Muss Ralf Rangnick eigentlich auch zur Fremdenpolizei? Für das Foto auf der e-card zum Beispiel. Oder für seine Anmeldung bei der ID-Austria? Es ist anzunehmen.
Gleiche bürokratische Hürden wie für alle anderen Deutschen in diesem Land. Denn Fremde bleiben wir solange, bis wir die Staatsbürgerschaft wechseln. Oder dem Land einen Dienst erweisen. Doch jetzt, wo der „Fremde“ einer von hier ist, könnte sich vieles ändern. Nämlich in der deutsch-österreichischen Beziehung.
Denn Träumen werden ja wohl auch jene dürfen, die mit dem Fußball-Österreich nichts am Hut haben. Also die anderen rund 233.000 Deutschen, die genauso wie Ralf Rangnick hier leben. Und die bisher bei jeder sich bietenden Gelegenheit vor allem als „Piefke“, „Lecker“-Sager oder „NC-Flüchtlinge“ abgestempelt wurden.
Unter diesem Blickwinkel ist jedenfalls vergangene Woche etwas Bemerkenswertes passiert. So viel Wärme. So viel Herzlichkeit. So viel ehrliche Dankbarkeit. Für einen Deutschen. Ausgerechnet für einen Deutschen. Warum? Weil dieser 65-jährige Deutsche Ja gesagt hat – zu weniger Glamour und weniger Geld. Zu Loyalität und Lebensqualität, Gestaltungsmöglichkeiten und Zufriedenheit. Ein Ja zu Österreich. In einer Fußballwelt, in der es oft nur um Geld und Macht geht, ist das viel. Sogar richtig viel auf einmal: Sensation. Paukenschlag. Triumph.
Der Satz „Ich bin mit vollem Herzen österreichischer Teamchef“ ließ ein ganzes Land kollektiv aufatmen. Netter Nebeneffekt: Die sonst stolz vorgetragenen, manchmal etwas engstirnigen Ressentiments – jene ungesunde Mischung aus Arroganz und Minderwertigkeitskomplexen gegenüber dem „großen Bruder“ – wurden zur Seite geschoben. Zumindest für den Augenblick. Ein vorübergehender Stimmungsumschwung oder ein echtes Umdenken?
Die kommende Fußball-Europameisterschaft bietet eine gute Gelegenheit, diese Denkmuster zu hinterfragen. Bisher galt, wer ohne Meinung über Österreich und die Österreicher kam, musste schnell feststellen: Jeder Österreicher hat eine Meinung über Deutsche. Folglich lernt jeder Neuankömmling im Crashkurs eine ganz besondere Art der Vorurteilskultur kennen. Etwa, dass er angeblich Schnitzel mit Tunke isst und dass ein „lecker“ im Deutschaufsatz reicht, um dieses Wort als Fehler anzustreichen. Die Neuen lernen auch, dass die Freude groß ist, wenn man ihnen eins auswischen kann und dass man sich für eine implizite Gehässigkeit unter dem Deckmantel „östereichischer Schmäh“ jedenfalls immer gerne Zeit nimmt. Und überhaupt, pauschal betrachtet sind wir vor allem eines: arrogante Besserwisser, rechthaberisch, humorlos, tonangebend. Respekt? Fehlanzeige, wie eine Studie der WU zu den Befindlichkeiten der Deutschen in Österreich zeigt.
„Ist das so?“ fragte neulich eine österreichische Kollegin. Ja, das ist oft so. Aber das kann sich ja jetzt ändern. Beide Seiten müssen dabei auch nicht übertreiben. Uns Deutschen reicht der kleine ausgestreckte Finger. Aus gelebter und geliebter Hassliebe muss nicht zwingend bedingungslose Liebe werden. Ein bisschen nett sein reicht schon.
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