"Im Laufe seines Lebens hat man eine 6% bis 60%ige Wahrscheinlichkeit einmal an Schulterschmerzen zu leiden", weiß Dr.Ulrich Lanz, einer der führenden Schulterspezialisten Österreichs. News hat mit dem Experten über das Impingement-Syndrom gesprochen: Welche Symptome treten auf, wie wird diagnostiziert, ist eine Operation ratsam und welche Schulterübungen gibt es?
Was versteht man unter dem Impingement Syndrom?
Unter Impingement Syndrom versteht man klassischerweise das sogennante „Anschlagssyndrom“, sprich ein Anschlagen der Rotatorenmanschette am Schulterdach. Auslöser dafür ist eine Verknöcherung/ein Knochensporn an der Vorder- und Unterseite des Schulterdaches. Dieser Sporn bewirkt eine Einengung des subacromialen Raumes sprich des Raumes unter dem Schulterdach (Schulterdach = Acromion). Durch diese Enge kommt es zum Anschlagen (Impingement) vor allem der Supraspinatussehne (zur Erklärung: Die Rotatorenmanschette besteht aus 4 Sehnen: Vorne der Subscapularissehne, oben der Supraspinatussehne, hinten oben der Infraspinatussehne und hinten unten der Teres minor Sehne). Durch das Anschlagen kommt es zu entzündlichen Veränderungen der Sehne und zu einer Schleimbeutelentzündung unter dem Schulterdach, der sog. Bursitis subacromialis. Im Schleimbeutel liegen sehr viele freie Nervenenden die dann den typischen Schmerz unter dem Schulterdach und seitlich am Oberarm hinunterziehend, verursachen. Dieses Konzept wurde bereits 1972 vom amerikanischen Schulterspezialisten Dr. Charles Neer beschrieben.
Auslöser & Ursachen für den Schmerz
Modernere Konzepte beziehen noch mehrere Faktoren mit ein: Dazu gehört z.B. eine relative Schulterdacheenge durch die Fehlhaltung des modernen Büromenschen: Wir arbeiten nur mehr vor uns - die Brustmuskulatur verkürzt sich und gleichzeitig entsteht ein Rundrücken. Dadurch „fallen“ die Schulterblätter nach vorne, das Schulterdach kippt nach unten und durch diese Fehlstellung des Schulterdaches kommt es leichter zu einem Anschlagen der Rotatorenmanschette am Schulterdach.
Die Aufgabe der Rotatorenmanschette besteht darin den Arm zu bewegen und den Oberarmkopf zentriert in der Schultergelenkspfanne zu halten. Kommt es zu einer Verletzung der Rotatorenmanschette, am häufigsten ist hier die Supraspinatussehne betroffen, kann der Oberarmkopf nicht mehr exakt zentriert werden und das Gelenk fängt zu“eiern“an. Die Folge ist, dass trotz eines normalen Schulterdaches die Rotatorenmanschette anschlägt.
Ein weiterer Punkt, wie es zum Impingement kommen kann sind Überkopfsportarten wie Tennis, Volleyball oder Badminton aber auch Arbeiter die starken Vibrationen ausgesetzt sind. Tennisprofis z.B. haben im Laufe ihres Sportlerlebens eine 75%ige Wahrscheinlichkeit Schulterschmerzen bzw. ein Impingementsyndrom zu entwickeln.
Welche Symptome gibt es?
Typischerweise kommt es zu einem hellen, sehr starkem Schmerz der sich vom Schulterdach seitlich am Oberam nach unten zieht. In ausgeprägten Fällen zieht der Schmerz über den Ellbogen bis in den Daumen und nach oben in den Nacken und ist fast unerträglich. Die Schmerzlokalisation ist eher diffus und ihr Ursprung kann nicht genau bestimmt werden. Auf die Frage, wo es schmerzt, umgreifen Patienten typischerweise mit ihrer Hand den seitlichen Oberarm.
Welchen Arzt sollte man aufsuchen?
Einen Facharzt für Orthopädie, falls möglich und greifbar gleich einen Schulterspezialisten.
Wie wird diagnostiziert?
Die klinische Untersuchung ist entscheidend, dann sollte ein Schulterröntgen durchgeführt werden um eine Kalkschulter auszuschließen und um die Weite des subacromialen Raumes bestimmen und einen möglichen Acromionsporn erkennen zu können. Schließlich empfiehlt es sich zumindest eine Ultraschalluntersuchung, besser aber eine MRT der Schulter durchführen zu lassen um Verletzungen der Rotatorenmanschette ausschließen zu können.
Wer ist vom Impingment Syndrom am ehesten betroffen?
Männer und Frauen sind gleichemaßen betroffen, als Risikofaktoren gelten das Alter, Überkopfsportarten oder Überkopfarbeiter und Arbeiter die starken Vibrationen ausgesetzt sind, alle repetitiven Bewegungen einerseits Überkopf andererseits aber auch bei repetitiven Bewegungen, bei der die Schulter stabilisiert werden muss, wie z.B. beim führen einer Maus am Computer - auch bekannt als „Mausschulter“.
Gibt es konkrete Zahlen – wie viele Menschen in Österreich daran leiden?
Man geht davon aus, dass 1% bis 2% der Bevölkerung Schulterschmerzen hat, im Laufe seines Lebens hat man eine 6% bis 60%ige Wahrscheinlichkeit einmal an Schulterschmerzen zu leiden. Hier divergieren die zahlen stark. Grundsätzlich haben ca. die Hälfte der Patienten, die an Schulterschmerzen leiden, ein Impingement Syndrom. Es damit die häufigste Schultererkrankung.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Das wichtigste ist die Physiotherapie mit mobilisierenden und kräftigenden Übungen um das Schulterblatt wieder in Position zu bringen und um den Oberarmkopf besser zu zentrieren bzw. bei einem Oberarmkopf-Hochstand wieder nach unten zu bringen (zentrierende und depressorische Kräftigung). Akut kann man entzündungshemmende Schmerzmittel einnehmen, lokal kühlen und z.B. mit einer Wasserflasche Pendelübunge machen damit sich der Oberarmkopf absenkt und mehr Platz im subacromialen Raum entsteht. Der Arzt kann als Akutmaßnahme eine entzündungshemmende Infiltration mit Cortison und einem Lokalanästhetikum (ein ähnliches Mittel, das auch Zahnärzte zur lokalen Betäubung verwenden) unter das Schulterdach injizieren. In weiterer Folge kann man mit einer speziellen Eigenbluttherapie, bei der die Wachstumsfaktoren und regenerativ wirkenden Faktoren aus dem eigenen Blut mittels einer speziellen Zentrifuge gewonnen werden (kein Doping!), gearbeitet werden. Diese Art der Therapie nennt sich ACP Therapie = autologes conditioniertes Plasma. Das Plasma wird unter das Schulterdach (an den Ort des Geschehens) injiziert. Ist die Rotatorenmanschette bereits entzündlich verändert kann zusätzlich eine Stoßwellentherapie Verbesserungen und eine Abheilung bringen. Ergänzend können Nahrungsergänzungsmittel für die Sehnen eingenommen werden (Laoli Vital Sehne z.B.)
Falls nach 3 bis 6 Monaten konservativer Therapie keine wesentliche positive Veränderung eintritt kann man mit Hilfe einer Gelenksspiegelung = Arthroskopie in knopflochchirugischer Technik den entzündeten Schleimbeutel entfernen und das Schulterdach abschleifen (sog. Acromioplastik) um so einen etwaigen Sporn zu entfernen und mehr Platz zu schaffen.
Was würden Sie raten: eine nicht-operative oder eine operative Behandlung?
So lange kein Strukturschaden, sprich ein Riss der Rotatorenmanschette vorliegt würde ich auf jeden Fall mit einer konservativen Therapie beginnen. Langzeitstudien beweisen, dass selbst nach 10 Jahren die Ergebnisse mit und ohne OP gleich gut sind. Falls sich keine Besserung einstellt, rate ich zur OP, bei der in knopflochchirurgischer Technik der chronisch entzündete Schleimbeutel entfernt wird und das Schulterdach abgeschliffen wird um mehr Platz zu schaffen. Oft erkennt man dann bereits kleinere Einrisse der Rotatorenmanschette, die dann gleich mit versorgt werden.
Wenn die Beschwerden in der Schulter über die Jahre zunehmen, woran liegt das? Was ist zu tun?
Wenn die Beschwerden über die Jahre zunehmen spricht das für einen chronischen Prozess. Das heiß entweder hat sich z.B. die Fehlhaltung (Rundrücken, Schuterblätter sind zu weit vorne) verstärkt und verschlechtert oder aber es hat sich langsam ein degenerativer, d.h. durch Abnützung bedingter Strukturschaden ergeben. Die Rotatorenmanschette reibt und schlägt über Jahre am Schulterdach an und nützt sich stetig mehr ab. Am häufigsten entsteht dabei ein Riss der Supraspinatussehne. Dieser fängt klein und unbemerkt an, da die übrigen Sehnen der Rotatorenmanschette die Funktion übernehmen bzw. kompensieren können. Lediglich hin und wieder kommt es zu Schmerzen, die aber nach einiger Zeit teilweise von selbst, teilweise mit Gymnastik wieder vergehen. Man gewöhnt sich daran, bzw. lernt man sich Bewegungsmuster ein, die ein Auslösen des Schmerzes verhindern. Mit der Zeit vergrößert sich der Riss, die Schulterfunktion nimmt langsam ab und die Schmerzen treten vermehrt auf. Spätestens dann sollte man einen Schulterspezialisten aufsuchen.
Alternativ kann auch ein Gelenkverschleiß, in der Schulter die sogenannte Omarthrose vorliegen. Bei jungen Patienten ist meist ein entsprechendes Trauma Jahre zuvor in Erinnerung (z.B. Skisturz, Mountainbike Sturz o.ä.), bei älteren Patienten (65+) entstehen diese Abnützungen meist primär, d.h. ohne direkt erkennbare Ursache. Auffallend ist hierbei, dass es zusätzlich zu einer Bewegungseinschränkung im Schultergelenk kommt.
Differentialdiagnostisch müssen auch der rheumatische Formenkreis und die Halswirbelsäule in Betracht gezogen werden. Kommt es zu Nerveneinengungen im Bereich der Nervenaustrittstellen oder zu starken Verspannungen der Nackenmuskulatur kann das ebenfalls in die Schulter ausstrahlen.
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Kann man dem Impingement Syndrom vorbeugen und wenn ja, wie?
Ja kann man bis zu einem gewissen Grad: Mobilisierende Übungen für die Wirbelsäule, wie z.B. Katzenbuckel und Pferderücken abwechselnd durchführen, Dehnen der Brustmuskulatur um ein nach vorne ziehen der Schultern zu verhindern, im Büro z.B. mehrmals täglich die Schulterblätter für 10 bis 20 sec. nach hinten und unten ziehen - man kann sich vorstellen, man will die Schulterblätter in die hinteren Hosentaschen stecken.
Aufpassen, dass man bei längerer Computerarbeit nicht anfängt die Schultern nach oben zu ziehen, stattdessen eben die Schultern immer wieder nach hinten und unten ziehen.
Regelmäßig Ausgleichssport durchführen. Sehr gut für eine Kräftigung der Rotatorenmanschette und der Schulterblattmuskulatur eignen sich Sportarten wie Nordic Walken, Stand Up Paddeln oder klassisches Fitnesstraining, solange man eine korrekte Technik hat.
Falls man repetitive Tätigkeiten durchführen muss, sollte man auf entsprechende Pausen achten, damit sich die Schultermuskulatur wieder erholen kann, statt einer Maus am Computer kann man z.B. auch abwechselnd ein Track Pad o. ä. verwenden.
Welche Übungen sollte man beim Impingment Syndrom vermeiden?
Die Schulter ist ein einfaches Gelenk. Sie spricht mit uns, d.h. Schmerz ist unser Leitsymptom. Alles was weh tut sollte vermieden werden. Ansonsten sollten vor allem repetitive Über-Kopf Übungen wie z.B. Badminton spielen aber auch Kraftübungen über Kopf vermieden werden. Als Faustregel gilt, dass alle Übungen mit Zugbelastung eher gut und alle Übungen mit Druckbelastungen, insbesondere nach oben eher schlecht sind.