabedingten Platzen der türkis-blauen Koalition schon dem Übergangskabinett von Kanzlerin Brigitte Bierlein als Außenminister angehört hatte und unter Kanzler Kurz seinen Posten behielt, sei bisher sehr konstruktiv gewesen, betont Kogler.