Um 1900 sagte Charles Rolls, die edelste Art der automobilen Fortbewegung wäre der Antrieb durch einen Elektromotor. Knapp eineinviertel Jahrhunderte später präsentierte Rolls-Royce den Spectre. Ein langer Weg für eine große Vision
Mit dem Spectre hat Rolls-Royce 2023 das erste Ultraluxusauto mit rein elektrischem Antrieb zur Serienreife und auf den Markt gebracht. Eckdaten: zwei E-Motoren bringen 590 PS Systemleistung und beschleunigen 3,4 Tonnen höchstzulässiges Gesamtgewicht in 4,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Kaufpreis: ab 400.000 Euro. Netto, weil für ihn als E-Auto keine NoVA anfällt.
Gesunder Luxusautomarkt
Preiszettel wie dieser sind erstaunlicherweise kaum verkaufshemmend im Autogeschäft. Obwohl in Österreich mit der Normverbrauchsabgabe inkl. CO2-Malus eine der rigidesten Strafsteuern für leistungsstarke Autos europaweit zum Nettopreis addiert wird, sieht Luxusautohändler Michael Horst Schmidt hierzulande einen sehr guten Markt für Autos von Rolls-Royce und Co. Generell scheint es trotz Rezession und allerlei Krisen derzeit einfacher zu sein, Autos mit solide sechstelligem Euro-Verkaufspreis an Frau und Mann zu bringen, als Brot-und-Butter-Autos im 25.ooo-Euro-Segment. Was nicht nur damit zusammenhängt, dass Österreich lange als Handelsbrückenpfeiler für Luxusautos in den Westbalkan galt. Bei Schmidt lief es nämlich quasi anders herum.
Der findige Unternehmer und Selfmademan legte im Jahr 1994 mit der Gründung von „Automobile Bavaria“ im rumänischen Bukarest den Grundstein für ein Autohandelsimperium, das neuerdings in 1220 Wien Österreichs einzigen Rolls-Royce-Standort betreibt. Mit 21 Autohäusern in drei Ländern ist die MHS Group des Michael Horst Schmidt einer der potentesten Handelspartner für Produkte der BMW GmbH (Autos und Motorräder sowie Marken MINI und Rolls-Royce). Und einer jener Big Player, die Autokonzerne aktuellen Trends zufolge eher nicht so gern haben, um die sie aber umsatzmäßig kaum herumkommen. Mit der ersten Rolls-Royce-Repräsentanz in Rumänien 2004 erfüllte sich Schmidt einen Traum, ab 2010 betrieb die Schmidt Premium Cars auch in München einen offiziellen Rolls-Royce-Standort. Anfang 2023 kamen die drei Standorte in Österreich hinzu, von denen allerdings nur der in Wien die Marke Rolls-Royce im Portfolio hat.
Schon vor genau 100 Jahren setzte die kongeniale Partnerschaft des Fahrzeug-, Flugzeugtriebwerks- und E-Anlagenbauers Henry Royce mit dem Luxusautohändler Charles Rolls den Grundstein für die legendäre Marke. Die Chemie zwischen Rolls und Royce stimmte, die Firma wuchs, 1931 übernahm man die britische Luxussportwagenmarke Bentley, die Zielsetzung, ausschließlich Fahrzeuge der Luxusklasse herzustellen, verfing sich plangemäß. Von Anfang an waren Autos der Marke Rolls-Royce verpflichtendes Inventar in den Herrscherhaus-Garagen der Welt.
1971 – Rolls und Royce waren da schon lange tot – brachten Fehlkalkulationen in der Flugzeug-Sparte fast die Pleite, es folgten Verstaatlichung, Reprivatisierung durch den Vickers-Konzern, und schließlich 1987 die handstreichartige Übernahme durch Volkswagen. Achillesferse des Deals: Die Namensrechte verblieben bei Vickers, was sich Konkurrent BMW zunutze machte.
Das folgende juristische Hick-Hack endete anno 2003: BMW bekam Rolls-Royce und Volkswagen Bentley. Die bisher parallel geführten Modellreihen wurden vollständig getrennt. Ab da entwickelte Rolls-Royce seine Modellpalette intelligent weiter bis zu ihrem heutigen Bestand. Und man kultiviert konstant jenen erstaunlich breit aufgestellten Glamour-Nimbus einer Marke, mit der sich gleichermaßen Aristokraten wie juwelenbehängte Rap-Musikanten identifizieren können.
Reichweite? Ausreichend.
Michael Horst Schmidt schwört auf den Spectre sogar im Alltagseinsatz. Der Frage, ob dessen WLTP-Reichweite von 520 Kilometern tatsächlich zutrifft, weicht der gewiefte 64-Jährige geschickt aus, in dem er sich selbst einen „sportlichen Fahrer“ nennt, also für den amtlichen WLTP-Zyklus eher wenig repräsentativ. Da schließt sich der Kreis insofern, als auch ein Zwölfzylinder-Rolls mit einer Tankfüllung nur rund 450 Kilometer weit kommt, wenn man das Gaspedal allzu forsch betritt. Wem das trotzdem lieber ist: Phantom, Ghost und Cullinan kommen vorerst weiter mit benzinbetriebenen Zwölfendern aus dem Schauraum. Den Finanzminister freut’s.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 45/2024 erschienen.
Michael Horst Schmidt
Er wurde 1960 in Rumänien als Deutsch-Sachse geboren und kam 1981 nach Deutschland, wo er ab 1988 für Siemens tätig war. 1994 gründete er in Rumänien Automobile Bavaria, ein Autohandelshaus, das mittlerweile an 21 Standorten in Rumänien, Deutschland und Österreich 1400 Mitarbeiter beschäftigt. Die MHS-Group vertreibt Autos und Motorräder der Marken BMW, MINI, Rolls-Royce, Honda und INEOS, im Lkw-Bereich ist man als größter Einzelhandelspartner von MAN tätig. Für sein Engagement bei der Entwicklung der deutsch-rumänischen Beziehungen sowie der Förderung der Kultur und Bildung der deutschen Minderheit in Rumänien erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem das Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Auch wirtschaftlich konnte er Ehrungen erfahren, etwa als „Rolls-Royce Global Dealer of the Year“. Michael Horst Schmidt ist verheiratet und lebt in Wien.