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Der Hype um die Proteine

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Eine Frau trainiert im Fitnessstudio.

©iStockphoto.com/LumiNola
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Immer mehr Lebensmittel werden mit zusätzlichem Eiweiß angereichert. Dazu Proteinshakes, die in jedem Supermarkt angeboten werden. Was unser Körper wirklich benötigt, und wie auch aktive und vegan lebende Menschen ihren Eiweißbedarf aus der Nahrung decken können.

Proteine sind lebenswichtig. Sie liefern unserem Körper Aminosäuren, die er für Wachstum und Erhalt von Zellen und Gewebe sowie für ein funktionierendes Immunsystem benötigt.

Doch viele Menschen verbinden Proteine hauptsächlich mit Muskelaufbau. In Zeiten, in denen gerne wohldefinierte und muskulöse Körper auf Social Media präsentiert werden, ist daher ein regelgerechter Protein-Hype entstanden: Milchprodukte, die damit angereichert sind, werden in jedem Supermarkt angeboten. Dazu gibt es eine Vielzahl an Riegeln und Pulvern, die den Muskelaufbau begünstigen sollen.

Auch die stetig zunehmende Zahl an Menschen, die sich vegan ernährt, macht sich laufend Gedanken, ob mit der rein pflanzlichen Ernährung der Körper ausreichend mit Proteinen versorgt ist.

Es ist wichtig, verschiedene Proteinquellen zu kombinieren

Daniel König, Kardiologe, Endokrinologe sowie Sport- und Ernährungsmediziner an der Uni Wien

Und so greift bereits jeder vierte Mensch in Deutschland zumindest gelegentlich zu proteinhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln, wie eine Befragung von fast 6.000 Personen durch Statista ergab. Sport-und Präventivmediziner Piero Lercher führt diesen Trend einerseits darauf zurück, dass "viele Menschen fälschlicherweise glauben, Kohlenhydrate sind schlecht für ,die Figur'". Allerdings, weiß er, "klärt man die Leute dann auf, dass beispielsweise Salate und Obst falls Kohlenhydrate sind, schauen sie verdutzt". "Andererseits sind Proteine in der Volksmeinung auch eng mit dem Begriff Kraftzuwachs verbunden", sagt der Arzt. Denn, so die Annahme, mehr Proteine bedeuten gleichzeitig mehr Muskeln. Das stimme allerdings nur bedingt. So wichtig Eiweiß für den Muskelaufbau ist, ohne Krafttraining wird kein Muskel wachsen, erklärt Piero Lercher: "Wenn man tatsächlich einen Kraft-und Muskelzuwachs erhalten will, muss man ein adäquates Krafttraining durchführen und sich adäquat mit ausreichendem Proteinanteil ernähren."

Daniel König, Kardiologe, Endokrinologe sowie Sport- und Ernährungsmediziner, der sich an der Uni Wien mit der Bedeutung der Ernährung für Gesunderhaltung in Kombination mit Sport und Sporternährung beschäftigt, betont ebenfalls: "Proteine sind wichtig für den Muskelaufbau. Aber das funktioniert nicht einzig über Pulver. Es gibt keine Studie, die besagt, dass Nahrungsmittel mit zugesetztem Protein hier mehr bringen würden."

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"Viel hilft nicht automatisch viel"

Idealerweise sollte der Muskelanteil im Körper bei rund 45 Prozent liegen und der Körperfettanteil 25 bis 30 Prozent nicht übersteigen. Dazu beträgt die empfohlene tägliche Eiweißaufnahme für unter 60-Jährige 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Eine Menge, die von den allermeisten problemlos mit der Nahrung aufgenommen wird. "Hierzulande ist es meist so, dass die Menschen ohnehin zu viel Protein durch übermäßigen Fleischkonsum zu sich nehmen", sagt König. In diesen Fällen sei klarerweise keine zusätzliche Proteinzufuhr nötig.

Anderes ist hingegen die Situation bei Sportlern und älteren Menschen. Jeder verliert ab 50 rund ein bis zwei Prozent seiner Muskelmasse pro Jahr. Um dem entgegenzuwirken, lautet die Empfehlung für Ältere daher, ein Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht täglich zuzuführen.

Für Sportler wiederum sind je nach Intensität und Sportart zwischen 1,2 und zwei Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht täglich ratsam. "Studien haben gezeigt, dass eine Aufnahme von mehr als 1,6 Gramm pro kg Körpergewicht keinen deutlichen Mehrzuwachs an Muskelzuwachs bewirkt", gibt König zu bedenken: "Viel hilft hier nicht automatisch viel."

Konsumiert jemand täglich mehr als 2,6 Gramm pro Kilogramm an Proteinen, wird die überschüssige Menge ausgeschieden. Aktuell gibt es laut König keinen Hinweis, dass dadurch Niere oder Leber eines nicht vorerkrankten Menschen geschädigt werden.

Generell lautet die Richtlinie laut Sportmediziner König "Food first": "Auch, wenn nichts dagegen spricht, dass ein Sportler, der viel trainiert und wenig Zeit hat, zu einem Proteinshake greift, gilt prinzipiell, die Ernährungsgewohnheiten zu optimieren." Denn die optimale Versorgung des Körpers sei auch ohne Nahrungsergänzungsmittel möglich.

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Unterschiedliche Wertigkeit

Die optimale Ernährung ist komplex und individuell. Denn nicht einzig die aufgenommene Menge an Proteinen, sondern auch deren Wertigkeit, ist ausschlaggebend.

Unser Körper benötigt 20 unterschiedliche Aminosäuren - und nicht alle davon sind in jedem Protein enthalten. Acht dieser Aminosäuren sind essenziell. Das heißt, der Körper kann sie nicht selbst herstellen. Weitere zwölf sind nicht essenziell und zwei semi-essenziell. Diese beiden müssen vor allem in der Schwangerschaft und im Wachstum zusätzlich über die Nahrung aufgenommen werden. Je mehr der essenziellen Aminosäuren in einem Nahrungsmittel enthalten sind, umso höher ist dessen Wertigkeit.

Muskelzuwachs. Da ist adäquates Krafttraining in Kombination mit adäquater Ernährung entscheidend

Piero Lercher, Sportmediziner

Eine besonders hohe Wertigkeit hat etwa das Molkenprotein, das auch als "Whey" bekannt ist und verkauft wird. Es deckt alle Aminosäuren ab und ist daher häufig die Grundlage von Shakes. "Es geht zudem sehr schnell ins Blut über. Darum ist es im Kraftsport so beliebt", sagt König. Die oft propagierte Proteinzufuhr innerhalb einer halben Stunde nach dem Training sei allerdings nicht notwendig. "Nach dem Sport ist bis zu 48 Stunden nachweisbar, dass es einen anabolen Reiz auf den Muskel gab", so der Sportmediziner. "Forschungen der letzten Jahre zeigen sogar, dass nicht eine schnelle, sondern eine dauerhafte und kontinuierliche Proteinzufuhr wichtiger ist." So laute die aktuelle Empfehlung, viermal pro Tag Eiweiß zu sich zu nehmen.

Wer dennoch zu Nahrungsergänzungsmitteln greift, sollte auf die Herkunft des Proteins achten, gibt Lercher zu bedenken: "Ich muss mir die Fragen stellen: Woher stammen die Proteine? Stimmt die Qualität und stammen die Proteine aus nachhaltiger und artgerechter Tier- oder Pflanzenzucht?" Auch dürfen sie keine Verunreinigungen mit anderen Substanzen, wie Spuren von Medikamenten oder giftigen Spritzmitteln enthalten.

Proteinquellen kombinieren

Generell haben tierische Lebensmittel eine höhere Wertigkeit. Eine optimale Kombination ist für König beispielsweise ein Glas Milch, dazu Ei und ein Stück Putenfleisch. Doch auch mit veganer Ernährung können sogar Sportler ihren Eiweißbedarf decken. "Es funktioniert, aber man muss sich im Klaren sein, was man isst", so König.

Für diese Menschen sei es umso wichtiger, verschiedene Proteinquellen zu sich zu nehmen. "Morgens ein Müsli aus Hafer und Nüssen mit Sojamilch passt wunderbar." Generell empfiehlt König Veganerinnen und Veganern, Hülsenfrüchte, Nüsse und Getreide zu kombinieren, um ein komplettes Aminosäurespektrum aufzunehmen.

Wer sichergehen will, dass der Körper alle essenziellen Aminosäuren erhält, sollte über ein paar Tage eine Ernährungsprotokoll führen, empfehlen die Mediziner und dieses dann professionell auswerten lassen, um optimal mit Eiweiß versorgt zu sein.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 9/2024.

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